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AUSLAND/2175: Sierra Leone - Wenig Hoffnung auf baldige Eindämmung von Ebola (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. November 2014

Sierra Leone:
Wenig Hoffnung auf baldige Eindämmung von Ebola

von Lansana Fofana


Bild: © Marc-André Boisvert/IPS

In Sierra Leone mehrt sich die Kritik am staatlichen Umgang mit der Ebola-Pandemie
Bild: © Marc-André Boisvert/IPS

Freetown, 7. November (IPS) - Sierra Leone fällt im Kampf gegen das tödliche Ebola-Virus immer weiter zurück. Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit werfen den Behörden vor, zu wenig gegen die Epidemie zu unternehmen. Doch die Regierung ist nach eigenen Angaben mit der Seuche restlos überfordert.

"Wir waren auf den Ausbruch der Geißel Ebola einfach nicht vorbereitet", meinte der Gesundheitsminister Abubakar Fofana im IPS-Gespräch. "Die Viruserkrankung hat uns und unser schwaches Gesundheitssystem kalt erwischt. Wir hängen zur Gänze von der Hilfe unserer internationalen Partner ab."

Einem Bericht zufolge, den die britische Hilfsorganisation 'Save the Children' unlängst veröffentlicht hat, kommt es in dem westafrikanischen Land durchschnittlich zu fünf Neuinfektionen pro Stunde. Der Regierung zufolge wird in dem Bericht das Ausmaß der Krise maßlos übertrieben. Tatsächlich habe sich die Lage in einigen Landesteilen verbessert.

Doch Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit sind der Meinung, dass die staatlichen Stellen nicht genug gegen die Ausbreitung der Seuche unternehmen. Die Behörden müssten aktiver werden, meinte Bernard Conteh, Leiter der Bewegung gegen Gewalt. "Sie sollten Gesundheitsexperten, die an vorderster Front gegen das Virus kämpfen, angemessen bezahlen und diesen die erforderlichen Schutzanzüge bereitstellen." Auch müsse die Quarantäne in Verdachtsfällen konsequenter praktiziert werden.


Mehr als 60 Fälle an einem Tag

An nur einem Tag, dem 2. November, waren landesweit 61 neue Ebola-Fälle gemeldet worden. Somit stieg die Gesamtzahl der Infizierten an jenem Tag auf 4.059. Damit überholte Sierra Leone das benachbarte Liberia, das noch vor einem Monat das am schlimmsten betroffene Land gewesen war. Liberia hat 2.515 Fälle gemeldet, während in Guinea, wo die Epidemie ihren Anfang nahm, 1.409 Fälle bekannt geworden sind.

Seit dem Ebola-Ausbruch im April starben in Sierra Leone sechs Ärzte sowie 60 Krankenschwestern und Hilfskräfte an dem tödlichen Erreger - Tendenz steigend.

Auch die Organisation des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair, die 'African Governance Initiative', zeichnet ein düsteres Bild. So hat sich die Geschwindigkeit, mit der sich die Krankheit verbreitet, in den letzten beiden Monaten verneunfacht. Alle Bezirke des Landes und die Hauptstadt Freetown sind Ebola-verseucht, seitdem vor kurzem die letzte erregerfreie Bastion Koinadugu im Norden sechs Fälle gemeldet hat.

Die internationale Gemeinschaft leistet der Regierung Hilfe im Kampf gegen die gefährliche Krankheit. Großbritannien hat medizinische Ausrüstung bereitgestellt, schickt Gesundheitsexperten und führt in Teilen der Hauptstadt Test- und Behandlungszentren ein. Auch aus China kommt medizinische Hilfe, während Kuba Dutzende Ärzte entsandt hat.

Nach Angaben der Hilfsorganisation 'Ärzte ohne Grenzen' (MSF), ist die Epidemie noch längst nicht unter Kontrolle. Deutlich mehr Hilfe als bisher sei erforderlich. Demnach fehlt es an allem: angefangen bei der medizinischen Versorgung und fehlenden Ausbildung über die Weiterbildung von Gesundheitshelfern und einer Infektionskontrolle bis zur Identifizierung der Überträger, der epidemiologischen Überwachung und Aufklärung.

Während sich die Bekämpfung der Killerkrankheit weiterhin als schwierig gestaltet und sich das Virus rasend schnell verbreitet, hat die Regierung den dreimonatigen Ausnahmezustand um ein Jahr verlängert. "Keiner weiß, wann die Ebola-Epidemie vorbei sein wird. Wir glauben, dass wir die Seuche, wenn wir nur hart genug daran arbeiten, innerhalb dieses Zeitraums eindämmen werden", meinte dazu der sierraleonische Generalstaatsanwalt und Justizminister Frank Kargbo gegenüber IPS.


Aufklärungsdefizite

MSF macht für die rapide Ausbreitung von Ebola vor allem den Mangel an Aufklärungskampagnen in den Gemeinden verantwortlich. Kulturelle Praktiken und traditionelle Denkweisen seien weitere Faktoren, die den Kampf gegen Ebola erschwerten.

"Unsere Landsleute berühren, waschen und beerdigen auch weiterhin ihre Toten", warnte der Vorsitzende des Nationalen Ebola-Reaktionskomitees, Alfred Palor Conteh. "Dabei haben wir die Menschen wiederholt aufgefordert, dies nicht zu tun."

Ebenso weigern sie sich, ins Krankenhaus zu gehen, wenn bei ihnen Ebola-Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Erbrechen, Durchfall, Magenkrämpfe und Halsschmerzen auftreten. Viele Menschen sind der irrigen Meinung, dass Ebola in jedem Fall tödlich ausgeht und der Besuch einer Klinik sich somit erübrigt. Infizierte und Ebola-Überlebende fürchten sich vor einer Stigmatisierung durch ihre Familien und Gemeinden. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/11/hopes-of-controlling-sierra-leones-ebola-outbreak-remain-grim/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2014