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KASSEN/608: Finanzierungslücken bereits zum Start des Gesundheitsfonds (SoVD)


SoVD-Zeitung - Sozialverband Deutschland
Nr. 1 / Januar 2009 - Ausgabe Schleswig-Holstein

Finanzierungslücken bereits zum Start des Gesundheitsfonds

Höhere Kosten für gesetzlich Versicherte


Mit dem neuen Jahr tritt der Gesundheitsfonds in Kraft. Ab dem 1. Januar 2009 gilt für alle gesetzlich Krankenversicherten ein einheitlicher Beitragssatz von 15,5 Prozent. Für viele Menschen wird ihre Gesundheitsversorgung damit teurer als bisher. Vor allem auf die ungleichmäßige Verteilung der Lasten bei der Finanzierung der Gesundheitsreform hat der SoVD wiederholt hingewiesen. Deshalb wird sich der Verband auf politischer Ebene auch weiterhin für das Modell einer Bürgerversicherung einsetzen, in die alle Versicherten entsprechend ihrer individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit einzahlen. Unabhängig davon bietet der SoVD seinen Mitgliedern Unterstützung und Orientierung: Was sich für Sie konkret mit dem Gesundheitsfonds ändert und was nicht, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der SoVD-Zeitung.


Auch nach der Einführung des Gesundheitsfonds bleibt die gesundheitliche Versorgung kranker Menschen im gleichen Rahmen wie bisher gewährleistet. Mit dem neu geschaffenen Fonds ändert sich zunächst allein die Verteilung der Gelder innerhalb des Gesundheitssystems. Das bedeutet konkret, dass mit Beginn des Jahres 2009 alle gesetzlich Versicherten den gleichen Beitragssatz bezahlen, unabhängig davon, bei welcher Krankenkasse sie versichert sind. Von dieser Regelung ausgenommen sind Mitglieder privater Krankenversicherungen. Neben den Beiträgen von Arbeitgeber- und Versichertenseite fließen auch Steuermittel in den Gesundheitsfonds. Für 2009 beträgt diese Summe vier Milliarden Euro. Dennoch zeichnet sich bereits jetzt eine Finanzierungslücke ab, die laut einer Prognose des Schätzerkreises der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rund 440 Millionen Euro beträgt. Für die Versicherten bleibt dieses Defizit im laufenden Jahr ohne direkte Folgen, da der Bund dem Gesundheitsfonds hierfür ein Darlehen bereitstellt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Kassen im Startjahr des Gesundheitsfonds ihr Geld bekommen. Bereits 2010 allerdings muss dieses Darlehen zurückgezahlt werden. Dafür müssen die Kassen und letztendlich auch die gesetzlich Versicherten geradestehen. Nach Ansicht des Spitzenverbandes der GKV liegt es an der Politik, zu entscheiden, ob dies über einen höheren Einheitsbeitrag oder über Zusatzbeiträge der Versicherten kompensiert wird. Da der einheitliche Beitragssatz laut Gesetz zumindest für die kommenden zwei Jahre konstant bleiben soll, ist zu befürchten, dass auf die zweite Möglichkeit zurückgegriffen wird.

Das wäre fatal, denn nach Ansicht des SoVD werden die gesetzlich Versicherten bereits jetzt übermäßig hoch belastet: Neben bestehenden Zuzahlungen, Kosten für rezeptfreie Medikamente oder Sehhilfen sowie einer Praxisgebühr tragen sie im Rahmen des Beitragssatzes zusätzlich einen Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent. Darüber hinaus können die Kassen von den Versicherten bei Bedarf einen Zusatzbeitrag verlangen, der bis zu einem Prozent des monatlichen Bruttoverdienstes betragen kann.

Anders als bei dem vom SoVD propagierten Modell einer Bürgerversicherung stellt dies keine gerechte Beitragserhebung im Sinne einer Solidargemeinschaft dar. Zusätzliche Kosten werden einseitig auf die Beitragszahler umgelegt, ohne etwa die Arbeitgeberseite anteilig an den Mehraufwendungen zu beteiligen. Wiederholt hat der SoVD eine ausreichende Steuerfinanzierung gefordert, die neben versicherungsfremden Leistungen auch fehlende Einnahmen der GKV ausgleicht.

Wenn mit der Einführung des Gesundheitsfonds somit vorerst auch keine Verschlechterung auf der Leistungsseite zu verzeichnen ist - besser wird es für die gesetzlich versicherten Menschen in Deutschland auch nicht. Mit der Neuverteilung der Gelder über den Fonds werden die grundsätzlichen Finanzierungsprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung zumindest nicht gelöst. Besonders ärgerlich stimmt in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Experten frühzeitig vor Finanzierungsproblemen gewarnt hatten. Sie haben leider Recht behalten: Der Auftakt zu dem politischen Projekt "Gesundheitsfonds" ist misslungen.
jb


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Fragen und Antworten zum Gesundheitsfonds

Was ändert sich konkret - was bleibt gleich?

Frage: Beteiligt sich der Arbeitgeber weiter an meinem Kassenbeitrag?

Antwort: Ja. Seit 2004 gibt es jedoch keine paritätische Lastenteilung mehr. Der Arbeitgeber zahlt weniger als die Hälfte, da die Versicherten sowohl den Sonderbeitrag (0,9 Prozent) als auch einen möglichen Zusatzbeitrag alleine tragen.

Frage: Kann meine Krankenkasse mehr Geld von mir verlangen?

Antwort: Krankenkassen dürfen einen Zusatzbeitrag erheben, wenn sie mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen (maximal ein Prozent Ihres Bruttoeinkommens).

Frage: Kann ich die Krankenkasse überhaupt noch wechseln?

Antwort: Ja. Es gilt die gesetzliche Kündigungsfrist von zwei Monaten. Sie müssen dort jedoch mindestens 18 Monate lang versichert gewesen sein. Erhebt die Kasse erstmals einen Zusatzbeitrag, haben Sie ein Sonderkündigungsrecht, die 18-monatige Bindungsfrist entfällt. Über die Möglichkeit des Wechsels muss Sie Ihre Kasse rechtzeitig informieren.

Frage: Bieten alle Kassen das Gleiche?

Antwort: Die Grundleistungen bleiben gleich. Die Kassen können aber verschiedene Zusatzleistungen anbieten. Auch Tarifminderungen durch einen Selbstbehalt sind möglich.

Frage: Sind einzelne Krankheiten von der Behandlung ausgeschlossen?

Antwort: Nein. Einzig Folgebehandlungen von "unnötigen" Eingriffen wie Piercings, Tattoos oder nicht ärztlich verordnete Schönheitsoperationen können teilweise dem Patienten auferlegt werden.

Frage: Sind Ehepartner und Kinder weiterhin mitversichert?

Antwort: Ja. Für Ihre Kinder und Ihren mitversicherten Partner müssen Sie einen möglicherweise anfallenden Zusatzbeitrag nicht zahlen.

Frage: Gilt der einheitliche Beitragssatz auch für Rentner?

Antwort: Ja. Anders als Arbeitnehmer erhalten Rentner jedoch keinen Ausgleich über die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages.

Frage: Was ändert sich für chronisch Kranke?

Antwort: Grundsätzlich nichts. Allerdings sollten sich Männer, die nach dem 1. April 1962 geboren sind, sowie Frauen, die nach dem 1. April 1987 geboren sind, über entsprechende Vorsorgeuntersuchungen informieren, damit sie ihren Anspruch auf mögliche Vergünstigungen wahren.

Frage: Was ändert sich für Kinder?

Antwort: Impfungen sowie Mutter-Vater-Kind-Kuren sind künftig eine Regelleistung der Kassen, auf die es einen Anspruch gibt.

Frage: Was ändert sich für alte Menschen?

Antwort: Ältere und Pflegebedürftige haben einen Rechtsanspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen. Für Bewohner von Pflegeheimen oder Alten-Wohngemeinschaften soll die Pflege und die Versorgung mit Hilfsmitteln verbessert werden.

Frage: Bleibt das Hausarztmodell meiner Krankenkasse bestehen?

Antwort: Ja. Entsprechende Modelle müssen künftig von allen Kassen angeboten werden.

Frage: Bleibt die Praxisgebühr?

Antwort: Ja. Auch an den Medikamenten-Zuzahlungen ändert sich nichts.

Frage: Was bedeutet der Gesundheitsfonds für ALG-II-Empfänger?

Antwort: Durch den Gesundheitsfonds ändert sich vorerst nichts.

Frage: Gilt weiterhin die Beitragsbemessungsgrenze?

Antwort: Ja. Die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2009 liegt bei 3675 Euro monatlich. Bis zu diesem Betrag wird der prozentuale Beitrag fällig. Darüber hinaus gehender Verdienst bleibt beitragsfrei.

Frage: Welche Erfahrungen gibt es im Ausland?

Antwort: In Belgien oder den Niederlanden existiert bereits seit Jahrzehnten ein Gesundheitsfonds. Erfahrungen zeigen jedoch, dass in den Niederlanden inzwischen rund 50 Prozent der Einnahmen für Krankenkassen aus Zusatzprämien der Versicherten finanziert werden müssen.


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Quelle:
SoVD-Zeitung des Sozialverband Deutschland (SoVD)
Nr. 1 / Januar 2009 - Ausgabe Schleswig-Holstein, S. 1 und 2
Herausgeber: Bundesvorstand des Sozialverband Deutschland e.V.
Stralauer Str. 63, 10179 Berlin
Tel.: 030/72 62 22-0, Fax: 030/72 62 22-145
E-Mail: redaktion@sovd.de
Internet: www.sovd.de

Die SoVD-Zeitung erscheint am 1. eines jeden Monats.
Der Bezugspreis wird im Rahmen des Verbandsbeitrages
erhoben.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2009