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AUSLAND/2332: Marokko - Aufbauhilfe in der Oase (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2/2016

Klinik in der Oase geholfen
Flensburger Ärzteteam aus der Diako im Einsatz im marokkanischen Figuig

Von Abderrahman Machraoui


Unter Beteiligung von Flensburger Medizinern organisierten die Deutsch-Marokkanischen und Medizinischen Kompetenzen (DMK e. V.) der marokkanischen Diaspora im vergangenen Jahr ein Gesundheitsforum im Südosten Marokkos anlässlich der Wiedereröffnung einer Klinik in Figuig.

Hintergrund

Eine 1994 eröffnete Klinik des Croissant Rouge (CR, Marokkanisches Rotes Kreuz) blieb seit dem Tod eines dort praktizierenden Arztes geschlossen und somit ungenutzt. Staatliche Maßnahmen reichten nicht aus, um die medizinische Erstversorgung in der abgelegenen Oase sicherzustellen. 2014 und 2015 sind wir mit einer Gruppe deutscher und marokkanischer Ärzte und Krankenschwestern aus Flensburg (Teilnehmer siehe Info) medizinisch in Figuig aktiv geworden. Etwa 200 Patienten konnten wir bei unserer letzten Reise im Herbst 2015 in kardiologischen und allgemeinärztlichen Sprechstunden untersuchen und beraten. Viele erhielten Medikamente oder eine Unterstützung für eine weitergehende Diagnostik oder notwendige Herzoperationen. Begleitet wurde dies durch Fortbildungen und Erfahrungsaustausch zwischen der Flensburger und der marokkanischen Gruppe. In einer Aufklärungsveranstaltung etwa waren die Ursachen von Brustschmerzen und Luftnot sowie das richtige Verhalten im Notfall und die Vorbeugung und Nachsorge bei Herz- und Gefäßerkrankungen die Hauptthemen. Besonderer Wert wurde auf die gesunde Ernährung unter Berücksichtigung der lokalen Gewohnheiten gelegt. Aus den Fragen des Publikums war ein enormer Aufklärungsbedarf offenkundig.

Zur Organisation der Klinik fand ein Workshop für das medizinische Personal, Vertreter von ausländischen und lokalen Vereinen und Sponsoren statt. Fragen zum Personal- und Materialbedarf, zur Datendokumentation und Telemedizin bis hin zur Qualitätssicherung wurden diskutiert. Für den Akutbedarf fanden sich umsetzbare Lösungen. Die Kooperation mit dem CR wurde ausführlich besprochen und konnte inzwischen zur Zufriedenheit der Partner geregelt werden.

Der lange Weg zur Wiedereröffnung der Klinik

Die Wiedereröffnung der CR-Klinik ist aber nur ein erster Schritt zur nachhaltigen Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Oasenbewohner. Das Hauptproblem war der Mangel an Ärzten, die in der abgelegenen Enklave arbeiten wollen. Erst nach mehreren Besprechungen und Konferenzen konnte der neue Arzt Dr. Omar Kemmou gefunden werden. Außerdem gab es Spendensammlungen, u. a. für medizinisches Material, einen Krankenwagen, 25 elektrische Betten und Geräte für die kleine Chirurgie.

Der neue Arzt für Figuig wird im Vergleich zu seinem Vorgänger bessere Arbeitsbedingen vorfinden. Neben dem medizinischen Fortschritt profitiert er von der Vernetzung mit seinen Kollegen und Spezialisten. Über neue Medien wird die Kommunikation zwischen den Ärzten einfacher, umfassender und schneller. Patienten können zur Besprechung präsentiert werden, nutzen die Kompetenz der Fachärzte und müssen nicht zu ihnen reisen.

In einer zweiten Etappe versuchen die Unterstützer einen Spezialistenplan zu etablieren, wonach Fachärzte aus Figuig und Figuig-Freunde sich dort regelmäßig abwechseln. Anders als bei den medizinischen Karawanen wollen sie erreichen, dass sich die Einwohner auf einen Zeitplan für ihre Konsultationen verlassen können. Zusagen einiger Spezialisten liegen bereits vor. Bei unzureichenden Möglichkeiten durch staatliche Institutionen sind einheimische Kräfte gefragt, ihren Beitrag für die Bedürfnisse ihrer Heimatstadt zu leisten.

Nächster Einsatz mit mehr Diako-Freiwilligen schon geplant

Das Zwischenfazit über die geleistete Hilfe fällt positiv aus. In einer internen Evaluationssitzung mit dem Diako-Team wurden die Aktionen so positiv bewertet, dass sich weitere freiwillige Helfer für die nächsten Hilfsaktionen gemeldet haben, die vom 17. bis 21. Oktober 2016 geplant sind. Eine Vorschlagsliste für Verbesserungen für den nächsten Einsatz liegt bereits vor. Eine Erleichterung wäre ohne Zweifel eine höhere Alphabetisierungsquote - das Bildungsdefizit erschwert die gesundheitliche Aufklärung doch erheblich. Ein weiteres Problem ist, dass kaum eine Frau über 40 Jahre Sport treibt, obwohl Sport zu den Islamlehren gehört. Durch den Mangel an gesundem Bewegungstraining leiden erstaunlich viele Frauen an schneller Ermüdung. Es ist außerdem zu befürchten, dass die moderne Bauweise in größeren Städten mit weniger Sonneneinstrahlung zu mehr Osteoporose bei Frauen führen wird, die zu selten die Häuser verlassen (dürfen). Dies hängt offenbar mit der traditionellen Lebensweise der Frauen zusammen, die ihnen die patriarchale Rollenverteilung der Geschlechter stillschweigend beschert. Durch gezielte Aufklärung der Männergesellschaft, die kritische Auseinandersetzung der Frauen mit ihrer sozio-ökonomischen Rolle und durch Gründung von Frauensportvereinen ließe sich dieses Defizit beheben. Außerdem würde die Rückkehr zur alten mediterranen Küche der Gesundheit zugutekommen.

Prof. Abderrahman Machraoui, Bochum
E-mail: machraoui@t-online.de


Info

Zu den ehrenamtlichen Teilnehmern gehören aus dem Diakonissenkrankenhaus: Dr. Anass El Makhlouf, die Krankenschwestern Karen Storjohann, Michaela Jochen-Harder und Gaby Werthmann und die Qualitätsmanagerin des Holländerhofes für Schwerbehinderte und gelernte Gesundheitserzieherin, Wiebke Molzen, aus Marokko die Allgemeinärzte Dr. Omar Kemmou, der neue CR-Klinikarzt, Dr. Omar Benabbas aus dem Gesundheitszentrum Figuig, Dr. Ahmadou Ahmed aus Meknès, Dr. Mostafa Taibi aus Kénitra, der Frauenarzt Dr. Khalid Taibi aus Casablanca und die Krankenschwester der CR-Klinik Malika Bendahou. Geleitet wurde die Gruppe von Prof. Abderrahman Machraoui, ehemaliger Chefarzt der Medizinischen Klinik, DIAKO, Flensburg.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 2/2016 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2016/201602/h16024a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, Februar 2016, Seite 17
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2016

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