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KREBS/1094: Krebspatienten - Forscherteam ermöglicht Einblicke in Behandlung während der letzten Lebensmonate (idw)


Universität Hamburg - 20.01.2016

Krebspatienten: Forscherteam ermöglicht Einblicke in Behandlung während der letzten Lebensmonate


Ob Krebspatienten im Krankenhaus oder zu Hause versterben, welche Behandlungen in den letzten Lebensmonaten durchgeführt und welche Kosten dadurch verursacht werden, hängt von strukturellen und kulturellen Besonderheiten in einem Land ab. Dies zeigt eine internationale Studie unter Beteiligung des Hamburg Center for Health Economics (HCHE), die die Inanspruchnahme und Kosten von Gesundheitsleistungen in den letzten Lebensmonaten in sieben Ländern untersucht hat.

Obwohl die Hospitalisierungsrate zum Lebensende in Deutschland im internationalen Vergleich eher gering ist, verbringt immer noch ein großer Anteil der Patienten ihren letzten Lebenstag im Krankenhaus. Bezüglich Ressourceneinsatz und Kosten liegt Deutschland im Mittelfeld.

Deutschland zählt mit Belgien, England, Kanada und Norwegen zu den Ländern, in denen ein Großteil der Patienten im Krankenhaus verstirbt - im Gegensatz zu den Niederlanden und den USA. Die USA verzeichnet mit nur 22 Prozent die geringste Sterberate in Krankenhäusern. "Ein Grund dafür sind die Krankenhausvergütungssätze in Amerika, die wesentlich höher sind als in allen anderen Ländern", so Prof. Dr. Rudolf Blankart, der sich gerade auf einem Forschungsaufenthalt in den USA befindet. "Der Kostendruck in den USA bedingte den erheblichen Ausbau von Pflegeeinrichtungen und Hospizen in den letzten Jahrzehnten und somit konnte die Sterberate in Krankenhäusern kontinuierlich gesenkt werden". Diese Entwicklung ist aber durchaus im Sinne der Patienten: "Immer wieder konnte in Studien gezeigt werden, dass Patienten eher in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld und nicht im Krankenhaus versterben möchten", so der HCHE-Forscher weiter.

Belgien, England, Kanada und Norwegen liegen an der Spitze der Krankenhauseinweisungen. In diesen Ländern wurden mehr als 80 Prozent der Krebspatienten in den letzten sechs Lebensmonaten ins Krankenhaus eingewiesen. In Belgien und Kanada verstirbt dort auch mehr als jeder zweite Krebspatient. In Deutschland werden nur rund 70 Prozent der Krebspatienten innerhalb der letzten sechs Monate im Krankenhaus aufgenommen, wobei nur circa 38 Prozent dort auch ihren letzten Lebenstag verbringen.

Obwohl in den USA die wenigsten Patienten im Krankenhaus versterben, der Anteil Krankenhauseinweisungen nur im Mittelfeld und die Aufenthaltsdauer bei rund der Hälfte im Vergleich zu den anderen Ländern liegt, gehören die USA mit Kanada und Norwegen zu den Ländern mit den höchsten Krankenhauskosten in den letzten sechs Lebensmonaten. Die hohen Krankenhauskosten der USA resultieren unter anderem aus der hohen Behandlungsintensität. Während in den USA über 40 Prozent der aufgenommenen Patienten auf der Intensivstation behandelt werden, ist der Anteil in Deutschland mit rund acht Prozent bedeutend geringer. In den USA erfolgt die Behandlung in der Intensivstation aber nicht nur doppelt so häufig, sondern auch mit 3,6 Tagen mehr als doppelt so lang wie in allen anderen untersuchten Ländern.

Auch bezüglich des Einsatzes von Chemotherapie liegen die USA weit vorne. Während in den Niederlanden nur 18 Prozent eine Chemotherapie während der letzten 180 Tagen vor dem Tod erhalten, sind es in den USA fast 39 Prozent. Deutschland liegt mit 28 Prozent im internationalen Mittelfeld. "Der Einsatz einer Chemotherapie während der letzten Lebensmonate muss sorgsam abgewogen werden, da auch die neuen chemotherapeutischen Wirkstoffe oft mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen", gibt Rudolf Blankart zu bedenken.

Insgesamt haben die beteiligten Forscher fast 400.000 Patienten in Amerika, Belgien, England, Kanada, den Niederlanden, Norwegen und Deutschland untersucht. "Eine Studie derartiger Größenordnung ist immer eine Herausforderung, da vergleichbare Daten in hoher Qualität in allen Ländern vorliegen müssen", so Prof. Dr. Rudolf Blankart, der diese Arbeit im Rahmen des Harkness/B. Braun Stiftung Fellowship in Health Care Policy and Practice an der Brown University in den USA maßgeblich vorangetrieben hat. Für Deutschland wurden dabei anonymisierte Daten von der BARMER GEK ausgewertet.


Originalquelle:
Bekelman JE, SD Halpern, CR Blankart, JP Bynum, J Cohen, R Fowler, S Kaasa, L Kwietniewski, HO Melberg, B Onwuteaka-Philipsen, M Oosterveld-Vlug, A Pring, J Schreyögg, CM Ulrich, J Verne, H Wunsch and EJ Emanuel:
Comparison of Site of Death, Heath Care Utilization, and Hospital Expenditures for Patients Dying with Cancer in Seven Developed Countries. JAMA. 2016; 315(3):1-12

• Über das HCHE
Das Hamburg Center for Health Economics ist ein gemeinsames Forschungszentrum der Universität Hamburg und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). 2010 gegründet, gehört das HCHE heute bereits zu den größten gesundheitsökonomischen Zentren in Europa. Mehr als 50 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Ökonomie und Medizin arbeiten gemeinsam an Lösungen aktueller und künftiger Fragestellungen der Gesundheitsversorgung. Als eines von vier gesundheitsökonomischen Zentren in Deutschland erhält das HCHE eine Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für den weiteren Ausbau.

Für Rückfragen:
Hamburg Center for Health Economics
Universität Hamburg
Andrea Bükow
E-Mail: andrea.buekow@wiso.uni-hamburg.de
Prof. Dr. Rudolf Blankart
E-Mail: rudolf.blankart@uni-hamburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution109

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Hamburg, Birgit Kruse, 20.01.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2016

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