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AUSLAND/1572: Nepal - Kaum Fortschritte im Kampf gegen Aids - Witwen übernehmen Ernährerrolle (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2010

Nepal: Kaum Fortschritte im Kampf gegen Aids - Witwen
übernehmen Ernährerrolle

Von Bhuwan Sharma


Kathmandu, 11. August (IPS) - In Nepal leben nach inoffiziellen Schätzungen etwa 70.000 HIV-Infizierte. Das Nationale Zentrum für Aids und sexuell übertragbare Krankheiten (NCASC) spricht jedoch von lediglich 15.460 "getesteten und bestätigten" HIV/Aids-Fällen. Die Behörden des kleinen Himalaja-Staates räumen inzwischen selbst ein, im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit nicht rasch genug voranzukommen.

"Die Aids-Rate im Westen Nepals liegt bei zwei bis drei Prozent", sagte Krishna Kumar Rai, Leiter des Nationalen Zentrums für Aids und sexuell übertragbare Krankheiten (NCASC), das dem Ministerium für Gesundheit und Bevölkerung untersteht. Seinen Angaben zufolge beträgt die Infektionsrate in dem Land mit rund 29,5 Millionen Einwohnern insgesamt 0,5 Prozent.

Die Diskrepanz zwischen den geschätzten und bestätigten Fällen begründete der Mediziner damit, dass die zuständigen Einrichtungen mit den Tests nicht hinterherkämen. "Wir haben 350.000 Menschen untersuchen lassen. Um alle 70.000 HIV/Aids-Positiven zu identifizieren, müssten wir mindestens 1,5 Millionen Menschen testen", erklärte Rai.

Die Nationale Vereinigung der HIV-Infizierten und Aids-Kranken (NAP+N) hilft unter anderem Witwen von an Aids gestorbenen Männern dabei, ein Handwerk zu erlernen. Denn nur so können sie sich und ihre Kinder ernähren. 14 Frauen aus sieben Distrikten im Westen Nepals nehmen nun in der Hauptstadt Kathmandu an einem Lehrgang zum Herstellen traditioneller Halsketten teil.

Nepalesische Frauen erlernen die Herstellung traditioneller Ketten - Bild: Bhuwan Sharma/IPS

Nepalesische Frauen erlernen die Herstellung traditioneller Ketten Bild: Bhuwan Sharma/IPS

"Wenn die Frauen nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder Verantwortung tragen, dann bedeutet ihnen eine solche Ausbildung alles", sagte der NAP+N-Mitarbeiter Prakash Yogi. Gemeinsam mit der dänischen Botschaft in Nepal unterstützt die Organisation die Kurse, die von der Nichtregierungsorganisation Nava Kiran Plus durchgeführt werden.


Saisonarbeiter infizieren sich in indischen Bordellen

Fast alle der 14 Frauen, die die Ausbildung absolvieren, sind Witwen von Saisonarbeitern. Saisonarbeiter und ihre Ehefrauen machen 45 Prozent der auf 70.000 geschätzten HIV/Aids-Infizierten in Nepal aus. Viele junge arbeitslose Männer aus dem Westen Nepals verdingen sich vorübergehend im nahen Indien. Einige von ihnen gehen dort ins Bordell, wo sie ungeschützten Geschlechtsverkehr haben und sich mit dem Virus anstecken. Zurück zu Hause übertragen sie die Krankheit dann auf ihre Frauen.

"Gegen den Virus kämpfen wir auf zwei Fronten - durch Behandlungen und Tests", erklärte der Leiter von NAP+N, Rajiv Kafle, der der sich als erster Nepalese öffentlich als HIV-positiv geoutet hat. Die medizinische Versorgung laufe bestens. Von den 15.000 positiv Getesteten erhalten rund 3.600 antiretrovirale Medikamente (ARV), sagte er."Dies sind rund 24 Prozent - weltweit liegt die Rate der Infizierten, die mit ARV behandelt werden, bei nur zwölf Prozent."

Sowohl Kafle als auch Rai gehen allerdings davon aus, dass Nepal aufgrund der niedrigen Test-Rate die UN-Millenniumsziele (MDG) auf dem Gebiet HIV/Aids nicht erreichen wird.

Die MDGs wurden im Anschluss an den New Yorker UN-Millenniumsgipfel im Jahr 2000 formuliert. Sie sehen vor, Armut und Hunger bis zum Jahr 2015 zu halbieren, allen Kindern eine Grundschulbildung zu ermöglichen, die Rolle der Frau zu stärken, die Kindersterblichkeit zu senken und die Gesundheitsversorgung von Müttern zu verbessern. Darüber hinaus zielen sie auf die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria, die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und auf den Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens.

Gerade unter Drogenabhängigen und unter Sex-Arbeitern, aber auch unter homosexuellen Männern ist der Virus weit verbreitet. Die Menschen wollen sich allerdings meistens nicht als solche zu erkennen geben. Die Identifizierung von HIV-Infizierten wird dadurch schwierig. "Homosexuelle Männer outen sich immer häufiger öffentlich. Das liegt daran, dass der Höchste Gerichtshof in Nepal ihnen kürzlich gleiche Rechte wie heterosexuellen Männern anerkannt hat", berichtete Rai.


Regierung hält sich stark zurück

Nach Ansicht von Kafle wären Fortschritte schneller zu erzielen, wenn die Regierung die HIV/Aids-Bekämpfung systematischer vorantreiben würde. "Wenn es keine zentrale Koordinierung gibt, werden viele Dinge übersehen", bemängelt auch der Länderfortschrittsbericht 2010 der Sondersitzung der UN-Generalversammlung (UNGASS). Der Kampf gegen den Virus konzentriere sich auf einige Distrikte. In anderen Teilen des Landes werde dagegen gar nicht untenommen.

Dem Bericht zufolge hat Nepal im Jahr 2007 rund 17,5 Millionen US-Dollar für HIV/Aids-Programme ausgegeben. 91 Prozent der Gelder flossen in Programme von bi- oder multilateralen Trägern oder von internationalen oder lokalen Nichtregierungsorganisationen. Nur neun Prozent wurden für Programme von staatlichen Behörden genutzt. (Ende/IPS/jt/2010)


Links:
http://www.napn.org.np/
http://www.ncasc.gov.np/
http://data.unaids.org/pub/Report/2010/nepal_2010_country_progress_report_en.pdf
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=51890

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2010