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ARTIKEL/1260: Zweigpraxis mit Assistenz (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2012

Zweigpraxis mit Assistent

Von Dirk Schnack


Zweigpraxen können unter bestimmten Bedingungen auch mit einem Weiterbildungsassistenten besetzt werden. Ein außergewöhnliches Modell wird in Neukirchen an der dänischen Grenze realisiert. Dort arbeitet ab April Schleswig-Holsteins erster Quereinsteiger in die Allgemeinmedizin. Anästhesist und Notfallmediziner Bernd Scharfe feiert im kommenden Monat seinen 66. Geburtstag. Der tritt im Sommer 2013 zur Prüfung vor der Ärztekammer in Bad Segeberg an, um seinen Facharzt in der Allgemeinmedizin zu erlangen. Bis dahin steht er der hausärztlichen Patientenversorgung durch die Anstellung in der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis von Dr. Thomas Maurer und Kollegen in Leck zur Verfügung. Die Lecker Praxis betreibt ab April die Zweigpraxis im 25 Kilometer entfernten Neukirchen und setzt dort Scharfe ein - unter Aufsicht der Fachärzte für Allgemeinmedizin. Scharfe wohnt nur wenige Kilometer von Neukirchen entfernt und war bis 2011 Anästhesist in der Ostseeklinik Damp. Wenige Monate nach seinem Ruhestand hörte er von der Gemeinde Neukirchen, dass die Landarztpraxis leer stand. Bürgermeister Peter Ewaldsen und Scharfe wurden sich schnell einig, nur: Als Anästhesist konnte Scharfe Neukirchen nicht helfen. Ärztekammer und KV in Bad Segeberg erarbeiteten daraufhin in aller Kürze ein Modell, das eine Anstellung von Scharfe als Weiterbildungsassistent in der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis und seinen Einsatz in Neukirchen ermöglicht. Die Ärztekammer hatte zuvor den Quereinstieg zum Allgemeinmediziner ermöglicht und den von der weiterbildenden Praxis zu leistenden Bedingungen für den Einsatz des Weiterbildungsassistenten in einer Zweigpraxis zugestimmt. Dazu zählen eine komplette EDV-Vernetzung mit der Stammpraxis in Leck, parallele Öffnungszeiten von Stamm- und Zweigpraxis und die Vorgabe, dass mindestens zwei Mal pro Woche ein gemeinsames Arbeiten unter Aufsicht eines allgemeinmedizinischen Facharztes erfolgt. Die KV Schleswig-Holstein setzt in Neukirchen Mittel aus einem Fonds zur Sicherstellung ein. Die Praxis aus Leck investiert einen fünfstelligen Betrag in eine leer stehende Praxis, deren Patienten seit einigen Monaten in die umliegenden Praxen abgewandert sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Zweigpraxen soll Neukirchen eine hausärztliche Vollversorgung bekommen, mit Sprechstunden an vier Vormittagen und zwei Nachmittagen. Die Stammpraxis setzt neben Scharfe wechselseitig an zwei Tagen pro Woche einen der drei hausärztlichen Fachärzte in Neukirchen ein und stellt mit Ursula Lukas eine erfahrene MFA für einen Übergangszeitraum für Neukirchen ab, um die Organisation der Zweigpraxis und die Koordination mit der Stammpraxis zu steuern. Die Kommune übernimmt für ein Jahr die Mietkosten der Praxis und lässt die Räume außerdem durch örtliche Handwerker so auf Vordermann bringen, dass Maurer seine Zweigpraxis einrichten kann. Maurer hat keine Bedenken, dass die Zweigpraxis mittelfristig angenommen wird. Auf das Alter seines Weiterbildungsassistenten angesprochen, sagt er: "Das kann natürlich keine Dauerlösung sein, aber Bernd Scharfe kann uns einige Jahre helfen, bis wir einen jüngeren Kollegen gefunden haben." Scharfe und Maurer kennen sich noch aus gemeinsamen Kliniktagen in Niebüll und haben die Anstellung auf fünf Jahre ausgelegt. Maurer stellt auch klar, dass er die Zweigpraxis nicht aus Altruismus betreibt: "Wir wollen hier kein Geld von Leck nach Neukirchen umschichten. Die Zweigpraxis muss sich mittelfristig selbst tragen." Das heißt, dass sie neben dem Gehalt von Scharfe auch das von eineinhalb Vollzeitkräften, die dort eingestellt werden, erwirtschaften muss. Für den erfahrenen Anästhesisten und Notfallmediziner ist der Sprung in die Allgemeinmedizin eine Herausforderung, weil er sein gewohntes Denkschema ablegen muss. "Ich muss mir abgewöhnen, immer sofort einen Notfall zu sehen."

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2012 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2012/201203/h12034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Bernd Scharfe und Dr. Thomas Maurer (v.l.)

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt März 2012
65. Jahrgang, Seite 14 - 15
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
V.i.S.d.P.: Dr. Franz Bartmann
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
Internet: www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012

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