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ARTIKEL/104: Virenabwehr, bitte kommen! (welt der frau)


welt der frau 10/2011 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Virenabwehr, bitte kommen!

Von Katrin Rupp


Sie sind winzig klein, treten millionenfach auf und bringen unser Immunsystem stark in Bedrängnis. Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien haben jetzt Hochsaison. Wir wollten wissen, was bei einem Angriff dieser Eindringlinge im Körper passiert und welche Maßnahmen die körpereigene "Polizei" zur Bekämpfung ergreift.


Ein Kribbeln in der Nase, ein erstes Kratzen im Hals sowie leichte Kopfschmerzen sind oft untrügliche Anzeichen einer sich anbahnenden Erkältung. Man fühlt sich schlapp und müde. Kein Wunder, tobt doch im Innern des Körpers bereits ein Kampf, von dem wir erst recht spät etwas mitbekommen - nämlich dann, wenn die "Feinde" allmählich die Oberhand gewinnen. Denn bereits seit einiger Zeit sind fremde, mit dem freien Auge nicht sichtbare Lebewesen in unser System eingedrungen und versuchen es zu unterwandern, indem sie sich vermehren und unsere Abwehrmechanismen systematisch austricksen.

"Die häufigsten Angriffe werden von Viren, dann von Bakterien durchgeführt, und zwar in Form einer Tröpfcheninfektion. Zwei Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle: Wie viele Erreger angreifen bzw. wie virulent sie sind und wie gut unser Immunsystem funktioniert", erklärt Univ.-Prof. Dr. Günter Weiss, Oberarzt und stellvertretender Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin I in Innsbruck, der hier den Bereich Klinische Infektiologie und Immunologie leitet. Entscheidend ist also die Anzahl und Gefährlichkeit, wobei viele harmlose Erreger den gleichen Schaden anrichten können wie wenige aggressive Eindringlinge.


Geschwächtes Immunsystem

Ein leichtes Spiel haben sie in jedem Fall, wenn das Immunsystem (siehe Kästen I-III) schlecht arbeitet, die körpereigene Abwehr nur mangelhaft funktioniert und die Anfälligkeit für Infektionen dadurch erhöht ist. Dafür kann es verschiedene Gründe geben:

Genetik:
Ist die genetische Veranlagung schlecht, etwa weil die/der Betroffene unter Antikörpermangelsymptomen leidet, treten Infekte häufig auf. Oft müssen drei bis vier Erkrankungen pro Jahr antibiotisch behandelt werden. In diesem Zusammenhang wird auch von einem Immundefekt gesprochen, wobei ein angeborener im Vergleich zu einem erworbenen Immundefekt relativ selten ist.

Ernährung:
Aktuelle Studien zeigen, dass eine falsche Ernährung die Infektanfälligkeit erhöht. Was viele nicht wissen: Sowohl überernährte (BMI über 30-35) als auch unterernährte Menschen (BMI unter 18) sind gefährdet.

Alter:
Ebenso wie unser Körper altert unser Immunsystem. Das heißt, je älter wir werden, umso anfälliger werden wir für Infekte. Anders als mit 20 oder 40 Jahren findet eine langsamere Reaktion statt, außerdem gibt es weniger Immunzellen.

Krankheiten:
Muss der Körper sich noch mit anderen Erkrankungen wie Diabetes, Arthritis oder chronischen Atemwegserkrankungen auseinandersetzen, leidet darunter die Immunität. Ebenso anfälliger sind RaucherInnen oder TumorpatientInnen.


Stiller Krieg

Was im Innern unseres Körpers bei einer Infektion passiert, ist den wenigsten Menschen bewusst. "Meistens", so Univ.-Prof. Dr. Weiss, "handelt es sich um eine Art stillen Krieg. Mehrmals täglich werden wir mit Erregern konfrontiert und merken es gar nicht, weil die körpereigene Abwehr sie laufend aus dem Weg räumt. Man kann also infiziert sein, ohne es zu wissen und ohne dass etwas passiert."

Die Viren und Bakterien suchen dabei nach geeigneten Eintrittsstellen. Klassischerweise gelingt dies am besten über die Atemwege, indem die Erreger über die Luft - etwa durch Niesen oder Husten (Tröpfcheninfektion) - zu den Bronchien gelangen und sich weiter ausbreiten. Über die Haut gelingt es dagegen selten, weil sie im Normalfall eine wichtige Barriere darstellt. Ist diese unterbrochen, zum Beispiel durch eine Schnittverletzung, fällt der Schutz weg und ein Eintritt wird möglich. Ein weiterer wirksamer Schutzmechanismus gegen Eindringlinge ist die Magensäure. Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, Erreger von Darminfektionen abzuhalten, indem sie diese abtötet.


Gefinkelte Eroberer

Doch was läuft da eigentlich bei einem Angriff genau im Körper ab? Univ.-Prof. Dr. Weiss: "Gelangt ein Virus in die Nasenschleimhaut, dockt er an eine Zelle an. Auf diese Weise gelangt seine Erbinformation in die Zelle. Durch die Zellvermehrung werden automatisch neue Erreger produziert und in der Folge stirbt die Zelle ab." Es hat folglich so etwas wie eine Eroberung stattgefunden. Was da passiert, bleibt dem Körper natürlich nicht verborgen. "Er reagiert mit Immunbotenstoffen, beispielsweise Interferonen, die eine Abwehrreaktion auslösen und mit der Eliminierung der Fremdkörper beginnen. Dazu werden Zellen des Immunsystems über die Blutbahn an jenen Ort geschickt, wo der Angriff stattfindet. Sind sie jedoch zu langsam oder gibt es bereits zu viele Viren, die sich zudem schnell vermehren, gewinnen die Angreifer und es kommt zum Ausbruch der Krankheit", fasst der Experte zusammen. Beispiele für virale Erkrankungen sind abgesehen von Schnupfen und Heiserkeit etwa Grippe, Herpes/Fieberblasen, Hepatitis, Durchfallerkrankungen (Noroviren), FSME sowie Masern, Mumps oder Röteln.

Etwas anders schaut es hingegen aus, wenn die Eindringlinge Bakterien sind. Denn bei einem Eintritt vermehren sie sich und verteilen sich selber. Dabei geben sie Toxine ab, die das Gewebe zerstören und massive Entzündungen verursachen. Das Immunsystem reagiert auch hier, indem es versucht, die körpereigene Polizei - sogenannte Fresszellen - zu aktivieren. Sie unterscheiden als Säuberungstrupp zwischen "fremd" und "eigen" und haben die Aufgabe, die Erreger zu beseitigen. Zu bakteriellen Erkrankungen zählen Lungenentzündung, Harnwegsinfekte, bakterielle Durchfallerkrankungen, Rotlauf, Borreliose sowie Eiterungen auf der Haut wie Furunkel oder Akne.

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KASTEN I
ANGRIFF VON AUßEN: DIE BÖSEN

Die zwei häufigsten Krankheitserreger, die uns krank machen und unser Immunsystem auf Trab halten:

- VIREN. Es gibt mehr als 100 verschiedene Erkältungsviren, die unseren Körper durcheinanderbringen. Genau genommen handelt es sich bei einem Virus um kein richtiges Lebewesen, sondern um infektiöse Partikel, die keinen eigenen Stoffwechsel haben und daher zur Vermehrung eine Wirtszelle benötigen. Rhinoviren (Schnupfen) treten am häufigsten auf, sind jedoch im Vergleich zu Influenzaviren eher harmlos.

- BAKTERIEN. Anders als Viren bestehen Bakterien aus einer Zelle und können sich durch Teilung selbstständig vermehren. Nicht immer dringen sie in unseren Körper ein - jeder Mensch beherbergt bereits rund 1000 verschiedene Arten von Bakterien. Viele davon leben im Darm und haben nützliche Funktionen, unterstützen etwa die Verdauung.


KASTEN II
KÖRPEREIGENE ABWEHR: DIE GUTEN

Unser Körper schaut nicht tatenlos zu, während Eindringlinge wie Viren oder Bakterien in uns ihr Unwesen treiben. Er rüstet sich zur Verteidigung. Zwei Komponenten der Abwehr:

- ANGEBORENE ABWEHR. Sie ist immer vorhanden, "arbeitet schnell, aber nicht immer effizient", erklärt Prof.in Dr.in Martha Eibl, Fachärztin für Immunologie und Leiterin der Immunologischen Tagesklinik in Wien. "Es handelt sich um besondere Zellen, bestimmte Rezeptoren und Eiweißstoffe im Blutplasma." Diese Abwehr funktioniert immer auf dieselbe Weise, beteiligt sind Granulozyten (Teil der weißen Blutkörperchen) und Killerzellen, die infizierte Zellen vernichten können.

- SPEZIFISCHE IMMUNITÄt. Fand bereits ein Kontakt mit einem Virus statt, funktioniert die Abwehr bei einem zweiten Kontakt effizienter. Prof.in Dr.in Martha Eibl: "Diese wird bei Impfungen ausgenützt, indem die spezifische Immunität angekurbelt wird. Ziel und Zweck ist es, die Zellen durch spezielle Substanzen zu einer Reaktion zu bewegen." Eine wichtige Hilfestellung leisten vor allem die Lymphozyten (kleinste weiße Blutkörperchen). Sie steuern das Immunsystem, koordinieren die Immunantwort und haben als einzige ein Erinnerungsvermögen - erkennen bekannte Erreger sofort.

KASTEN III
KOMPAKT UND VIELSCHICHTIG AUFGEBAUT:
UNSER IMMUNSYSTEM

Das Immunsystem besteht aus verschiedenen Zellsystemen, wobei jedes System eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat. Das Knochenmark beispielsweise produziert laufend neue Zellen für die Immunabwehr, geschult werden sie dagegen in der Thymusdrüse. Hier können sie sich vermehren und weiter reifen. Nur wenn alle Komponenten des Immunsystems zusammenwirken, ist ein optimaler Schutz vor Krankheitserregern möglich. Diese Systeme sind an der Immunabwehr beteiligt: Haut, Schleimhäute (Atemwege), Darm, Knochenmark, Thymusdrüse, Milz, Lymphbahnen sowie die Blutbahn.

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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Oktober 2011, Seite 48-50
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2011

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