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POLITIK/2089: Mehrheit der Pflegenden sprechen sich gegen die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein aus (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 4, April 2021

Pflegende sprechen sich gegen die Kammer aus

von Dirk Schnack


PFLEGE. 15.942 von 17.372 Pflegenden stimmten für die Auflösung der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein, nur 1.430 waren für eine Fortführung. Offen ist, wer künftig mandatierter Ansprechpartner sein wird und für alle Pflegenden sprechen kann.


Jetzt muss der Landtag - der zunächst die Gründung, dann die erneute Abstimmung über die Zukunft der Kammer herbeigeführt hatte, die weiteren Schritte bestimmen. Auflösen, abwickeln und eine neue Form der Interessenvertretung anbieten und organisieren, forderte im Anschluss an die Abstimmung u.a. die Gewerkschaft ver.di, die von Beginn an Front gegen die erst 2018 gegründete Kammer gemacht hatte.

Patricia Drube, Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein, kündigte an, die Entscheidung zu respektieren. Die Kammer werde bis zu einer Entscheidung des Landtages ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen. In einer Pressekonferenz ließ Drube durchblicken, dass sie vor allem drei Gründe sieht, weshalb die Mitglieder so deutlich für eine Auflösung votierten:

  • Falscher Zeitpunkt:
    Drube hätte sich mehr Zeit gewünscht, um die Mitglieder nach der intensiven Diskussion vom Sinn einer Kammer für die Pflegenden zu überzeugen.
  • Zu späte Anschubfinanzierung:
    Drube hätte sich eine Anschubfinanzierung von Beginn an gewünscht, um sich nicht beim Aufbau der Kammer mit Zahlungsaufforderungen bei ihren Mitgliedern vorstellen zu müssen.
  • Andere Fragestellung:
    Die klare Fokussierung der Fragen auf Auflösung oder Fortführung ließ keinen Raum für eine weitere Entwicklung unter anderen Vorzeichen.

Ihre weitere persönliche Rolle in der Standespolitik ließ Drube offen. "Mein Herz brennt für meinen Beruf. Dieses Brennen hört nicht auf, weil es diese Klatsche gab", sagte Drube. Genauso wie Vizepräsident Frank Vilsmeier bemühte sie sich, trotz der Enttäuschung das Erreichte in den Vordergrund zu stellen. Beide verwiesen u.a. auf das Berufsregister, das erstmals zuverlässige Daten zu Anzahl und Demografie der Pflegenden in Schleswig-Holstein liefert, auf die Grundlagen einer Berufsordnung, den Entwurf einer Rahmenweiterbildungsordnung und die Lobbyarbeit.

Prof. Henrik Herrmann bedauerte die Entscheidung der Pflegenden. "Nach bereits begonnener Zusammenarbeit in mehreren Projekten werden wir in der Ärztekammer nun sondieren, wie eine Fortführung der Arbeit im Sinne einer teamorientierten Zusammenarbeit beider Berufsgruppen ohne die Pflegeberufekammer als feste Ansprechpartnerin überhaupt möglich sein wird", sagte Herrmann in einem ersten Statement. Mit inoffiziellen Ansprechpartnern, die nie für die gesamte Berufsgruppe der Pflegenden sprechen können, hält er eine Zusammenarbeit nicht ohne Weiteres für möglich. "Wenn auch die Entscheidung der Pflegenden zu respektieren ist, wird die Pflege ohne mandatierte Pflegeberufekammer auf der politischen Ebene keine Stimme mehr haben", gab er zu bedenken.

Enttäuscht zeigte sich die stellvertretende Vorsitzende des DBfK Nordwest, Swantje Seismann-Petersen: "Keine Kammer bedeutet keine systematische Einbeziehung der beruflich Pflegenden in alle relevanten Entscheidungen auf politischer Ebene", sagte Seismann-Petersen. Für sie ist die Politik "in der Verantwortung, beruflich Pflegenden kurzfristig Verbesserungen und langfristig echte Perspektiven zu bieten". Ihre Prognose: "Ansonsten wird der Frust steigen und die Berufsflucht zunehmen."

SPD-Pflegeexpertin Birte Pauls warf der Landesregierung "Desinteresse" an der Pflege vor und forderte Antworten. Sie sei überzeugt, dass "diejenigen, die am meisten von der Pflege verstehen, die Dinge selbst organisieren und auf gleicher Ebene agieren können wie beispielsweise die Ärztekammer".

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 4, April 2021, 74. Jahrgang, Seite 28
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2021

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