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POLITIK/2091: Der Palliativausweis Nord - Die Willensbekundung für den Notfall (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 7/8, Juli/August 2021

Die Willensbekundung für den Notfall

von Dirk Schnack


PALLIATIVMEDIZIN. Mit dem Palliativausweis Nord gibt ein Verbund von Partnern in Flensburg und Umgebung ein Dokument aus, das besonders Notärzten helfen könnte, die Patientenentscheidung ohne Zeitverlust zu erfassen. Klare Abgrenzung zur Patientenverfügung und zur Vorsorgevollmacht.


Viele Notärzte kennen die schwierige Situation aus kritischen Einsätzen oder in der Sterbephase von Patienten: Die Patienten selbst sind nicht mehr entscheidungsfähig, es existieren keine gesicherten Informationen über ihre Wünsche und der akute Handlungsbedarf lässt keine Zeit, um eine ausführliche Patientenverfügung zu lesen. Dennoch erwarten die manchmal verängstigten, teils verunsicherten oder überforderten Angehörigen von den Notärzten eine Entscheidung.

In solchen Situationen könnte eine schnell zu erfassende, klar dokumentierte Entscheidung des Patienten helfen - dies ist die Grundidee des Palliativausweis Nord, den der Ärztliche Leiter Rettungsdienst mit dem Katharinen Hospiz am Park und den Projektpartnern Stadt Flensburg, Kreis Nordfriesland, Kreis Schleswig-Flensburg sowie den Unterstützern VR Bank Nord eG und Selbsthilfe-Bauverein eG Flensburg realisiert haben. Sie sind nicht die ersten. Zuerst veröffentlichte das Netzwerk Palliativmedizin Essen einen solchen Ausweis, mittlerweile sind viele andere Regionen gefolgt. In Schleswig-Holstein gibt es den Ausweis in Kiel.

Der handliche gelbe Palliativausweis Nord kann nur vom Haus-, Fach- oder Krankenhausarzt ausgestellt werden und sollte deshalb von diesen auch vorrätig gehalten werden. Wichtig ist er für Patienten mit einer rasch fortschreitenden und unheilbaren Erkrankung, die Wert darauf legen, dass auch eine Behandlung im Notfall so erfolgt, wie sie es sich im Voraus wünschen. Dabei muss einiges beachtet werden. Solange der Patient seinen Willen bilden und äußern kann, gilt sein direkt ausgedrückter Wille. Erst wenn er das nicht mehr kann, gilt der im Palliativausweis dokumentierte Wille.

Welche Angaben enthält der Palliativausweis Nord neben den Angaben zur Person, der palliativmedizinischen Hauptdiagnose und Angaben zu Besonderheiten und zur Medikation? Es sind vor allem die folgenden drei Fragen, die der Patient mit "Ja" oder "Nein" ankreuzen muss und die dem Notarzt eine zügige Entscheidung ermöglichen sollen:

• Eine Herz-Lungen-Wiederbelebung wünsche ich.

• Eine Intubation/künstliche Beatmung wünsche ich.

• Eine Krankenhauseinweisung wünsche ich.

Auch weitere Ansprechpartner etwa in der Hausarztpraxis, im Krankenhaus, beim Pflegedienst oder beim ambulanten Hospizdienst können im Ausweis eingetragen werden.

Der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille eines Patienten ist vom Arzt zu beachten, wenn die in der Verfügung getroffenen Aussagen auf die aktuelle Situation zutreffen und diese nicht mit dem Gesetz in Konflikt stehen. Da der Palliativausweis Nord vor allem für die Notfallsituation gedacht ist, sollten Patienten darauf achten, dass sie darin keine Angaben machen, die im Widerspruch zu einer möglicherweise zusätzlich bestehenden Patientenverfügung stehen.

Wichtig ist die Abgrenzung zur Patientenverfügung: Diese soll umfassend Auskunft geben über die Vorstellungen und Wünsche eines Menschen für den Fall, dass er nicht mehr selbstständig über seine medizinische Behandlung und Begleitung entscheiden kann. In einer Vorsorgevollmacht wiederum überträgt der Patient einer anderen Person das Recht, für ihn zu entscheiden, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Beide Dokumente - Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht - gelten auch außerhalb der Notfallsituation. Nur: In einer akuten Notfallsituation sind sie oft nicht verfügbar und oft zu lang. Dem Notarzt ist es damit nicht möglich, sich schnell ausreichend zu informieren und die vom Patienten tatsächlich gewünschte Versorgung einzuleiten. "Somit stellt der Palliativausweis eine Willensbekundung speziell für den Notfall dar", informieren die Projektpartner in einem Flyer über ihren Ausweis.

Für den Palliativausweis Nord gilt also: Er ist sehr speziell auf die absehbare Akutsituation bezogen, er ist kurz und knapp gehalten, der Wille des Patienten ist sofort erkennbar und durch die gelbe Farbe ist der Ausweis schnell auffindbar und durch die handliche Größe lässt er sich zum Beispiel im Portemonnaie mitführen.

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Info

Der Palliativausweis Nord ist eine Willensbekundung des Patienten für den Notfall. Die enthaltenen Angaben sollen Notärzten helfen, ohne Zeitverlust die weiteren Schritte einzuleiten und dabei den Willen des Patienten zu berücksichtigen. Rechtlich gesehen stufen die Initiatoren den Ausweis als spezielle Patientenverfügung ein, wenn er vom Patienten selbst unterschrieben wurde oder sich auf eine vorhandene Patientenverfügung bezieht. Weil die Palliativdiagnose eingetragen und ärztlich bestätigt werden muss, ist der Ausweis nicht frei verfügbar, sondern soll vom betreuenden Haus-, Fach- oder Klinikarzt mit dem Patienten gemeinsam ausgestellt werden. Ärzte erhalten die Ausweise über das Katharinen Hospiz am Park (info@katharinen-hospiz.de)
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 7/8, Juli/August 2021
74. Jahrgang, Seite 24
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 24. August 2021

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