Medizinische Universität Innsbruck - 15.02.2023
Neue Schutzfunktion von Antidiabetika nachgewiesen
SGLT2-Hemmer könnten Entstehung ernährungsbedingter Stoffwechselerkrankungen verhindern: In der Therapie von PatientInnen mit Diabetes mellitus Typ 2 werden seit einigen Jahren erfolgreich SGLT2-Hemmer eingesetzt. Auch zur Behandlung der chronischen Herz- und Niereninsuffizienz finden diese Antidiabetika breite Anwendung. Mit den neuesten Forschungsergebnissen eines Teams um die Endokrinologin und Diabetologin Susanne Kaser von der Univ.-Klinik für Innere Medizin I kann SGLT2-Hemmern nun auch eine bislang unerforschte Funktion für die Vorbeugung von Übergewicht, Fettleber oder Diabetes zugeschrieben werden.
Innsbruck, am 15.02.2023: SGLT2-Hemmer (Sodium-glucose
cotransporter) sind blutzuckersenkende Wirkstoffe aus der Gruppe der
Antidiabetika, die zu einer verstärkten Ausscheidung der Glukose über
den Harn führen und ihre Wirkung von Insulin unabhängig entfalten.
Ihre therapeutischen Effekte zur Behandlung von Diabetes Typ 2 sowie
Herz- und Niereninsuffizienz waren bekannt. Nun wiesen ForscherInnen
an der Univ.-Klinik für Innere Medizin I erstmals in Versuchen mit
Mäusen nach, dass SGLT2-Hemmer auch in der Lage sind,
ernährungsbedingte Stoffwechselstörungen zu verhindern. "In dieser
Studie konnte in einem Mausmodell für ernährungsbedingte
Stoffwechselstörungen erstmals gezeigt werden, dass der SGLT2 Hemmer
Empagliflozin die Entstehung von Insulinresistenz, Typ 2 Diabetes und
Fettlebererkrankung verhindern kann. Der Wirkstoff ist also nicht nur
in der Therapie, sondern auch in der Prävention effektiv", betont
Susanne Kaser, stellvertretende Direktorin der Univ.-Klinik für Innere
Medizin I an der Medizin Uni Innsbruck.
Um zu prüfen, wie Empagliflozin vor Gewichtszunahme und anderen Folgen ungesunder Ernährung schützt, wurde die Wirkung der Substanz an gesunden Mäusen mit einer hochkalorischen fett- und kohlehydratreichen, also typisch westlichen Diät getestet. Unbehandelt führte die Fütterung mit dieser Diät über einen Zeitraum von zehn Wochen zu Insulinresistenz, Übergewicht und Leberverfettung. "Zahlreiche Studien haben bereits die Effizienz von SGLT-2 Inhibitoren bei ernährungsbedingten Stoffwechselerkrankungen gezeigt. Das Besondere an unserer Studie ist, dass erstmalig der Frage nachgegangen wurde, ob die Gabe von Empagliflozin bei an sich gesunden Mäusen Diät bedingte Stoffwechselstörungen verhindern kann", beschreibt Erstautor Bernhard Radlinger das Studiendesign.
Schon während der zehnwöchigen Fütterung wurde der Effekt von Empagliflozin auf den Energiehaushalt der Mäuse detailliert untersucht. Danach wurden neben Effekten auf den systemischen und gewebsspezifischen Glukosestoffwechsel auch Auswirkungen auf die Körperzusammensetzung und das Lebergewebe analysiert. Mittels aufwändiger Untersuchungen erfolgte eine besonders detaillierte Bestimmung der Insulinempfindlichkeit der Mäuse. Dafür wurde von Claudia Ress aus dem Innsbrucker Team die Technik der hyperinsulinämisch-euglykämischen Clamp Untersuchung in Innsbruck erfolgreich etabliert. Dabei zeigte sich im Mausmodell, dass Empagliflozin vor der Entstehung von Diät induzierter Insulinresistenz schützt. Besonders bemerkenswert ist die Erkenntnis, dass Empagliflozin unabhängig von der Ernährungsweise, also auch bei Fütterung mit Standarddiät, positive Effekte auf die Größe und die Form der Mitochondrien - die Energiekraftwerke der Zelle - in der Skelettmuskulatur hat.
"Neben dem Schutz vor Gewichtszunahme und Insulinresistenz ist der SGLT2-Hemmer Empagliflozin laut dieser Studie also auch in der Lage, die mitochondriale Funktion, die für die zelluläre Energieversorgung notwendig ist, aufrechtzuerhalten", so Kaser. Störungen der mitochondrialen Funktion spielen nicht nur bei Insulinresistenz und Typ 2 Diabetes, sondern auch bei der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung eine wichtige Rolle.
Für die Prävention von stoffwechselbedingten Erkrankungen liefert diese Forschungsarbeit, die im Rahmen des von Susanne Kaser geleiteten und inzwischen ausgelaufenen Christian Doppler Labors für Insulinresistenz durchgeführt wurde, also weitreichende Erkenntnisse. "Neben der stets notwendigen Lebensstilanpassung könnten die Ergebnisse in Zukunft genutzt werden, frühzeitig das Risiko für die Entwicklung folgenschwerer Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes und Fettlebererkrankung bei Hochrisikopatientinnen und -patienten zu senken", schließt Susanne Kaser.
Zur Person:
Susanne Kaser ist stellvertretende Direktorin der Innsbrucker
Univ.-Klinik für Innere Medizin I und Professorin für Endokrinologie
und Diabetologie. Bis Ende 2021 fungierte sie als Präsidentin der
Österreichischen Diabetesgesellschaft. An der Medizinischen
Universität Innsbruck forscht die gebürtige Oberösterreicherin seit
vielen Jahren im Bereich der Insulinresistenz und der
Fettlebererkrankung, die eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von
Typ 2 Diabetes spielen.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1007/s00125-022-05851-x
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
https://idw-online.de/de/news809345
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Medizinische Universität Innsbruck - 15.02.2023
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. Februar 2023
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang