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KREBS/1013: Methadon in der Krebsforschung - Gegenseitige Wirkverstärkung kann Leben retten (idw)


Universitätsklinikum Ulm - 10.06.2013

Gegenseitige Wirkverstärkung kann Leben retten

Methadon in der Krebsforschung: Dr. Claudia Friesen und ihrem Team gelingt weiterer Durchbruch



"Um Erfolg zu haben, musst du eine ungeheure Ausdauer besitzen." Diese Worte aus Indien lassen sich besonders gut Forscherinnen und Forschern zuschreiben, die gar nicht selten einen beträchtlichen Teil ihres Berufslebens wenigen, aber dafür hochkomplexen wissenschaftlichen Fragestellungen widmen. So wird Ausdauer zu einer Tugend, die hilft, beispielsweise Krebserkrankungen und deren Mechanismen besser zu verstehen und somit im Ergebnis auch Leben zu retten. Eine dieser Forscherinnen ist Dr. Claudia Friesen, Leiterin des Molekularbiologischen Forschungslabors am Institut für Rechtsmedizin und am Zentrum für Biomedizinische Forschung der Ulmer Universitätsmedizin. Seit mittlerweile sechs Jahren widmet sie sich der Frage, warum und wie das so genannte D,L-Methadon, ein Opioid, gegen Leukämiezellen aber auch bestimmte solide Krebstumoren wirkt. Bereits 2009 erhielt sie dafür von der Deutschen Krebshilfe eine Projektförderung über 300.000 Euro. Nun ist Dr. Friesen zusammen mit ihrem Team ein weiterer Durchbruch gelungen, der eine deutliche Therapieverbesserung bei Krebserkrankungen verspricht.

"Wir konnten nun anhand menschlicher Zellen außerhalb des Körpers aber auch im Tierversuch nachweisen, was mit bzw. in einer Krebszelle passiert, wenn eine konventionelle Chemotherapie mit der Gabe von D,L-Methadon kombiniert wird", so Dr. Friesen, die bei dieser Behandlungsstrategie von einer sehr effektiven gegenseitigen Wirkverstärkung spricht: "Zunächst aktiviert Methadon die auf der Oberfläche gelegenen Opioidrezeptoren von Krebszellen. Das führt zu einer generell besseren Aufnahme des konventionellen Krebsmedikaments in der Krebszelle. Zudem konnten wir eine Reduzierung des Herauspumpens des Chemotherapeutikums aus der Krebszelle beobachten. Das Medikament kann im Ergebnis also länger und in höherer Konzentration in der Krebszelle wirken."

Die gegenseitige Wirkverstärkung beruhe nun darauf, dass überraschenderweise die Chemotherapie die Anzahl der Opioidrezeptoren erhöhe. Dadurch könne mehr Methadon auf der Oberfläche der Krebszelle binden. "Es handelt sich um das bekannte Schlüssel-Schloss-Prinzip", erläutert die Ulmer Forscherin, die eng mit dem Universitätsklinikum Essen, der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin kooperiert. Für medizinische Laien gut verständlich präzisiert Dr. Friesen: "Je höher die Anzahl der zueinander passenden Schlüssel und Schlösser ist, umso mehr Türen lassen sich auch öffnen. Dieses Prinzip führt letztlich zum Tod der Krebszelle."

Umgekehrt habe sich gezeigt, dass bei Gabe eines Arzneistoffes, der als Opioid-Antagonist wirkt, das Schlüssel-Schloss-Prinzip nicht mehr greift. "Ein Gegenspieler des D,L-Methadon wirkt, um im Bild zu bleiben, wie Kaugummi - er verklebt das Schloss, die Tür lässt sich mit dem Schlüssel nicht mehr öffnen."

Warum werden eigentlich gesunde Zellen nicht geschädigt? "Diese Zellen haben so wenig Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, dass die Signalkaskade des programmierten Zelltodes gar nicht erst ausgelöst wird", so Dr. Friesen. Natürlich verstehe man trotzdem noch längst nicht alles. So gebe es beispielsweise noch keine Antwort auf die Frage, warum die gegenseitige Wirkverstärkung nicht mit Morphin funktioniert, das ebenfalls ein Opioid ist und in der Medizin als eines der stärksten natürlichen Schmerzmittel bekannt ist. "Die Zukunft bleibt spannend", bilanziert die Forscherin. "Es lässt aber schon jetzt ohne Weiteres sagen, dass die Kombination aus D,L-Methadon und konventioneller Therapie den Behandlungserfolg deutlich verbessern kann, auch wenn der Krebspatient auf eine ausschließlich konventionelle Therapie schon nicht mehr angesprochen hat."


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Porträt Dr. Claudia Friesen

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Ulm, Jörg Portius, 10.06.2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2013