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AUSLAND/2396: Westafrika - Ärzte ohne Grenzen schließt Projekte für Ebola-Überlebende (Ärzte ohne Grenzen)


Ärzte ohne Grenzen - 26. Oktober 2016

Westafrika: Ärzte ohne Grenzen schließt Projekte für Ebola-Überlebende


Zweieinhalb Jahre nach Beginn des bislang größten Ebola-Ausbruchs in Westafrika schließt Ärzte ohne Grenzen die letzten Projekte für Ebola-Überlebende. In den Kliniken in Liberia, Sierra Leone und Guinea hatten die Teams der Hilfsorganisation medizinische und psychologische Versorgung für Überlebende angeboten, die häufig mit Spätfolgen wie Gelenkschmerzen, chronischer Müdigkeit, Seh- und Hörproblemen, aber auch Stigmatisierung und Ausgrenzung zu kämpfen haben. Bei der Ebola-Epidemie hatten sich in den drei betroffenen westafrikanischen Ländern mehr als 28.700 Menschen mit der Krankheit infiziert, mehr als 11.300 Männer, Frauen und Kinder sind an Ebola gestorben.

"Als der Ausbruch abklang, wurde immer klarer, dass die Ebola-Überlebenden und ihre Familien viel Unterstützung brauchten", sagt Petra Becker, Landeskoordinatorin in Liberia. "Viele Überlebende litten an schweren physischen Problemen. Zudem litten die Überlebenden ebenso wie ihre Angehörigen, Freunde und das medizinische Personal, das sie betreut hatte, unter erheblichen psychologischen Problemen wie posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen, nachdem sie dem Tod so nah gekommen waren."

Da es noch nie einen Ebola-Ausbruch diesen Ausmaßes gegeben hatte, gab es kaum Verständnis für die Hilfe, die diese Menschen brauchten. Um den Betroffenen dabei zu helfen, ihr Leben wieder aufzunehmen, hat Ärzte ohne Grenzen in den am schwersten betroffenen Ländern Kliniken für Ebola-Überlebende eingerichtet:

Die erste Klinik wurde im Januar 2015 in Monrovia, Liberia, eröffnet. Bis zu ihrer Schließung im August 2016 absolvierten die Teams dort mehr als 1.500 medizinische Behandlungen. In der zweiten Klinik in Conakry in Guinea wurden 330 Überlebende und mehr als 350 Angehörige aus den Bezirken Coyah und Forécariah betreut. Eine ähnliche Klinik in Freetown, Sierra Leone, stellte psychologische und medizinische Versorgung für mehr als 400 Überlebende und ihre Familien bereit. Mehr als 450 Einzel- und Gruppenberatungen fanden statt, um die Menschen psychologisch zu betreuen.

"Im Laufe der Zeit und dank der Behandlung nahmen die psychologischen und physischen Bedürfnisse der Menschen immer weiter ab", sagt Jacob Maikere, Landeskoordinator in Sierra Leone. "Doch viele Überlebende sagen noch heute, dass der Geruch von Chlor sie nach wie vor zutiefst verstört, weil er sie an die schrecklichen Erlebnisse in den Ebola-Behandlungszentren erinnert."

Stigmatisierung und Diskriminierung

Ebola-Überlebende sowie ihre Familien hatten auch mit Stigmatisierung zu kämpfen, wenn sie in ihre Dörfer zurückkehrten. Zusammen mit anderen Organisationen und nationalen Initiativen hat Ärzte ohne Grenzen darum Teams in betroffene Dörfer geschickt, die über Ebola aufklärten, um einer Stigmatisierung und Diskriminierung der Überlebenden entgegenzuwirken. In Guinea zum Beispiel hat Ärzte ohne Grenzen in Gruppen- und Einzelsitzungen rund 18.300 Menschen erreicht.

"Stigmatisierung ist nach wie vor ein Riesenthema für Ebola-Überlebende und ihre Familien - trotz der Aufklärungskampagnen während und nach dem Ausbruch", sagt Jacob Maikere. "Diskriminierung gibt es in unterschiedlichen Formen: Menschen verlieren ihre Jobs oder ihre Partner oder sie werden von ihrer Familie oder ihrem Dorf verstoßen. All das kann ihr Leben extrem destabilisieren."

Übergabe von Post-Ebola-Projekten

Ende September hat Ärzte ohne Grenzen die medizinischen und psychologischen Hilfsprogramme für Überlebende in Guinea und Sierra Leone beendet, in Liberia wird die Post-Ebola-Hilfe noch vor Ende des Jahres auslaufen. Ein Großteil der körperlichen Beschwerden, unter denen Überlebende litten, wurde behandelt. Für diejenigen Überlebenden, die eine langfristige psychologische Unterstützung brauchen, hat Ärzte ohne Grenzen eine Betreuung durch das nationale Gesundheitssystem oder andere Organisationen in die Wege geleitet.

Hilfe von Ärzte ohne Grenzen in Westafrika geht weiter

In allen drei Ländern wird Ärzte ohne Grenzen weiterhin medizinische Hilfe für besonders verletzliche Menschen anbieten.

"Um die Gesundheitssysteme der drei Länder zu stärken, braucht es eine bessere Infektionskontrolle, Frühwarnsysteme und Notfallpläne, die eine schnelle Reaktion auf einen Ebola-Ausbruch oder andere Krankheiten ermöglichen", erklärt Mit Philips, Expertin für Gesundheitspolitik bei Ärzte ohne Grenzen. "Die Länder müssen außerdem in den Bereichen wieder aufholen, die während der Epidemie brachlagen, wie zum Beispiel die Behandlung von HIV und Tuberkulose oder Präventionsmaßnahmen, die nach wie vor nicht sehr umfangreich sind."

In Monrovia hat Ärzte ohne Grenzen eine Kinderklinik eröffnet, das Bardnesville Junction-Krankenhaus. Von Januar bis August 2016 wurden hier 3.280 Notfälle behandelt und 880 Kinder stationär aufgenommen, die hauptsächlich an Malaria erkrankt waren. In der Abteilung für Neonatologie wurden 512 Neugeborene betreut.

In Conakry behandelt Ärzte ohne Grenzen weiterhin Menschen mit HIV. In den Bezirken Tonkolili und Koinadugu in Sierra Leone betreibt die Organisation Mutter-Kind-Programme. Außerdem hat Ärzte ohne Grenzen in Westafrika ein Material-Lager angelegt, damit medizinische Teams auf einen künftigen Ebola-Ausbruch oder andere Epidemien schnell reagieren können.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen e. V. / Medecins Sans Frontieres
Pressemitteilung vom 5. Oktober 2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2016

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