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POLITIK/1725: Bundestag beschließt Reform der Krankenkassen-Finanzen (BMG)


Bundesministerium für Gesundheit - Freitag, 12. November 2010

Bundestag beschließt Reform der Krankenkassen-Finanzen und stellt die Weichen für mehr Transparenz, Stabilität und Gerechtigkeit


Der Bundestag hat heute dem "Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung" (GKV-Finanzierungsgesetz) zugestimmt.

Dazu erklärt Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler: "Durch die gemeinsame Anstrengung von Beitrags- und Steuerzahlern sowie den Leistungserbringern im Gesundheitswesen wird im nächsten Jahr ein Milliarden-Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung verhindert. Die christlich-liberale Koalition sorgt zudem für ein faires und stabiles Gesundheitssystem, das auch künftigen Generationen eine verlässliche medizinische Versorgung auf hohem Niveau garantiert. Durch das Umsteuern hin zu einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen mit einem automatischen und unbürokratischen Sozialausgleich, der über Steuermittel finanziert wird, wird das System dauerhaft auf ein solides Fundament gestellt. Mit der Reform werden die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb geschaffen, der zu mehr Qualität und Effizienz führt und den Versicherten und Patienten zugute kommt."

Das GKV-Finanzierungsgesetz enthält eine ausgewogene Mischung von Maßnahmen, mit der die Ausgaben begrenzt und die Einnahmen stabilisiert werden. Die Lasten zur Deckung des drohenden Defizits werden dabei gerecht verteilt. Je 3 Milliarden Euro tragen Arbeitgeber und Versicherte über den Beitragssatz, über 3 Milliarden Euro die Leistungserbringer wie Arzneimittelhersteller, Ärzte und Krankenhäuser und die Krankenkassen über Ausgabenbegrenzungen. Flankiert wird der Reformprozess durch einen zusätzlichen Steuerzuschuss von 2 Milliarden Euro.

Wichtige Maßnahmen zur Stabilisierung und zur Sicherung der Kassen-Finanzen:

Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten und damit Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland
Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge mit dem Ziel der Stärkung der Beitragsautonomie und des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Einführung eines unbürokratischen und automatischen Sozialausgleichs aus Steuermittel
Wiederherstellung des alten Beitragsniveaus von 15,5 Prozent als Beitrag zur Verhinderung des Milliarden-Defizits

Wichtige Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung:

Pharmaindustrie, Pharmagroßhandel und Apotheken leisten ihren Beitrag über Einsparungen im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz
Die Verwaltungskosten der Krankenkassen dürfen in den nächsten beiden Jahren nicht ansteigen.
Der Zuwachs der Krankenhaus-Ausgaben wird durch Anpassung der Grundlohnrate begrenzt.
Der Ausgabenzuwachs bei der Vergütung in der vertragsärztlichen Versorgung wird ebenfalls gedrosselt.
Das Vergütungsniveau in der hausarztzentrierten Versorgung wird begrenzt. Es soll sich künftig grundsätzlich am Niveau der hausärztlichen Regelversorgung orientieren. Bestehende Verträge haben Bestandsschutz.

Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates und wird zum 1. Januar 2011 in Kraft treten.

Ausführliche Informationen finden Sie im beigefügtem Informationspapier oder unter www.bundesgesundheitsministerium.de


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Stand: 12. November 2010

Informationen zum
Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung
der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG)


Der Deutsche Bundestag hat am 12. November 2010 dem Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG) in 2./3. Lesung zugestimmt. Mit dem Gesetz löst die christlich-liberale Koalition ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ein, für ein stabiles und nachhaltiges Gesundheitssystem zu sorgen, das auch künftigen Generationen eine verlässliche Absicherung bei Krankheit auf hohem Niveau garantiert.


1. Handlungsbedarf und Ziele

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des medizinisch-technischen Fortschritts müssen heute die Weichen dafür gestellt werden, dass auch in Zukunft alle Menschen in Deutschland die notwendige medizinische Versorgung auf dem aktuellen Stand der medizinischen Entwicklung unabhängig von Einkommen, Alter, sozialer Herkunft und gesundheitlichem Risiko qualitativ hochwertig und wohnortnah erhalten. Sowohl kurzfristig als auch langfristig muss für eine gesicherte Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gesorgt werden.

Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht im Hinblick auf das ohne Reformmaßnahmen im Jahr 2011 zu erwartende Defizit von rund 9 Milliarden Euro, das beim heutigen Finanzierungssystem die Krankenkassen vor große Schwierigkeiten stellen würde.

Darüber hinaus müssen die strukturellen Probleme des heutigen Finanzierungssystems im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung behoben werden. Seit vielen Jahren wachsen die Ausgaben der GKV trotz umfassender Maßnahmen des Gesetzgebers zur Ausgabenbegrenzung deutlich dynamischer als die beitragspflichtigen Einnahmen. Wir müssen uns deshalb vom Lohnbezug der Beiträge lösen. Steigende Beitragssätze führen zudem zu steigenden Lohnkosten und gefährden damit Arbeitsplätze. Konjunkturelle Schwankungen führen zu einer Instabilität auf der Einnahmenseite der GKV. Zur Bewältigung der Probleme sollen deshalb die Arbeitgeberbeiträge festgeschrieben und die Einkommensabhängigkeit der Beiträge vermindert werden.

Eine nachhaltige Finanzierung kann nur in einem System mit einem funktionierenden Wettbewerb gelingen. Vor diesem Hintergrund wird das heutige Finanzierungssystem der GKV mit dem GKV-Finanzierungsgesetz wettbewerbsorientierter ausgestaltet, indem über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge für unverzerrte Preissignale und eine Stärkung der Beitragsautonomie der Krankenkassen gesorgt wird. Eine Stärkung von Wettbewerb und Transparenz kann zu mehr Effizienz, mehr Qualität und kreativeren Lösungen im Gesundheitswesen beitragen. Dies kommt insbesondere den Patientinnen und Patienten zu Gute.

Die Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge setzt einen funktionsfähigen Sozialausgleich voraus, der dafür sorgt, dass niemand durch seinen Beitrag zur Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes überfordert wird. Diesen Sozialausgleich führen wir mit dem GKV-Finanzierungsgesetz ein.

Die mit dem GKV-Finanzierungsgesetz vorgesehenen Reformen weisen den Weg in ein faires und stabiles Gesundheitssystem, das auch künftigen Generationen eine Gesundheitsversorgung auf dem bewährt hohen Leistungsniveau sichert.


2. Maßnahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes

Das GKV-Finanzierungsgesetz enthält eine ausgewogene Mischung von Maßnahmen, mit der die Ausgaben begrenzt und die Einnahmen stabilisiert werden. Wesentlicher Inhalt sind Regelungen in der gesetzlichen Krankenversicherung

- zur Ausgabenbegrenzung,
- zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen sowie
- zur Einführung eines gerechten Sozialausgleichs.

Durch eine gemeinsame Anstrengung von Beitrags- und Steuerzahlern, Leistungserbringern und Krankenkassen wird 2011 ein Milliarden-Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung verhindert. Die Lasten zur Deckung des drohenden Defizits werden dabei gerecht verteilt. Je 3 Milliarden Euro tragen Arbeitgeber und Versicherte über den Beitragssatz, über 3 Milliarden Euro die Leistungserbringer wie Arzneimittelhersteller, Ärzte und Krankenhäuser und die Krankenkassen über Ausgabenbegrenzungen. Flankiert wird der Reformprozess durch einen zusätzlichen Steuerzuschuss von 2 Milliarden Euro.

Durch das Umsteuern hin zu einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen wird die Finanzierungsgrundlage unabhängiger von konjunkturellen Schwankungen. Gleichzeitig werden die Arbeitskosten perspektivisch entlastet. Zudem schafft ein klares Preissignal die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb.


3. Konsolidierungsbeitrag aller Beteiligten

Krankenkassen und Leistungserbringer leisten ihren Teil zur Konsolidierung der gesetzlichen Krankenversicherung, indem Ausgabensteigerungen dort begrenzt werden, wo dies verantwortbar ist und nicht zu Leistungseinschränkungen oder Qualitätsverlusten führt. Die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehenen Ausgabenbegrenzungen sind im Zuge der Beratungen abgemildert worden, da sich die Finanzlage der GKV inzwischen aufgrund der positiven konjunkturellen Lage verbessert hat. Dies reduziert jedoch nicht das im Gesetzentwurf angegebene Einsparvolumen. Dies verändert auch nicht die Prognose des Schätzerkreises, dass die Ausgaben der GKV im nächsten Jahr in vollem Umfang gedeckt werden können und der durchschnittliche Zusatzbeitrag daher für 2011 bei Null liegen wird.

Im einzelnen sind folgende Maßnahmen zur Konsolidierung der GKV vorgesehen:

Die Verwaltungskosten der Krankenkassen dürfen in den nächsten beiden Jahren im Vergleich zum Jahr 2010 nicht ansteigen. Hiervon sind nur eng begrenzte Ausnahmen zulässig. So können die Aufsichtsbehörden in Fällen unabweisbaren personellen Mehrbedarfs durch gesetzlich neu zugewiesene Aufgaben eine Ausnahme von der Verwaltungskostenbegrenzung zulassen.

Für Leistungen, die Krankenhäuser im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr zusätzlich vereinbaren (Mehrleistungen), wird ein Abschlag festgelegt, dessen Höhe im Jahr 2011 bei 30 Prozent liegt und der ab 2012 vertraglich zu vereinbaren ist. Ausgenommen vom Mehrleistungsabschlag sind Zuwächse bei Leistungen mit einem hohen Sachkostenanteil von mehr als zwei Dritteln und bei Kapazitätserweiterungen (z. B. Ansiedlung einer neuen Fachabteilung). Auch wenn ansonsten die Finanzierung einzelner Leistungsbereiche gefährdet wäre oder Versorgungsprobleme entstehen würden (z.B. bei Transplantationen oder bei Versorgung Schwerbrandverletzter) sind Ausnahmen vom Mehrleistungsabschlag möglich.

Die Preise für akutstationäre Krankenhausleistungen und die Krankenhausbudgets von psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen dürfen im Jahr 2011 um 0,9 Prozent steigen (d.h. um die um 0,25 % verminderte Grundlohnrate), und im Jahr 2012 um die um 0,5 Prozentpunkte verminderte Grundlohnrate ansteigen.

Durch verschiedene Regelungen wird der Ausgabenzuwachs bei der Vergütung in der vertragsärztlichen Versorgung in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt begrenzt. In allen Kassenärztlichen Vereinigungen steigt das für die Honorierung der vertragsärztlichen Regelleistungen zur Verfügung stehende Finanzvolumen im Jahr 2011 durch Vorgabe einer einheitlichen linearen Zuwachsrate für die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in Höhe von jeweils 1,25 Prozent bzw. um bundesweit rund 300 Millionen Euro. Durch zusätzliche asymmetrische Honorarzuwächse im Jahr 2011, die sich nach einem bereits getroffenen Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses auf bundesweit 500 Millionen Euro belaufen, wird zugleich die Honorarreform zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen gerechter gestaltet. Kostenrisiken aus Preiserhöhungen und bestimmten Mengenzuwächsen werden ausgeschlossen. Medizinisch nicht begründbare Ausgabenentwicklungen der so genannten extrabudgetär zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen werden von den Vertragspartnern der gemeinsamen Selbstverwaltung auf regionaler Ebene - ggf. auf der Grundlage von Empfehlungen der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene - in den Jahren 2011 und 2012 Begrenzungsregelungen unterzogen. Zur Vermeidung von Versorgungseinschränkungen können Ausgabenentwicklungen auch über die vorgegebene Begrenzungsraten hinaus von den Selbstverwaltungspartnern zugelassen werden. Nichtärztliche Dialyseleistungen werden aus dieser Ausgabenbegrenzung herausgenommen.

Das Vergütungsniveau in der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) wird begrenzt. Es soll sich künftig grundsätzlich am Vergütungsniveau der hausärztlichen Versorgung im Kollektivvertragssystem orientieren. Höhere Vergütungen für Hausärzte in HzV-Verträgen sind dann möglich, wenn diese durch Effizienzsteigerungen und Einsparungen in anderen Bereichen (z.B. bei der Verordnung von Arzneimitteln) kompensiert werden. Die Verträge sind der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Diese kann die Verträge innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Für Verträge, die bis zum Kabinettsbeschluss zustande gekommen sind, gilt Bestandsschutz bis zum 30. Juni 2014.

Die Punktwerte und Gesamtvergütungen für die vertragszahnärztliche Behandlung ohne Zahnersatz dürfen entsprechend der Regelung im Krankenhausbereich im Jahr 2011 um 0,9 Prozent steigen und im Jahr 2012 um die um 0,5 Prozentpunkte verminderte Grund lohnrate ansteigen.

Diese Maßnahmen sorgen für eine schnelle Konsolidierung der GKV-Finanzen. Zusammen mit den ausgabenbegrenzenden Regelungen im Bereich der Arzneimittel- und Impfstoffversorgung, die im Rahmen des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft getreten sind, und den Maßnahmen, die im Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt werden, ergeben sich für die GKV

- im Jahr 2011 Entlastungen von geschätzt rund 3,5 Mrd. Euro und
- rund 4 Mrd. Euro in 2012.


4. Stärkung der Finanzierungsgrundlagen und des Wettbewerbs

Die 2009 vorgenommene Beitragssatzabsenkung um 0,6 Prozentpunkte im Rahmen des Konjunkturpaketes II läuft zum Jahresende 2010 aus. Sie ist angesichts der wieder angesprungenen Konjunktur nach der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise nicht mehr erforderlich. Dies stellt einen Teil des Ausstiegs aus den mit Schulden finanzierten Konjunkturprogrammen dar. Der paritätisch finanzierte Beitragssatz der Krankenkassen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird somit wieder auf 14,6 % angehoben. Der nur vom Mitglied finanzierte Beitragsanteil von 0,9 % bleibt erhalten.

Der Arbeitgeberbeitrag wird auf der Höhe von 7,3 Prozent gesetzlich festgeschrieben. Dies dient dem Ziel, die Arbeitskosten von der Entwicklung der Gesundheitskosten weitgehend zu entkoppeln. Damit werden langfristig Wachstum und Beschäftigung gefördert. Eine weitere Belastung des Faktors Arbeit mit der Folge des Abbaus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wird vermieden.

Mittel- und langfristig wird das System durch die Weiterentwicklung einkommensunabhängiger Zusatzbeiträge stabilisiert. Weitere unvermeidbare über die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung hinausgehende Ausgabensteigerungen werden zukünftig über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge der Mitglieder finanziert. Dies stärkt die Finanzautonomie und den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Gleichzeitig wird das System der GKV weniger anfällig gegenüber konjunkturellen Schwankungen.

Die Zusatzbeiträge fließen direkt an die Krankenkassen. Sie werden von den Krankenkassen individuell festgesetzt und von den jeweiligen Mitgliedern einheitlich in voller Höhe erhoben. Damit kann zusammen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds die Finanzierung gesichert werden. Ein zusätzlicher kassenübergreifender Finanzausgleich zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen für Krankenkassen, deren Mitglieder unterdurchschnittliche Einkommen haben, ist nicht erforderlich. Die Zusatzbeiträge werden zunächst gering sein und in der Folge langsam anwachsen.

Mit den Zusatzbeiträgen wird ein für alle Versicherten nachvollziehbares Preissignal in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Damit erhalten die Krankenkassen die Möglichkeit, ihre individuellen Vorteile mit festen Euro-Preisen darzustellen und damit zu werben. Ebenso erhalten die Versicherten die Möglichkeit zu vergleichen und zu entscheiden, welche Krankenkassen mit ihren jeweiligen Leistungen, Versorgungsangeboten und Preisen sie bevorzugen. Durch den entstehenden Wettbewerb werden sich die Krankenkassen um ein günstiges Preis-/Leistungsverhältnis bemühen und damit dazu beitragen, eine gute Gesundheitsversorgung bei adäquaten Preisen sicherzustellen.


5. Gerechter und unbürokratischer Sozialausgleich

Der Zusatzbeitrag wird mit einem einfachen und unbürokratischen Sozialausgleich verbunden. Übersteigt der im Voraus für das Folgejahr ermittelte durchschnittliche Zusatzbeitrag die Überforderungsgrenze von 2 Prozent der individuellen beitragspflichtigen Einnahmen eines Mitglieds, greift der Sozialausgleich. So werden die Mitglieder vor Überforderung geschützt.

Der Sozialausgleich wird grundsätzlich direkt über die Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger umgesetzt, indem der einkommensabhängige Beitragsanteil des Mitgliedes um die Überlastung durch den durchschnittlichen Zusatzbeitrag reduziert wird. Dies ist automatisiert im Rahmen der EDV-gestützten Lohnabrechnung bzw. des Rentenzahlverfahrens handhabbar. Dieser automatisierte Sozialausgleich wirkt sich bei den Mitgliedern als höheres ausgezahltes Entgelt bzw. als höhere Rentenzahlung aus. Ein aufwändiges Antragsverfahren ist dadurch nicht erforderlich.

Bezieht ein Mitglied beitragspflichtige Einnahmen aus mehreren Quellen, so findet eine Prüfung durch die zuständige Krankenkasse statt. Hierfür können bereits vorhandene Meldewege zwischen Arbeitgebern, Rentenversicherung und anderen Trägern einerseits sowie den Krankenkassen andererseits genutzt werden. Der Sozialausgleich wird dann von dem Träger ausgeführt, bei dem das Mitglied sein Haupteinkommen bezieht.

Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II zahlen den Zusatzbeitrag in Zukunft nicht mehr selbst; vielmehr wird der Zusatzbeitrag für diesen Personenkreis künftig bis zur Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrags aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gezahlt. Liegt der individuelle Zusatzbeitrag der Krankenkasse über dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag, kann in der Satzung festgelegt werden, dass das Mitglied die Differenz zahlen muss.

Der Sozialausgleich wird aus Steuermitteln über die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds ausgeglichen. Dies bedeutet den Einstieg in einen gerechteren Ausgleich, da eine Steuerfinanzierung die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt.

Für das Übergangsjahr 2011, in dem sich all Beteiligten auf die Neuregelungen in Ruhe einstellen können, werden nach der Prognose des Schätzerkreises die Einnahmen, die der Gesundheitsfonds aus den Beitragseinnahmen und den Bundeszuschüssen erhält, ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben der GKV insgesamt über Zuweisungen im nächsten Jahr in vollem Umfang zu decken. Deshalb wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag für das Jahr 2011 bei Null liegen.

In den Jahren 2012 bis 2014 - wenn es zu einem schrittweisen Aufbau von Zusatzbeiträgen kommt - wird der Sozialausgleich aus dem zusätzlichen Bundeszuschuss von 2 Mrd. Euro finanziert. Ab 2015 werden dann zusätzliche Bundesmittel zur Finanzierung des Sozialausgleichs bereit gestellt.



6. Mehr Wahl- und Entscheidungsfreiheit

Die Versicherten erhalten mehr Freiheit zu wählen und ihren Versicherungsschutz nach individuellen Bedürfnissen auszurichten.

Ein Wechsel abhängig Beschäftigter in die private Krankenversicherung ist künftig wieder möglich, wenn ihr Einkommen die Jahresarbeitsentgeltgrenze in einem Jahr - statt wie bisher in drei Jahren - überschreitet. Berufsanfänger mit einem Gehalt oberhalb dieser Grenze können direkt zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung wählen.

Bei den Regelungen zur Kostenerstattung werden bürokratische Hemmnisse abgebaut. Insbesondere wird die Bindungsfrist an das gewählte Prinzip Kostenerstattung auf ein Vierteljahr begrenzt. So ist jederzeit die Rückkehr zum Sachleistungsprinzip möglich.

Für die Wahltarife "Prämienzahlung", "Kostenerstattung", "Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen" wird die Bindungsfrist auf ein Jahr reduziert. Sie werden zudem auf eine solide Basis gestellt. Durch versicherungsmathematische Gutachten muss belegt werden, dass Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen die langfristige Finanzierbarkeit gewährleisten. Außerdem wird das Sonderkündigungsrecht im Falle der Einführung oder Anhebung des Zusatzbeitrags künftig auch bei den Wahltarifen gelten (Ausnahme: Krankengeld).


7. Weitere Regelungen

Darüber hinaus erfolgen noch folgende wesentliche Änderungen:

Die Voraussetzungen für eine flächendeckende und bedarfsgerechte ambulante Versorgung werden verbessert:
• Die Möglichkeit zur Zahlung von so genannten Sicherstellungszuschlägen an Vertragsärzte wird wieder eingeführt, um gezielt Niederlassungsanreize insbesondere in strukturschwachen Regionen zu schaffen, während die Regelung zu den Sonderpreisen bei Vorliegen von Unter- und Überversorgung zunächst für die Jahre 2011 und 2012 ausgesetzt wird.
• Die Vereinbarungen von Pauschalen zur ergänzenden Finanzierung der pädiatrischen Spezialambulanzen an Krankenhäusern werden schiedsstellenfähig und die diesbezüglichen Regelungen zur Bereinigung der Krankenhausbudgets und des Landesbasisfallwerts werden zeitlich angepasst.
• Ein von der Selbstverwaltung zu erarbeitendes gemeinsames Konzept für eine schrittweise Konvergenz der ärztlichen Vergütungen wird für die im Laufe des Jahres 2011 geplante Überprüfung und Korrektur der Honorarreform herangezogen.

Für die neuen Bundesländer und Berlin sind in den Jahren 2012 und 2013 zusätzliche Vergütungsanpassungen im Bereich der vertragszahnärztlichen Behandlung (ohne Zahnersatz) in Höhe von jeweils 2,5 v.H. (neue Bundesländer) bzw. 2,0 v.H. (Berlin) vorgesehen. Damit leitet der Gesetzgeber die Angleichung der vertragszahnärztlichen Vergütung an das Niveau in den alten Bundesländern bereits vor Abschluss der mit dem Gesetz für die Jahre 2011 und 2012 vorgesehenen Konsolidierungsphase ein. Darüber hinausgehende Anpassungsschritte bleiben den Vertragsparteien vorbehalten.

Um einen gewissen Preiswettbewerb zwischen den Krankenhäusern in den verschiedenen Ländern aufrecht zu erhalten, wird für akutstationäre Krankenhausleistungen die Etablierung einer Konvergenz zu einem einheitlichen Bundesbasisfallwert aufgehoben. Damit wird die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ablehnung bundeseinheitlicher Preise umgesetzt.

Damit schaffen die mit den bisher beschlossenen Gesetzen vorgesehenen Maßnahmen die Voraussetzungen für mehr Wettbewerb und Wahlfreiheit in einem soliden Finanzierungssystem.


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Quelle:
Bundesministerium für Gesundheit, Pressestelle
Pressemitteilung vom 12. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2010