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AUSLAND/2259: Afghanistan - Bewaffnete Soldaten dringen in Krankenhaus in Kundus ein (Ärzte ohne Grenzen)


Ärzte ohne Grenzen - 3. Juli 2015

Afghanistan: Ärzte ohne Grenzen verurteilt Eindringen bewaffneter Soldaten in Krankenhaus in Kundus


Kabul/Berlin, 3. Juli 2015. Ärzte ohne Grenzen verurteilt das gewaltsame Eindringen bewaffneter Soldaten der afghanischen Spezialkräfte in die chirurgische Klinik der Hilfsorganisation in der Stadt Kundus. Der Vorfall stellt einen inakzeptablen Bruch des humanitären Völkerrechts dar, das den Schutz medizinischer Einrichtungen vor Angriffen vorsieht.

Am Mittwoch um 14:07 Uhr drangen schwer bewaffnete Mitglieder der afghanischen Spezialkräfte auf das Krankenhausgelände von Ärzte ohne Grenzen vor, riegelten die Einrichtung ab und begannen, in die Luft zu schießen. Die Männer griffen drei Mitarbeiter der Organisation tätlich an und betraten anschließend bewaffnet das Krankenhaus, wo sie drei Patienten verhafteten. Das Personal versuchte, die medizinische Versorgung der drei Patienten bestmöglich aufrecht zu erhalten; dabei kam es zu einer Situation, in der ein Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen von zwei der Männer mit der Waffe bedroht wurde. Nach ungefähr einer Stunde ließen die Bewaffneten die drei Patienten wieder frei und verließen das Krankenhausgelände.

"Dieser Zwischenfall schockiert uns", sagt Bart Janssens, Einsatzleiter bei Ärzte ohne Grenzen. "Seit der Eröffnung im Jahr 2011 ist die chirurgische Spezialklinik in Kundus ein Ort, an dem alle Patienten kostenlos und in sicherer Umgebung medizinische und chirurgische Versorgung erhalten. Dieser schwerwiegende Zwischenfall bringt das Leben tausender Menschen in Gefahr, die dringend auf die Nothilfe angewiesen sind, die in der Klinik geleistet wird."

Die chirurgische Spezialklinik von Ärzte ohne Grenzen in Kundus ist die einzige Einrichtung dieser Art im gesamten Nordosten Afghanistans. Im Jahr 2014 wurden mehr als 22.000 Patienten in dem Krankenhaus behandelt und über 5.900 chirurgische Eingriffe durchgeführt. Diese Hilfe kann Ärzte ohne Grenzen in solch einem instabilen Kontext nur dann leisten, wenn alle lokalen Gruppen sowie alle Konfliktparteien die Aktivitäten der Organisation anerkennen und respektieren.

In allen Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen herrscht striktes Waffenverbot. Die Bedrohung der Mitarbeiter und Patienten zwingen die Teams vor Ort, die Aktivitäten in Kundus vorübergehend einzustellen. Ärzte ohne Grenzen hat den afghanischen Verteidigungsminister sowie den Innenminister um ein kurzfristiges Treffen gebeten, um eine offizielle Zusicherung zu erhalten, dass die medizinische Arbeit der Organisation respektiert wird und es nicht mehr zu solchen Zwischenfällen kommt.

"In keinem der Konflikte, in denen Ärzte ohne Grenzen tätig ist, ergreifen wir Partei für eine Seite", sagt Bart Janssens. "Unsere Ärzte behandeln alle Menschen entsprechend ihrer medizinischen Bedürfnisse, ohne Diskriminierung und ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung. Jeder Verletzte, der dringend medizinische Hilfe benötigt, wird diese in der chirurgischen Spezialklinik von Ärzte ohne Grenzen in Kundus erhalten."

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1980 in Afghanistan. 2011 eröffnete die Hilfsorganisation die chirurgische Spezialklinik in Kundus, in der Patienten kostenfreie unfall- oder kriegschirurgische Behandlung erhalten. In Kundus, wie auch in allen anderen Projekten, arbeiten internationale und nationale Mitarbeiter zusammen. Ärzte ohne Grenzen unterstützt öffentliche Krankenhäuser in Kabul und in Lashkar Gah in der Provinz Helmand sowie eine Geburtsklinik in Kabul mit eigenen Teams. In Khost im Osten Afghanistans betreibt die Organisation eine weitere Geburtsklinik. Ärzte ohne Grenzen finanziert die Projekte in Afghanistan ausschließlich über Privatspenden und nimmt dafür keine Regierungsgelder an.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2015

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