Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


ARTIKEL/1094: Palliativ- und Hospiztag in Kiel (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2009

Palliativ- und Hospiztag in Kiel
"Der Facharzt würde nicht alle Probleme lösen"

Von Jörg Feldner


Auf dem Schleswig-Holsteinischen Hospiz- und Palliativtag wurde ein Ausbau der ambulanten Versorgung gefordert.

Das Thema Hospiz- und Palliativmedizin fand - trotz vieler weiterer wichtiger Gesundheitsthemen - in den vergangenen Wochen mehrfach Aumerksamkeit in Schleswig-Holstein. Großer Andrang herrschte etwa beim Palliativtag 2009, den die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin kombiniert mit dem 4. Schleswig-Holsteinischen Hospiz- und Palliativtag in Kiel veranstaltete. 750 Teilnehmer, darunter - was die Veranstalter am meisten freute - 150 Ärzte. In früheren Jahren waren professionelle und ehrenamtliche Pflegekräfte ziemlich unter sich geblieben.

Das Generalthema: "Wer hat das letzte Wort?" Nicht etwa bei der Sterbehilfe, um die geht es nicht. Sondern bei der "spezialisierten ambulanten Palliativversorgung" (SAPV). SAPV ist ein gesetzlich garantiertes Recht für "Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen ...", heißt es in § 37 b des SGB V. Die Verordnung durch den Vertrags- oder Krankenhausarzt umfasst "ärztliche und pflegerische Leistungen einschließlich ihrer Koordination insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle und zielt darauf ab, die Betreuung der Versicherten nach Satz 1 in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen", sagt das Gesetz weiter. Erfahrene Palliativmediziner schätzen, dass in Deutschland täglich 230 Menschen sterben, die Anspruch auf SAPV haben, diese aber nicht bekommen, weil entweder ihre Krankenkasse noch keinen entsprechenden Vertrag geschlossen hat, oder weil ihr Arzt SAPV nicht verordnet. Dazu Tagungsleiter Dr. Hermann Ewald (Leiter der Palliativstation im UK S-H, Campus Kiel): "Es gibt Kollegen, die nicht verordnen aus Angst, der Patient ginge ihnen verloren." Dieser zunächst plausibel erscheinenden Befürchtung liege jedoch ein Informationsmangel zugrunde. Das ambulante Palliativ-Care-Team verdränge weder den Hausarzt noch das Grundpflege-Team, sondern trete ergänzend hinzu.

Bei der ambulanten Palliativ-Versorgung steht Schleswig-Holstein im Bundesvergleich gut da: Zu fünf Palliativstationen (Flensburg, Neumünster, Eutin, zwei in Kiel) kommen fünf Hospize mit durchschnittlich 16 Betten (Rendsburg, Lübeck, Kiel, Geesthacht, Elmshorn). Ewalds Station betreut mit sechs Betten jährlich 120 bis 150 Patienten. Decken diese stationären Angebote den Bedarf? Ewald: "Schleswig-Holstein sollte vorrangig die ambulante Versorgung ausbauen - dann sieht man, was stationär noch gebraucht wird." Was in Deutschland noch eine Seltenheit ist, sind "Palliative Care-Konsildienste"; die sollte es "an jeder Klinik geben, auch an Häusern ohne Palliativstation", erklärten Ewald und Prof. Dr. Christof Müller-Busch (Berlin), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin unisono. Ewald: "Zur Not kann der Konsildienst auch nur aus einer Person bestehen, die einen anderen professionellen Blick auf den Patienten hat als der Arzt. Auch Ärzte haben nicht sämtliche Kompetenzen, sondern nur die medizinischen." Müller-Busch: "Solche Konsildienste haben in den USA die Sterbequalität erheblich verbessert, wohlgemerkt ohne Reduktion der Überlebenszeit."

Braucht Deutschland einen Facharzt für Palliativmedizin? Man diskutiere darüber, sagte Müller-Busch, verlange dies aber nicht: "Der Facharzt würde nicht alle Probleme lösen." Ewald, Ausbilder und Prüfer für die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein, fordert qualifiziertere Kriterien für die Zusatzbezeichnung: "In Schleswig-Holstein wird gar keine Fallzahlprüfung vorgenommen, anderswo werden 25 Fälle verlangt."

Mit dem Thema Palliativmedizin beschäftigt sich auch das zum fünften Mal veranstaltete Symposium der Ostsee-Anrainerstaaten am 10. und 11. November in Lübeck. Die internationale Tagung wird gemeinsam von der Diakonie, dem Hospiz- und Palliativverband, der Landesregierung und der Gesellschaft für Palliativmedizin veranstaltet.

*

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200911/h091104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt November 2009
62. Jahrgang, Seite 35
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2009

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang