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SCHLAGANFALL/288: AFNET Register - Beurteilung des Schlaganfallrisikos bei Patienten mit Vorhofflimmern (idw)


Kompetenznetz Vorhofflimmern - 03.09.2013

Vorhofflimmern: AFNET Register-Ergebnisse helfen das Schlaganfallrisiko besser zu beurteilen



Im Rahmen des deutschlandweiten AFNET Registers traten in der Nachbeobachtung der Patienten mit Vorhofflimmern rund 400 Schlaganfälle auf. Bei diesen Schlaganfallpatienten wurde die Bewertung des Schlaganfallrisikos anhand der Risiko-Scores CHADS2 und CHA2DS2-VASc überprüft. Die Studie des Kompetenznetzes Vorhofflimmern (AFNET) wurde von Prof. Michael Näbauer, München, beim Europäischen Kardiologenkongress in Amsterdam vorgestellt.

Eine zuverlässige Bewertung des Schlaganfallrisikos eines Patienten ist Voraussetzung für die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Antikoagulation zur Verhinderung von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern. Insbesondere soll vermieden werden, dass Patienten mit einem niedrigen Schlaganfallrisiko eine Antikoagulation erhalten, die mit Kosten, Aufwand und Blutungsrisiko verbunden ist. Nach dem früher verwendeten CHADS2 Risiko-Score wurde mehr als ein Drittel der Schlaganfallpatienten aus dem AFNET Register als Patienten mit niedrigem oder moderatem Schlaganfallrisiko eingestuft, für die eine antithrombotische Behandlung nicht unbedingt empfohlen war. Dennoch ereigneten sich mehr als ein Drittel (36%) aller beobachteten Schlaganfälle in dieser Subgruppe. Dagegen identifiziert der in den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie empfohlene CHA2DS2-VASc Score Patienten mit niedrigem Schlaganfallrisiko zuverlässig.

Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Vorhofflimmerpatienten haben ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, die häufig schwere Behinderungen hinterlassen. Durch eine antithrombotische Therapie mit oralen Antikoagulanzien lassen sich Schlaganfälle sehr effektiv verhindern. Für einen großen Teil der Patienten mit Vorhofflimmern werden daher gerinnungshemmende Medikamente empfohlen. Allerdings bringen diese ein Blutungsrisiko mit sich. "Es ist wichtig, die Patienten mit niedrigem Schlaganfallrisiko, die keine Antikoagulation brauchen, zuverlässig zu identifizieren, um den Nutzen der Antikoagulation zu maximieren, aber die damit verbundenen Kosten, Aufwand und Blutungsrisiko zu minimieren.", erklärt Prof. Näbauer.

Um das Schlaganfallrisiko von Patienten mit Vorhofflimmern abzuschätzen, werden Scores angewandt, mit denen die Schlaganfallrisikofaktoren Bluthochdruck (1 Punkt), Alter über 75 Jahre (1 Punkt), Herzinsuffizienz (1 Punkt), Zuckerkrankheit (1 Punkt) und vorangegangene Schlaganfälle (2 Punkte) erfasst werden. In der aktuellen Studie haben Prof. Näbauer und Kollegen untersucht, in wie weit dieser Risiko-Score geeignet ist, Patienten mit sehr niedrigem Schlaganfallrisiko zu identifizieren, die von einer oralen Antikoagulation nicht profitieren würden. Die Analyse basiert auf dem prospektiven Register des Kompetenznetzes Vorhofflimmern, das von 2004 bis 2006 insgesamt 9575 Patienten mit Vorhofflimmern eingeschlossen und im Mittel über 5,1 Jahre nachbeobachtet hat. Schlaganfälle und andere Komplikationen wurden von einem Critical Event Committee beurteilt.

Bei Einschluss in das Register wurden die Patienten nach dem damals üblichen CHADS2 Score klassifiziert: 16,2 Prozent mit einem Score von 0 und 31,5 Prozent mit einem Score von 1. Demnach gehören insgesamt 47,7 Prozent der Patienten den CHADS2 Risikoklassen 0 und 1 an, für die eine orale Antikoagulation nicht klar empfohlen ist. Erstaunlicherweise traten aber 36 Prozent (145 von 405) der Schlaganfälle oder anderen thromboembolischen Komplikationen im Beobachtungszeitraum in dieser Patientengruppe auf (45 Fälle mit CHADS2=0 und 100 Fälle mit CHADS2=1). Prof. Näbauer folgert daraus: "Diese Erkenntnis legt nahe, dass die CHADS2 Risikoklassen 0 und 1 Patientengruppen mit signifikantem Schlaganfallrisiko enthalten, die durch eine verfeinerte Schlaganfallrisikoabschätzung identifiziert werden müssen."

Um die Risikoabschätzung bei Niedrigrisikopatienten zu verbessern, wurde in den Behandlungsleitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) 2010 der CHA2DS2-VASc Score eingeführt, der Gefäßerkrankungen (1 Punkt), das Alter früher und gewichtiger (65 bis 74 Jahre 1 Punkt, ab 75 Jahren 2 Punkte) sowie das weibliche Geschlecht als zusätzliche Schlaganfallrisikofaktoren berücksichtigt. Wendet man den CHA2DS2-VASc Score auf die Patienten im AFNET-Register an, so erlaubt dies die Identifikation der Patienten mit sehr niedrigem Schlaganfallrisiko: "In dieser Gruppe sind während des Beobachtungszeitraumes von 5,1 Jahren nur 8 Schlaganfälle oder andere thromboembolische Ereignisse aufgetreten. Dieses Ergebnis bestätigt, dass die Risikobewertung nach CHA2DS2-VASc geeignet ist, bei Vorhofflimmern ein Patientenkollektiv mit sehr niedrigem Schlaganfallrisiko zu identifizieren, die von einer oralen Antikoagulation zur Schlaganfallprävention nicht profitieren würden.", erläutert Prof. Näbauer.

Er fasst zusammen: "Ein CHADS2 Score von 0 oder 1 scheint nicht ausreichend, um Vorhofflimmerpatienten mit niedrigem Schlaganfallrisiko zu identifizieren, während CHA2DS2-VASc genau diese Patienten ausfindig macht. Das Schlaganfallrisiko der Patienten mit einem CHA2DS2-VASc Score von 0 war sehr gering. Unsere Daten stützen die aktuelle Empfehlung, dass eine orale Antikoagulation bei Patienten mit einem CHA2DS2-VASc Score von 0 nicht sinnvoll ist."


Das Kompetenznetz Vorhofflimmern
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET) ist ein interdisziplinäres bundesweites Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler und Ärzte aus Kliniken und Praxen zusammenarbeiten. Ziel der Forschungsprojekte, klinischen Studien und Register, die im Kompetenznetz Vorhofflimmern durchgeführt werden, ist es, die Behandlung und Versorgung von Vorhofflimmerpatienten zu verbessern. Das Netzwerk besteht seit 2003 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Netzwerkzentrale befindet sich am Universitätsklinikum Münster.


Kontakt
Prof. Dr. Michael Näbauer
Universitätsklinikum Großhadern, München
michael.nabauer@med.uni-muenchen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news549639

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution892

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Kompetenznetz Vorhofflimmern, Dr. Angelika Leute, 03.09.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2013