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AUSLAND/2040: Äthiopien - Hilfe für 150.000 aus Saudi-Arabien zurückgeführte Migranten (Ärzte ohne Grenzen)


Ärzte ohne Grenzen - 14. Januar 2014

Äthiopien: Ärzte ohne Grenzen leistet Hilfe für 150.000 aus Saudi-Arabien zurückgeführte Migranten



Am Flughafen von Addis Abeba in Äthiopien sind seit November 154.837 Männer, Frauen und Kinder angekommen, die die Regierung von Saudi-Arabien als "illegale" Arbeitsmigranten abgeschoben hat oder denen die Abschiebung drohte. Die Menschen tragen all ihre Habseligkeiten in Säcken, Kartons und Koffern mit sich - sie kehren entweder gezwungenermaßen oder freiwillig zurück. Alle kommen aus dem Königreich Saudi-Arabien, wo sie gelebt und gearbeitet haben - zum Beispiel als Hausangestellte oder in der Krankenpflege. Manche sind in Saudi-Arabien geboren worden, andere haben Äthiopien in jungen Jahren verlassen.

Ärzte ohne Grenzen und andere Organisationen arbeiten in den Aufnahmezentren, seit im November 2013 die Wiedereinbürgerung von Äthiopiern aus Saudi-Arabien begann. Neben der medizinischen Hilfe für Schwangere und Kinder bietet Ärzte ohne Grenzen auch psychologische Betreuung an. "Unmittelbare medizinische Hilfe ist hier in den Aufnahmezentren entscheidend, denn viele Menschen benötigen lebensrettende Versorgung: Manche Frauen gebären kurz nach ihrer Ankunft, während andere im letzten Drittel ihrer Schwangerschaft auf Grund von Komplikationen sofortige Hilfe benötigen. Wir impfen unbegleitete Minderjährige gegen Masern und Polio, bieten psychologische Beratung für Männer, Frauen und Kinder aller Altersgruppen an und überweisen kritische Fälle an verschiedene Krankenhäuser in Addis Ababa", berichtet Dr. Jean François Saint-Sauveur, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Äthiopien. Während der vergangenen vier Wochen haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen 18.128 Patienten behandelt und 160 Schwangere und junge Mütter betreut.

Eingesperrt, verprügelt, abgeschoben

Der 22-jährige Sambera(*) erreichte Saudi-Arabien, nachdem er mehrmals misshandelt worden war, unter anderem von Schleppern im Jemen. Ärzte ohne Grenzen bietet auch medizinische Hilfe für Migranten in Auffangzentren im Jemen an, von denen die meisten aus Äthiopien stammen. Er wurde an der jemenitischen Grenze verhaftet und kam nur mittels Bestechung weiter nach Saudi-Arabien. "Doch auch nach meiner Ankunft in Saudi-Arabien konnte ich nicht arbeiten und Geld verdienen, um meiner armen Familie in Äthiopien zu helfen. Stattdessen wurde ich eingesperrt, verprügelt, und danach zurück nach Hause deportiert", erzählt Sambera.

Er und viele andere werden in individuellen Beratungsgesprächen von Ärzte ohne Grenzen betreut, wie auch die 15-jährige Yelem*. Bei ihrer Ankunft in Addis Abeba war Yelem vollkommen verwirrt, aggressiv und desorientiert - sie führte Selbstgespräche und lächelte ohne Anlass, bevor sie heftig zu weinen begann. Sie kam im Alter von zehn Jahren nach Saudi-Arabien und erzählte, dass sie in verschiedenen Haushalten gearbeitet hatte, ohne bezahlt zu werden - und dass sie dort körperlich misshandelt worden war. Jetzt ist sie 15 Jahre alt, verloren und verwirrt, und wurde von den Psychologen von Ärzte ohne Grenzen an ein Krankenhaus überwiesen, in dem sie eine gezielt medizinisch und psychologisch behandelt wird.

Junge Menschen mit Depressionen und Stresssyndromen

"Die meisten der Rückkehrenden, die wir beraten, leiden unter schweren Depressionen, posttraumatischem Stresssyndrom, akutem Stress, Angstgefühlen sowie dissoziativen und psychotischen Störungen", berichtet Angelica Kokutona Wagwa, Psychologin von Ärzte ohne Grenzen in Äthiopien. "Die meisten von ihnen sind zwischen 18 bis 36 Jahre alt und brauchen jemanden, der ihnen Hoffnung für ihre Zukunft gibt. Daher ist es besonders wichtig, dass sie weiterhin psychosoziale Betreuung erhalten, damit sie wieder Anschluss an die Gesellschaft finden", ergänzt sie.

Die meisten der Rückkehrenden berichten von traurigen und schmerzlichen Erlebnissen. Ärzte ohne Grenzen bietet daher weiterhin gemeinsam mit anderen Organisationen wie der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und den äthiopischen Behörden Hilfe für diese besonders gefährdete Gruppe an, um ihre Situation zu verbessern, bis sie wieder mit ihren Familien vereint sind.

(*) Namen wurden zum Schutz der Patienten geändert.


Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1984 in Äthiopien und bietet eine Vielzahl an medizinischen Leistungen und Ernährungsprogrammen im ganzen Land an.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen
Pressemitteilung vom 14.01.2014
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Pressestelle: Telefon: 030/22 33 77 00
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2014