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ARTIKEL/1194: Das Kompetenzzentrum Demenz in Norderstedt soll enttabuisieren und aufklären (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2011

Das Kompetenzzentrum Demenz soll enttabuisieren und aufklären

Von Dirk Schnack


Die Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein ist Träger des Zentrums. Die individuelle Beratung bleibt Aufgabe der regionalen Stützpunkte in den Kreisen.

"Wer Abitur hat, wird nicht dement." Diesen Satz hörte Prof. Reimer Gronemeyer vor vielen Jahren auf einer Tagung aus dem Mund eines angesehenen Mediziners. Der Vorsitzende der Aktion Demenz erzählte von der lange zurück liegenden Erfahrung auf der Eröffnungsveranstaltung zur Gründung des Kompetenzzentrums Demenz.

Gronemeyer zeigte damit, wie viel sich seitdem verändert hat: Heute wird Demenz ernst genommen, öffentlich diskutiert und immer mehr enttabuisiert. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist das Kompetenzzentrum Demenz; Träger des Zentrums ist die Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein.

"Das Thema Demenz ist in der Gesellschaft angekommen, es ist viel weniger tabu und in den Medien beinahe allgegenwärtig", lautete Gronemeyers Fazit. Dennoch hält er ein Kompetenzzentrum auch heute noch für wichtig, nicht nur wegen der zunehmenden Alterung und der damit einhergehenden steigenden Zahl von Demenzkranken. Er sieht auch zahlreiche offene Fragen zur Versorgung, die gelöst werden müssen. Denn seit dem Verschwinden von Großfamilien wird in der individualisierten Gesellschaft Demenz heute stärker sichtbar als früher, als Demenzkranke in familiären Verbünden aufgefangen wurden.

Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg äußerte zur Eröffnung des Zentrums am 14. März im Kieler Wissenschaftspark die Hoffnung, dass das Zentrum zu einer professionellen, bedarfsorientierten und menschlichen Pflege von demenzkranken Patienten beitragen wird. Ralf Labinsky, Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft, hofft, diese Erwartungen erfüllen zu können. Er sieht bislang zwar schon regional gute Grundlagen geschaffen, aber: "Es fehlt an einem systematischen Miteinander."

Ziel des Kompetenzzentrums ist es, alle landesweit koordinierenden und strukturgebenden Funktionen zu bündeln. Die bestehenden regionalen Beratungs- und Hilfsangebote sollen fachlich unterstützt, mögliche Lücken in der Versorgung Demenzkranker und ihrer Angehörigen sollen aufgedeckt und geschlossen werden. Insbesondere die Lebenssituation allein lebender Menschen mit Demenz, die Situation im ländlichen Raum und die notwendigen Vernetzungen sowie die Entlastung pflegender Angehöriger stehen dabei im Fokus. Die individuelle Beratung auf regionaler Ebene bleibt dagegen Aufgabe der Pflegestützpunkte in den Kreisen. Garg sieht eine wichtige Herausforderung für das Kompetenzzentrum darin, das Thema Demenz zu enttabuisieren und verstärkt aufzuklären.

Die Bedeutung der Altersdemenz ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen; Altersdemenz ist inzwischen eine der häufigsten Ursachen von Pflegebedürftigkeit. Derzeit gibt es nach Angaben der Initiatoren des Kompetenzzentrums in Deutschland rund 1,2 Millionen Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind. Darunter befinden sich rund 650.000 Menschen, die an einer Alzheimer-Demenz leiden. Grund für den Anstieg von Demenzen ist vor allem die Zunahme der betagten Menschen - mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Berechnungen zufolge leben in Schleswig-Holstein heute rund 40.000 an Demenz erkrankte Menschen. Im Jahr 2050 werden es rund 80.000 Menschen sein. Das Sozialministerium und der Landesverband der Pflegekassen fördern das Kompetenzzentrum Demenz über einen Zeitraum von fünf Jahren mit jeweils rund 124.000 Euro pro Jahr. Sitz des Zentrums ist in Norderstedt. Dietmar Katzer, Leiter des Ersatzkassenverbandes vdek, ließ zur Eröffnung keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Betreuung der Demenzkranken in den kommenden Jahrzehnten zusätzliche Milliardensummen erfordert. Er vermisst von der Politik ehrliche Aussagen über die damit verbundene Belastung der Bevölkerung. Ergänzende Angebote zur gesetzlichen Pflegeversicherung lehnte er ab.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2011 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2011/201104/h11044a.htm

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www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2011
64. Jahrgang, Seite 25
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2011

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