Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


STELLUNGNAHME/103: Arbeitsmedizin 4.0 - Prävention muss zu einer tragenden Säule im Gesundheitssystem werden (DGAUM)


Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. - 12. Oktober 2015

Arbeitsmedizin 4.0: Die Prävention muss zu einer tragenden Säule im Gesundheitssystem werden.

Thesen der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) zum Stand und zum Entwicklungsbedarf der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland


Die Prävention muss zu einer tragenden Säule im Gesundheitssystem werden. Diese zentrale Forderung steht im Mittelpunkt der soeben veröffentlichten neuen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) e.V. zum Thema "Arbeitsmedizin 4.0: Thesen der Arbeitsmedizin zum Stand und zum Entwicklungsbedarf der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland".

Gesundheit ist ein existentielles Gut. Zu deren Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung bedarf jeder Einzelne Unterstützung bei der Wahrnehmung von Eigenverantwortung innerhalb eines leistungsfähigen Gesundheitssystems, das auf solidarischer Basis organisiert ist. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der allgemeinen demografischen Entwicklung in Europa, dem damit einhergehenden spezifischen Alterungsprozess der Bevölkerung in Deutschland und gleichzeitiger Zunahme chronischer Erkrankungen schon in der jüngeren Bevölkerung, erhalten Prävention und Gesundheitsförderung sowohl für den einzelnen Menschen als auch für die Gesellschaft im Gesamten eine zunehmend wichtigere Bedeutung.

Für die DGAUM stellt in unserer Gesellschaft die Lebens- und Arbeitswelt in den Betrieben und den Unternehmen sowie bei den öffentlichen Arbeitgebern das größte Präventionssetting sowohl für Maßnahmen im Rahmen der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention dar. Schon heute sind Arbeitsmediziner und Betriebsärzte im Rahmen der gesetzlich verankerten arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Lage, fast 43 Millionen arbeitende Menschen anzusprechen und für präventiv-medizinische Maßnahmen zu sensibilisieren oder gar zu gewinnen. Allein schon vor diesem Hintergrund erwächst nach Auffassung der DGAUM den ca. 12.500 Ärztinnen und Ärzten mit arbeitsmedizinischer oder betriebsärztlicher Fachkunde die Aufgabe, ihre Rolle als Lotsen und neutrale Berater zwischen präventiver Gesundheitsförderung, ambulanter Versorgung, arbeitsmedizinischer Vorsorge und berufsfördernder Rehabilitation einzunehmen, wie diese Bereiche in den entsprechenden Gesetzbüchern (SGB V, VII, IX) der Sozialgesetzgebung und den damit verbundenen Verordnungen verbrieft sind.

Im Mittelpunkt steht dabei der Erhalt und die Förderung der physischen und psychischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit des arbeitenden Menschen, die Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen, die Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Begutachtung arbeits- und umweltbedingter Risikofaktoren, Erkrankungen und Berufskrankheiten, die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen, einschließlich individueller und betrieblicher Gesundheitsberatung, die Vermeidung von Erschwernissen und Unfallgefahren sowie die berufsfördernde Rehabilitation. Die Rolle von Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten ist es, sowohl auf gesundheitsgerechte, salutogene Lebens- und Arbeitsbedingungen hinzuwirken als auch die Beschäftigten in den Unternehmen zu befähigen, die individuelle Kontrolle über ihre Gesundheit zu erhöhen und dadurch ihre Gesundheit aktiv zu fördern.

Die Arbeitsmedizin in Wissenschaft und Praxis ist darüber hinaus eine integrierende Schnittstelle zwischen präventiver Gesundheitsförderung, ambulanter Versorgung und berufsfördernder Rehabilitation, die für alle an Prävention, Versorgung und Wiedereingliederung beteiligten Gesundheitsexperten eine koordinierende Plattform bietet. Zum Stand und Entwicklungsbedarf der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland stellt die DGAUM 14 Thesen zur Diskussion:

These 1: Die Prävention muss zu einer tragenden Säule im Gesundheitssystem werden.

These 2: Es bedarf einer Präventionsstrategie und Präventionskultur, die auch KMU erreicht.

These 3: Arbeitsmediziner kennen den Arbeitnehmer mit seinen Erkrankungen und seinen Gesundheitsrisiken und die damit interagierenden Arbeitsbedingungen.

These 4: Arbeitsmediziner und Betriebsärzte können 43 Millionen Menschen, die im Vorfeld einer Erkrankung nur selten den Arzt aufsuchen, für die Prävention und Gesundheitsförderung gewinnen.

These 5: Ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist wichtige Aufgabe einer Arbeitsmedizin 4.0.

These 6: Effiziente gesundheitsfördernde Maßnahmen im Rahmen eines BGM können nur mit fundierten Kenntnissen über Gesundheit und Krankheit initiiert werden. Damit ist der Arbeitsmediziner und Betriebsarzt ein unverzichtbarer Partner beim BGM.

These 7: Betriebliches Gesundheitsmanagement und betriebliche Gesundheitsförderung ist nicht nur inhaltlich sondern auch formal (ASiG, ASchG, WHO, Gesetzliche Sozialversicherungen) eng mit der Arbeitsmedizin verzahnt.

These 8: Ein effizientes BGM hat die Integration aller betrieblichen Maßnahmen zur Voraussetzung, die auf Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und Wiedereingliederung abzielen.

These 9: Durch das Präventionsgesetz werden die Sozialversicherungen zu wichtigen Akteuren im BGM. Mit ihren Erfahrungen im Arbeitsschutz und Kenntnissen zur evidence-basierten Prävention stehen diesen Akteuren dabei Arbeitsmediziner und Betriebsärzte als kompetente Partner zu Seite.

These 10: Eine effiziente Arbeitsmedizin an den zahlreichen Schnittstellen (Betrieb, ambulante und stationäre Versorgung, Rehabilitation und Wiedereingliederung) benötigt wissenschaftliche Grundlagen, die an den Medizinischen Fakultäten erarbeitet werden müssen.

These 11: Die arbeitsmedizinische Forschung zeichnet sich, ebenso wie jede andere fachspezifische Forschung in der Medizin, durch spezifische Kollektive, spezifische Fragestellungen und durch spezifische Methoden aus.

These 12: Arbeitsmedizinisches Basiswissen ist Pflichtwissen eines jeden Arztes und muss im Medizinstudium vermittelt werden. Die Folgen nicht erkannter oder falsch postulierter Kausalzusammenhänge sind für den Einzelnen und die Gesellschaft mit Sicherheit immens, auch wenn bisher systematische Untersuchungen hierzu kaum vorliegen.

These 13: Neben den Aufgaben in Wissenschaft, Forschung und Klienten-Betreuung ist auch die Politikberatung von großer Bedeutung, um die Ressourcen zielgerichtet einsetzen zu können.

These 14: Die Erfüllung von präventiv-medizinischen Aufgaben setzt einen ebenso hohen Qualitätsstandard in den Methoden und der Qualitätssicherung wie in der klinischen Medizin voraus.


Neben diesen Thesen hat die DGAUM ebenfalls Forderungen an die Akteure in Gesundheits- und Sozialpolitik bzw. Forschungs- und Wissenschaftspolitik entwickelt. Diese sind wie die 14 Thesen zur Arbeitsmedizin 4.0. und deren inhaltliche Begründungen online abrufbar unter
www.dgaum.de

*

Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
Pressemitteilung Nr. 27 vom 12. Oktober 2015
Schwanthaler Straße 73 b, 80336 München
Telefon: 089/330 396-0, Fax: 089/330 396-13
E-Mail: gs@dgaum.de
Internet: www.dgaum.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang