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HERZ/800: Meldungen zum Europäischen Kardiologiekongress 2015 in London (2) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 31. August bis 1. September 2015

Der Europäische Kardiologiekongress (ESC) 2015 in London
29. August bis 2. September 2015

→Mehr Herzinfarkte bei kaltem Wetter
→Überraschendes Studienergebnis: Einfache Vorhersage für Herzinsuffizienz-Entwicklung nach Infarkt
→Hamburger Studie: Neuer Bluttest ermöglicht raschere Herzinfarktabklärung und senkt Sterblichkeit
→Diabetiker mit Bluthochdruck: Hohe Messwerte in Arztpraxen häufig bagatellisiert und unterbehandelt
→Berliner Forscher: Kühlung als neue Therapie-Option beim akuten Herzversagen?
→Herzgefährdende Liaison: Bluthochdruck und Depression
→Neue Studie: In-vitro-Fertilisation ist neuer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten


Mehr Herzinfarkte bei kaltem Wetter

London/Winnipeg, 31. August 2015 - Kaltes Wetter korreliert mit einem höheren Risiko für schweren Herzinfarkt. Je zehn Grad Celsius Temperaturabfall steigt das Risiko für einen ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) um sieben Prozent an. Das zeigt eine neue Studie der Universität von Manitoba in Winnipeg, Kanada, die auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert wurde, wie die DGK berichtet.

Der ST-Hebungsinfarkt (STEMI), die schwerwiegendste Form des Herzinfarktes, wird meist durch einen akuten Riss in Ablagerungen ("Plaques") in einer Koronararterie und den daraus resultierenden Gefäßverschluss verursacht. Beim STEMI handelt es sich um die Form des Herzinfarktes mit der höchsten Sterblichkeit.

Studienautorin Dr. Shuangbo Liu: "Wir konnten zeigen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen den Außentemperaturen und dem STEMI-Risiko gibt. Dieses Risiko kann bis zu zwei Tage vor dem Herzinfarkt vorhergesagt werden. Wenn es dafür ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit und ausreichende Ressourcen gibt, könnten wir in Zukunft dieses vorhersehbare saisonale Herzinfarkt-Risiko besser managen."

Winnipeg, Manitoba, ist der geografische Mittelpunkt Kanadas und bekannt für seine heißen und trockenen Sommer und besonders kalten Winter. Das Studienteam wertete in einer retrospektiven Analyse die Daten über alle ST-Hebungsinfarkte der vergangenen sechs Jahre aus. Diese wurden mit Wetterdaten, insbesondere der höchsten, mittleren und niedrigsten Tagestemperatur, korreliert.

Im Beobachtungszeitraum gab es 1.817 STEMI. Die Tageshöchsttemperatur erwies sich als bester prognostischer Faktor. An Tagen mit einer Höchsttemperatur unter 0 Grad Celsius gab es 0,94 STEMI pro Tag, an Tagen mit Höchsttemperaturen über dem Nullpunkt lag die Ereignisrate bei 0,78. Die Tageshöchsttemperaturen der beiden Tage vor dem Infarkt waren ebenso von prognostischer Relevanz.

"Unsere Daten belegen den großen Einfluss von Umweltfaktoren auf das Auftreten eines ST-Hebungsinfarkts", so Dr. Liu. "Es wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein, herauszufinden, ob spezifische Behandlungsstrategien diesen Klima-Effekt beeinflussen können."

Quelle:
ESC 2015 Abstract How cold is too cold: the effect of seasonal temperature variation on risk of STEMI; S. Liu, R.A. Ducas, B. Hiebert, L. Olien, R. Philipp, J.W. Tam, St. Boniface General Hospital, Cardiology - Winnipeg - Canada

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Überraschendes Studienergebnis: Einfache Vorhersage für Herzinsuffizienz-Entwicklung nach Infarkt

London/Leuven, 31. August 2015 - Unerwartete Ergebnisse erbrachte eine neue Studie aus Leuven, die auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert wurde. Die Resultate stehen konträr zur bisherigen Meinung. Die Anpassungsmechanismen, die nach einem Herzinfarkt zur Vergrößerung der Herzkammer (Ventrikel) und im weiteren Verlauf zur Herzinsuffizienz führen, sind bei kleineren Ventrikeln und vermehrter Muskelmasse ausgeprägter als bei großen Herzkammern mit dünnen Muskelwänden.

Die Ergebnisse der DOPPLER-CIP-Studie (Determining Optimal Non-invasive Parameters for the Prediction of Left Ventricular Morphologic and Functional Remodelling in Chronic Ischemic Patients) könnten, falls durch weitere Studien bestätigt, Einschätzung und therapeutisches Vorgehen völlig verändern, sagte Studienleiter Prof. Frank Rademakers bei der Präsentation der Daten.

Die gängige Lehrauffassung ist, dass größere Ventrikel mit dünnen Muskelwänden, also typische "Infarktventrikel", im Anpassungsprozess ("Remodelling") eher zu einer Vergrößerung aufgrund der hohen Wandspannung neigen. "Unsere Ergebnisse zeigen allerdings das Gegenteil, nämlich dass kleinere Herzen mit vermehrter Wanddicke ein höheres Risiko für ungünstiges Remodelling haben", so Prof. Rademakers.

DOPPLER-CLIP verglich verschiedene nicht-invasive Verfahren zur Bestimmung der praktikabelsten Methode, das kardiale Remodelling nach zwei Jahren vorherzusagen. Dazu wurden 676 Patienten mit chronisch ischämischer Herzkrankheit untersucht. Die Standarduntersuchungen zu Beginn umfassten EKG, Belastungs- und Langzeit-EKG, maximale Sauerstoffaufnahme, die übliche Erfassung von Risikofaktoren im Blut und Lebensqualitäts- Assessments. Zusätzlich wurden zumindest zwei standardisierte bildbasierte Belastungsuntersuchungen mit Echo, MR oder Szintigrafie durchgeführt. Anschließend erhielten alle Patienten eine Leitlinien-gerechte Therapie, einschließlich Revaskularisation (PCI), partieller Revaskularisation oder medikamentöser Therapie, je nach Indikation durch den behandelnden Arzt.

Nach zwei Jahren hatten 20 Prozent der Patienten nachweisliche Hinweise für kardiales Remodelling im MR oder Ultraschall. Die sichersten Prognosefaktoren aus der Ausgangsuntersuchung waren die Ventrikelgröße (enddiastolisches Volumen, also maximale Füllung) und die Ventrikelmasse. Bei kleinem enddiastolischem Volumen von weniger als 145 Millilitern zu Studienbeginn bestand eine um 25 bis 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für Remodelling als bei größeren Ventrikeln mit signifikant niedrigerem Risiko. Das Risiko stieg ebenfalls signifikant mit zunehmender Wanddicke.

"Allein mit der Erfassung von enddiastolischem Volumen und Masse, also Messungen, die sehr einfach standardisiert bildbasiert erfolgen können, lässt sich Remodelling und damit ein Herzinsuffizienz-Risiko zuverlässig vorhersagen. Damit sind aufwändigere und teurere Test zur Risikoerfas-sung überflüssig", so Prof. Rademakers.

Quelle:
ESC 2015 Hot Line I Determining Optimal non-invasive Parameters for the Prediction of Left vEntricular morphologic and functional Remodeling in Chronic Ischemic Patients

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Hamburger Studie: Neuer Bluttest ermöglicht raschere Herzinfarktabklärung und senkt Sterblichkeit

London/Hamburg, 31. August 2015 - Ein neues diagnostisches Verfahren zur Abklärung, ob es sich bei akutem Brustschmerz um einen Herzinfarkt handelt, kann die Herzinfarkt-Sterblichkeit verringern und das Zeitfenster bis zur endgültigen Diagnose und Einleitung einer Therapie von bisher drei auf eine Stunde verkürzen. Das ist das Ergebnis der "Biomarkers in Acute Vascular Care" (BACC) Studie, die von PD Dr. Dirk Westermann (Herzzentrum Hamburg) auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert wurde.

"Bei Patienten, die sich mit Brustschmerzen und Verdacht auf einen Herzinfarkt in einer Notaufnahme präsentieren, muss möglichst rasch abgeklärt werden, ob und welche weiteren therapeutischen Maßnahmen einzuleiten sind, oder ob man sie sicher wieder nach Hause entlassen kann. Wir benötigen hier möglichst präzise, zuverlässige und einfach anzuwendende Testverfahren."

Die aktuellen Leitlinien empfehlen bei Verdacht auf Herzinfarkt, sofort bei der Aufnahme des Patienten und dann nochmals nach drei Stunden per Bluttest Troponin I zu messen. Dabei handelt es sich um einen Biomarker, der Aufschluss über Schädigungen der Herzmuskelzellen gibt. Bis zur endgültigen Diagnose müssen Patienten also in jedem Fall zumindest drei Stunden im Krankenhaus bleiben. Nach derzeitigen Standards gelten Troponin I-Werte über 27 ng/L als erhöht.

"Der neue, hochsensitive Troponin-I-Test liefert viel rascher Ergebnisse und entdeckt auch viel niedrigere Troponin-I-Werte, die aber eine wichtige Rolle für das kardiovaskuläre Risiko spielen dürften", so PD Westermann.

In die BACC-Studie wurden 1.045 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren eingeschlossen, die mit akutem Brustschmerz und Herzinfarkt-Verdacht in der Notaufnahme des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf betreut wurden. Es wurden sowohl der herkömmliche Troponin-I-Test mit dreistündiger Wartezeit als auch das neue Testverfahren durchgeführt. Auf Basis des Standardverfahrens wurde bei 184 Patienten ein Herzinfarkt diagnostiziert und eine weitere stationäre Behandlung veranlasst, die anderen wurden nach Hause entlassen. Alle Patienten wurden über sechs Monate weiter untersucht.

Beim Vergleich der Ergebnisse beider Testverfahren stellte sich heraus, dass bereits ein Grenzwert von nur 6 ng/L Troponin I bei Aufnahme gemessen zuverlässiger den Ausschluss eines Herzinfarkts zulässt als die bisher empfohlenen 27 ng/L mit Wiederholungsmessung nach drei Stunden.

Zusätzlich zur BACC Studie überprüften die Hamburger Wissenschaftler die Relevanz dieses neuen Grenzwerts auch noch anhand der Daten der BiomarCaRE Studie, einer der größten Untersuchungen, in denen in der Allgemeinbevölkerung Troponin-I-Werte erhoben wurden. Diese Daten bestätigten, dass Personen mit einem Troponin-I-Wert über 6 ng/L ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko aufweisen.

Auf Basis dieser neuen Erkenntnisse wurde der niedrigere Grenzwert nochmals auf die BACC-Studienteilnehmer angewendet. Es stellt sich heraus, dass die Sterblichkeit in dieser Gruppe niedriger gewesen wäre, wenn für die Entscheidung über Weiterbehandlung oder Entlassung die neue diagnostische Methode anstelle des bisherigen Standardverfahrens angewendet worden wäre.

"Der schneller anzuwendende Test und die niedrigeren Grenzwerte können die Sicherheit erhöhen, ob die richtigen Patienten nach Hause geschickt werden", so PD Westermann.

Zusätzlich wurde der neue Algorithmus anhand der Daten aus zwei großen Kohortenstudien (ADAPT und APACE) mit mehr als 4.000 Patienten mit akutem Brustschmerz und Herzinfarkt-Verdacht validiert.

Quelle:
ESC 2015 Hot Line Session I: Accurate and rapid diagnosis of myocardial infarction using a high sensi-tivity Troponin I 1-hour algorithm.

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Diabetiker mit Bluthochdruck: Hohe Messwerte in Arztpraxen häufig bagatellisiert und unterbehandelt

London/Bad Nauheim/Dortmund, 1. September 2015 - Das Herz-Kreislauf-Risiko von Typ-II-Diabetiker mit Bluthochdruck wird nach Blutdruckmessungen bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Internisten sehr oft unterschätzt, außerdem wird Bluthochdruck häufig unterbehandelt. In den Praxen wurde bei nur elf Prozent von 919 Untersuchungspersonen das 10 -Jahres-Risiko als sehr hoch klassifiziert. Eine nachträgliche unabhängige Analyse des 10-Jahres Risikos gemäß den geltenden Leitlinien der europäischen Fachgesellschaften ergab jedoch ein sehr hohes Risiko bei 97 Prozent der untersuchten Patienten. Das zeigt die Auswertung der Daten aus dem deutschen T2TARGET Register, in das 919 Typ-II-Diabetiker mit behandeltem arteriellem Bluthochdruck eingeschlossen wurden. Die Studie wurde auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London vorgestellt.

Obwohl in der Gesamtgruppe 784 Patienten gemäß ABDM (Ambulantes 24-Stunden Blutdruck-Monitoring)-Profil einen nicht kontrollierten Bluthochdruck aufwiesen, wurde bei nur 59 Prozent der Patienten eine Therapie-Steigerung vorgenommen, berichtet Studien-Erstautor Prof. Dr. Thomas Mengden (Bad Nauheim).

Eine leitliniengerechte Anti-Bluthochdruck-Therapie mit dem Ziel einer Blutdrucknormalisierung kann das sehr hohe kardiovaskuläre Risiko von Hypertonikern mit Typ-II-Diabetes deutlich reduzieren. Die Leitlinien der Fachgesellschaften empfehlen die Durchführung einer ambulanten 24-Stunden- Blutdruckmessung zur Therapiekontrolle. Die prognostische Aussagekraft so einer Blutdruckmessung ist der Praxis-Blutdruckmessung deutlich überlegen, da nur mit der Langzeit-Blutdruckmessung Weißkittel-Effekte, eine versteckte Hypertonie oder eine isolierte nächtliche Hypertonie ausgeschlossen bzw. diagnostiziert werden können.

Prof. Mengden: "Mittels Langzeit-Blutdruckmessung konnte unter Praxisbedingungen im Rahmen unserer Registerstudie ein hoher Prozentsatz von unkontrollierten Hypertonikern mit Typ-II-Diabetes identifiziert werden. 15 Prozent hatten eine isolierte nächtliche Hypertonie, 14 Prozent eine Praxisnormotonie ("masked treated hypertension") und acht Prozent eine Praxishypertonie - Diagnosen, die nur durch die ABDM gesichert werden können."

Die Zielbereiche für Hypertoniker mit Typ-II-Diabetes orientieren sich immer noch an der Praxis-Blutdruckmessung, die aufgrund verschiedener Limitationen eine nur eingeschränkte prognostische Bedeutung hat, so Prof. Mengden: "Es gibt bislang noch keine Empfehlungen welchem ABDM-Wert der Zielwert <140/85 mmHg Praxisblutdruck entspricht. Aus diesem Grunde werden wir in dem T2TARGET Register für die Praxisblutdruckwerte entsprechende Äquivalenzwerte für die Langzeit-Blutdruckmessung berechnen. Dies sollte es den hypertensiologisch tätigen Ärzten ermöglichen, ihre therapeutischen Ziele auch mittels Langzeit-Blutdruckmessung zu überprüfen. Des Weiteren schließt sich an die aktuelle Studie eine Langzeitbeobachtung unseres Registers an, um das errechnete kardiovaskuläre Risiko mit den tatsächlichen Ereignisraten zu vergleichen."

Quelle: ESC 2015 Abstract Classification of blood pressure by office and ambulatory readings in hypertensive type 2 diabetic patients- results of the German T2Target registry in primary care; T. Mengden, U. Ligges, P. Bramlage, W. Sehnert

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Berliner Forscher: Kühlung als neue Therapie-Option beim akuten Herzversagen?

London/Berlin/Graz, 1. September 2015 - Bei Fieber (40,5°C) hat der Körper einen doppelt so hohen Energiebedarf wie bei einer Kühlung (33°C). Die Kühlung von Patienten mit akutem Herzversagen bedeutet also für das Herz eine Entlastung, weil der Stoffwechsel durch die Kühlung weniger Herzleistung benötigt. Das ist ein Ergebnis einer experimentellen Studie, an der die Charité Berlin und die Medizinische Universität Graz beteiligt waren, und die auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London vorgestellt wurde. "Wir konnten auch zeigen, dass Fieber die Herzkraft schwächt und umgekehrt eine Abkühlung die Herzkraft erhöht. Dieser Effekt erreicht ein Ausmaß, das ansonsten nur mit starken Medikamenten, den Katecholaminen, erzielt wird, die allerdings das Herz schon auf kurze Sicht schädigen können", so Studienleiter PD Dr. Heiner Post. Ob sich damit das Überleben beim akuten Herzversagen verbessern lässt, sei Gegenstand aktueller klinischer Studien.

Die Wissenschaftler verfolgen in ihrer Studie die Hypothese, dass die Abkühlung des Körpers auch bei einem akuten Herzversagen, etwa bei einem schweren Herzinfarkt, eingesetzt werden kann.

Stoffwechselprozesse sind temperaturabhängig. Bei einem Infekt entwickeln Menschen Fieber zur Steigerung der Immunabwehr und verbrauchen dafür zusätzliche etwa 1000 kcal pro Grad pro Tag. Umgekehrt verfallen einige Tiere bei knappem Nahrungsangebot zum Jahresende in eine Winterruhe oder einen Winterschlaf mit Abfall der Körpertemperatur um mehrere Grad, dabei ist der Energiebedarf des Körpers pro Grad Celsius um sechs bis sieben Prozent reduziert. Eine Abkühlung wirkt, im Gegensatz zum entzündungsfördernden Fieber, einer Entzündung entgegen. PD Post: "In der Intensivmedizin macht man sich das seit mehreren Jahren bei wiederbelebten Patienten zu Nutze, indem diese Patienten abgekühlt werden und so auch eine Hirnschädigung begrenzt werden kann."

Quelle: ESC 2015 Abstract Effects of hyperthermia and mild hypothermia on myocardial function in pigs: comparison to dobutamine; A. Alogna, M. Manninger-Wuenscher, M. Schwarzl, B. Zirngast, J. Verderber, D. Zweiker, P. Steendijk, H. Maechler, B. Pieske, H. Post

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Herzgefährdende Liaison: Bluthochdruck und Depression

London/Berlin, 1. September 2015 - Herz-, Diabetes- oder Schlaganfall-Patienten, die depressive Symptome und einen sehr hohen Blutdruck aufweisen, haben ein besonders hohes Herz-Kreislauf-Risiko. Das belegt eine neue schottische Studie, die auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert wurde, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

Die Studie mit mehr als 35.000 Patienten zeigte, dass das Risiko, innerhalb von vier Jahren eine Herzschwäche zu entwickeln, einen weiteren Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden, oder an einer kardiovaskulären Erkrankung zu versterben, bei Patienten mit Depression und hohem Blutdruck um 83 Prozent höher und bei solchen mit Depression und niedrigem Blutdruck um 36 Prozent höher war als bei jenen, die normale Blutdruckwerte und keine depressiven Symptome aufwiesen.

"Vorangegangene Studien hatten gezeigt, dass vorbelastete Patienten mit Herzerkrankung, Diabetes oder Schlaganfall ein höheres kardiovaskuläres Risiko als die Durchschnittsbevölkerung haben, insbesondere wenn sie auch an sehr hohem Blutdruck oder Depressionen litten. Der kumulative Effekt beider Faktoren wurde bisher nicht erforscht", so Studienautor Dr. Bhautesh Jani von der Universität Glasgow. "Unsere Untersuchung ist die erste Studie, die diesen Zusammenhängen detaillierter auf den Grund geht."

Die Studie umfasste die Daten von 35.537 in Schottland lebenden Patienten mit koronarer Herzerkrankung, Diabetes oder Schlaganfall. Das Vorliegen einer Depression wurde mittels des "hospital anxiety and depression score" (HADS-D) erhoben. Der gemessene systolische und diastolische Blutdruck wurde in mehrere Kategorien klassifiziert: sehr hoch (<160/<100), hoch (140-159/90-99), normal (130-139/80-89), gut kontrolliert (120-129/80-84) oder niedrig (<120/<80). Darüber hinaus wurden über einen Zeitraum von vier Jahren kardiovaskuläre Ereignisse erhoben, nämlich ein weiterer Schlaganfall oder Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Tod aufgrund von kardiovaskulären Ursachen.

Im Beobachtungszeitraum kam es bei 3.939 Patienten (11 Prozent) zu mindestens einem kardiovaskulären Ereignis. Das Vorliegen einer Depression erwies sich als signifikanter Prognosefaktor, so Dr. Jani: "Die Zusammenhänge zwischen Depression und hohem Blutdruck sind Gegenstand aktueller Forschung, es gibt unterschiedliche physiologische Theorien, die noch untersucht werden müssen."

Eine engmaschige Blutdruckkontrolle und adäquate Behandlung von kardiovaskulären Patienten mit Depression könnte die gesundheitlichen Perspektiven in dieser Patientengruppe deutlich verbessern, so Dr. Jani. "Gezieltes Depressions-Screening in dieser Zielgruppe könnte zielführend sein. Bisher haben wir allerdings keine Belege dafür, dass eine Behandlung der Depression den kardiovaskulären Outcome verbessert, hier sind weitere Studien notwendig. Außerdem fehlt uns noch Klarheit, wie genau Depression und Bluthochdruck interagieren."

Quelle: ESC 2015 Blood Pressure control, presence of depressive symptoms and clinical outcomes at 4 years in patients with cardiometabolic disease; B. Jani, S. Barry, J. Cavanagh, G. Der, N. Sattar, F. Mair

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Neue Studie: In-vitro-Fertilisation ist neuer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten

London/Bern/Berlin, 1. September 2015 - Neuere Studien liefern Hinweise darauf, dass In-vitro-Fertilisation ein neuer wichtiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen sein könnte. Das berichtete Dr. Emrush Rexhaj (Inselspital Bern) auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London.

Eine kürzlich publizierte Studie über "Retortenbabies" zeigte eine ausgeprägte generalisierte Funktionsstörung der Gefäße und eine deutlich erhöhte Gefäßwanddicke (Intima-Media Dicke, IMT) der Halsschlagader im Vergleich zu Kontrollkindern. Im Gegensatz dazu war die Gefäß-Funktion zum Beispiel der Eltern dieser IVF-Kinder und bei natürlich gezeugten Geschwistern der IVF-Kinder normal. Dr. Rexhaj: "Das erlaubt den Schluss, dass IVF per se die Funktionsstörung der Gefäße verursacht." Die Funktionsstörung der Gefäße zusammen mit der erhöhten IMT entsprach bereits dem ersten Stadium einer vorzeitigen Arteriosklerose.

Als erste Folge der arteriellen Funktionsstörung der Gefäße manifestiert sich bei IVF-Kindern bereits in jungen Jahren ein erhöhter Blutdruck im Vergleich zu Kontrollgruppen, sagt Dr. Rexhaj: "In unserer 5-Jahre Folge-Studie bestand bei IVF-Kindern die Funktionsstörung der Gefäße weiter, und 24h-Blutdruckmessungen zeigten signifikant erhöhte systolische und diastolische Blutdruckwerte. Diese Daten sprechen für eine wahrscheinliche Zunahme der Häufigkeit von arteriellem Bluthochdruck in der IVF-Population bereits in jungen Jahren."

Zusammengefasst zeigen die vorliegenden Daten, dass beim Menschen und im Tiermodell IVF per se zu vorzeitiger Gefäßalterung und arteriellem Bluthochdruck führt. Im Mausmodell ist ein sogenannter epigenetischer Mechanismus für diese Veränderungen verantwortlich, erklärt Dr. Rexhaj. Epigenetik befasst sich mit der Vererbung von nicht genetisch festgelegten Eigenschaften. Männliche IVF-Mäuse vererben zum Beispiel die Funktionsstörung der Gefäße an die nächste Generation. Ein Zusammenhang zwischen schädlichen Einflüssen während der Foetalzeit und einer erhöhten Häufigkeit von kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen im späteren Leben konnte bereits vielfach gezeigt werden, so Dr. Rexhaj. IVF umfasst die Manipulation des frühen Embryos in einer möglicher Weise besonders empfindlichen Phase: "Ein ähnlicher Mechanismus wird bei IVF-Kindern angenommen."

"Die IVF-Population ist noch sehr jung, vorzeitige kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität tritt normalerweise ab dem fünften Lebensjahrzehnt auf. Es werden deshalb weitere 20 bis 30 Jahre vergehen, ehe sich genaue Zahlen zu den IVF-induzierten kardiovaskulären Endpunkten herauskristallisieren werden", so Dr. Rexhaj. "Das bedeutet, dass die pränatale Anamnese integraler Bestandteil jeder Anamnese sein und bei der Implementation von kardiovaskulärer Prävention und/oder der Behandlung kardiovaskulärer Krankheiten Berücksichtigung finden sollte."

Die weltweite Infertilitäts-Häufigkeit wird konstant auf etwa neun Prozent geschätzt. Bereits heute werden in westlichen Ländern zwei bis fünf Prozent aller Geburten mit Hilfe von IVF ermöglicht. "Diese neuen Daten machen deutlich, dass sich hier mittelfristig wohl ein Faktor entwickelt, der künftig einen relevanten Einfluss auf die Herz-Kreislaufmorbidität haben wird und daher in der Versorgungsplanung berücksichtigt werden sollte", so der Pressesprecher der DGK Prof. Eckart Fleck (Berlin).

Quelle: ESC 2015 Abstract Assisted reproductive technologies-induced premature vascular ageing persists and evolves into arterial hypertension in adolescents; E. Rexhaj, R. Von Arx, D. Cerny, R. Soria, E. Bouillet, C. Sartori, U. Scherrer, SF. Rimoldi

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 9.000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter
www.dgk.org


Weitere Informationen finden Sie unter
http://dgk.org/presse
http://dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 31.08.-01.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2015

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