Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


ARTIKEL/1423: Tag der Patientensicherheit - Fehler als Chance für Verbesserungen nutzen (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 10/2016

PATIENTENSICHERHEIT
Fehlerkultur ausbauen

von Dirk Schnack


Zum Tag der Patientensicherheit appellierten Politiker sowie Kassen- und Klinikvertreter, Fehler als Chance für Verbesserungen zu nutzen.


Keine Schuldzuweisungen, sondern Fehler als Chance begreifen und den Blick über den Tellerrand richten: Diese Einstellung in Sachen Fehlerkultur zog sich wie ein roter Faden durch einen zweitägigen Kongress zum Internationalen Tag der Patientensicherheit in Hamburg. Auch in Schleswig-Holstein gab es an diesem Tag eine Reihe von Veranstaltungen, vorwiegend initiiert und durchgeführt von Krankenhäusern. In Hamburg waren es der Asklepios-Konzern und das Wissenschaftliche Institut der Techniker Krankenkasse für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG), die das Thema für einen breiten Expertenkreis von Ärzten bis zu Verbraucherschützern aufbereitete.

Nach Ansicht von TK-Chef Dr. Jens Baas ist die Fehlerkultur neben der Versorgungsqualität und der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung der entscheidende Baustein für mehr Patientensicherheit. Dabei machte er deutlich, dass Transparenz über Fehler am leichtesten zu erreichen ist, wenn nicht bestraft wird. "Fehler sind ein gemeinsames Problem, das nur gemeinsam gelöst werden kann", sagte er an die Adresse der Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen. Und: "Wir dürfen uns nicht als Gegner begreifen." Seine Kasse versucht, ihren Beitrag zur Patientensicherheit durch Aufklärungsfilme im Internet und durch Kurse zur Stärkung der Gesundheitskompetenz zu leisten. Ziel sei der mündige Patient, der sich auch traut, den Arzt kritisch zu hinterfragen: "Der Patient soll an der richtigen Stelle das Richtige fragen."

Auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) will das Thema Patientensicherheit nicht auf Behandlungsfehler eingeschränkt wissen. Eine gute Fehlerkultur mit der Meldung auch von Beinahe-Fehlern ist für sie nur einer von drei Bausteinen. Die Vermeidung von Fehlern setzt für sie schon in der Krankenhausplanung an. Die dafür zuständigen Bundesländer könnten schon in der Planung dafür sorgen, dass die Krankenhäuser durch Ausstattung und Schwerpunktsetzung in die Lage versetzt werden, die geforderte Behandlungsqualität zu liefern. Für wichtig hält Prüfer-Storcks auch eine bessere Koordination im deutschen Gesundheitswesen, "damit die Patienten nicht herumirren". Es sei Aufgabe der Politik, den Menschen besser zu erklären, wo sie am wirksamsten Unterstützung erhalten.

Als weiteren Punkt für eine bessere Patientensicherheit nannte sie eine ausreichende Personalausstattung in den Krankenhäusern. "Es gibt hier einen Zusammenhang zu Fehlern und vermiedenen Komplikationen", sagte sie in Richtung Klinikträger. Nach ihren Angaben zeigen Studien, dass 30 Prozent der aufgetretenen Fehler durch eine Optimierung in der Klinikorganisation vermeidbar gewesen wären. Insbesondere die dünne Personaldecke in der Pflege hält sie für ein Problem, an dessen Lösung nach ihren Angaben aber bereits in einer Expertengruppe gearbeitet wird.

Asklepios-Chef Dr. Thomas Wolfram appellierte in diesem Zusammenhang an die Politik, "mit Augenmaß" vorzugehen. "Personalvorgaben allein sind nicht zielführend." Er gab zu bedenken, dass die gewünschten Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gar nicht frei sind. Auch Asklepios setzt wie die TK auf Information von Patienten. Diese Information dürfe aber nicht verordnet werden und unter Zwang erfolgen. "Man muss Information zur Verfügung stellen, aber nicht aufdrängen", sagte Wolfram.

In der ambulanten Medizin setzen sich Fehlerberichtssysteme langsamer als im stationären Sektor durch. Hardy Müller vom WINEG sieht CIRS (Critical Incident Reporting System) bislang zu wenig etabliert. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine geringe Berichtsfrequenz, einen erschwerten Zugang des Praxispersonals zu diesen Systemen und auf die fehlende einheitliche Einbettung in das praxisinterne Qualitätsmanagement. Hinzu kommt, dass sich niedergelassene Ärzte zu wenig über das Thema verständigen. "Ein praxisübergreifender Austausch findet kaum statt", sagte Müller auf dem Kongress.

Ob CIRS auch in den Praxen Fahrt aufnehmen wird, hängt u. a. von den Ergebnissen eines derzeit laufenden Modells TK-CIRS und vom Innovationsfonds ab. Müller berichtete, dass ein Antrag auf Förderung durch den Innovationsfonds eingereicht sei. Das Projekt zur Fortentwicklung von Fehlerberichts- und Lernsystemen für die ambulante Versorgung zu einem implementierungsreifen System wird von einer breiten Gruppe von Institutionen aus dem Gesundheitswesen getragen.

Seit April 2015 läuft das TK-CIRS im Nürnberger Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz mit rund 70 Praxen und im Gesundheitsnetzwerk Köln-Süd wurde ein Pilottest vorgenommen. Mit weiteren interessierten Netzen werden derzeit Gespräche geführt. Die Evaluationsphase für TK-CIRS hat zwar noch nicht begonnen - das Projekt endet erst im kommenden Jahr -, fest steht aber, dass die Beteiligten von einem hohen Potenzial zur Versorgungsverbesserung ausgehen. Müller verwies in diesem Zusammenhang auf die gemeinsame Verpflichtung von Krankenkassen und Leistungserbringern bei der Patientensicherheit. Er geht auch davon aus, dass die Investition in solche Systeme nicht nur für die Patienten von Vorteil ist, sondern Praxen bei standardisierten Abläufen geringeren Aufwand haben.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 10/2016 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2016/201610/h16104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, Oktober 2016, Seite 16
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-127, -119, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang