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SCHLAGANFALL/383: Neue Erkenntnisse zu Akutversorgung und Prävention (idw)


Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. - 23.09.2016

Schlaganfall: neue Erkenntnisse zu Akutversorgung und Prävention


Seit Anfang 2015 wird die Thrombektomie als Revolution in der Therapie von schweren ischämischen Schlaganfällen zu Recht gefeiert. Seitdem wurden große Anstrengungen von Neuroradiologie und Neurologie unternommen, das Konzept in der Fläche einzuführen, um möglichst viele Patienten damit zu versorgen. 2016 konnte die klinische Forschung zwar keinen neuen Lazarus-Effekt hervorbringen, aber viele interessante neue Studien haben das Wissen über Prävention und Akuttherapie des Schlaganfalls weiter komplettiert.

"Wir sehen, dass mehr Patienten für eine systemische Thrombolyse infrage kommen, als wir bisher dachten", sagt Professor Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. "Außerdem bestätigt sich erneut, dass man die Kontrolle der Risikofaktoren gar nicht wichtig genug nehmen kann." Die Neuerungen im Einzelnen.

Prävention

Große internationale epidemiologische Studien wie die INTERSTROKE-Studie zeigen, dass behandelbare Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht und viele andere bis zu 90 % der Schlaganfallinzidenz erklären (1).

Karotisstenose

Bei asymptomatischen Karotisstenosen haben die Operationen und das Stenting vergleichbare Komplikationsraten (2, 3).

Thrombose

Durch randomisierte Studien und große Register hat sich gezeigt, dass sehr viel mehr Patienten als früher für eine systemische Thrombolyse mit rt-PA zugänglich sind. Dies gilt unter anderem für Patienten im Alter >65 Jahre, Patienten mit schweren Schlaganfällen und Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten (4).

Auch Patienten mit Dissektionen der hirnversorgenden Arterien profitieren von einer systemischen Thrombolyse mit rt-PA (5). Die Lyse kann bei Patienten durchgeführt werden, die mit NOAKs behandelt werden, wenn die letzte Einnahme so lange zurückliegt, dass die Gerinnungsfaktoren normal sind.

Die wirksamste Therapie distaler Karotisverschlüsse und Verschlüsse der proximalen Arteria cerebri media ist die Lyse gefolgt von der mechanischen Thrombektomie mit einer NNT von 2,6 für einen guten klinischen Outcome (6).

Sekundärprävention

Der Thrombozytenfunktionshemmer Ticagrelor war in der frühen Prävention des Schlaganfalls nicht wirksamer als Acetylsalicylsäure für einen kombinierten vaskulären Endpunkt. Ticagrelor verhinderte allerdings signifikant häufiger ischämische Insulte (7).

Bei Patienten mit embolischem Schlaganfall ungeklärter Ätiologie (ESUS) werden im Moment zwei große randomisierte Studien durchgeführt, welche die NOAKs Dabigatran und Rivaroxaban mit Acetylsalicylsäure vergleichen (8).

Blutungen

Bei der Therapie zerebraler Blutungen spielt bei hohen Blutdruckwerten die Blutdrucksenkung eine wichtige Rolle (9, 10). In der Therapie von Vitamin-K-induzierten zerebralen Blutungen ist PPSB besser wirksam als FFP (11).

Herzoperation

Der präventive Effekt eines Vorhofohrverschlusses bei Patienten mit Kontraindikation für eine orale Antikoagulation wird im Moment untersucht. Der Verschluss eines offenen Foramen ovale ist nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt (12, 13).


Quellen

1. O'Donnell MJ, Chin SL, Rangarajan S, Xavier D, Liu L, Zhang H, et al. Global and regional effects of potentially modifiable risk factors associated with acute stroke in 32 countries (INTERSTROKE): a case-control study. Lancet. 2016.

2. Brott TG, Howard G, Roubin GS, Meschia JF, Mackey A, Brooks W, et al. Long-term results of stenting versus endarterectomy for carotid-artery stenosis. N Engl J Med. 2016.

3. Rosenfield K, Matsumura JS, Chaturvedi S, Riles T, Ansel GM, Metzger DC, et al. Randomized trial of stent versus surgery for asymptomatic carotid stenosis. N Engl J Med. 2016.

4. Berge E, Cohen G, Roaldsen MB, Lundstrom E, Isaksson E, Rudberg AS, et al. Effects of alteplase on survival after ischaemic stroke (IST-3): 3 year follow-up of a randomised, controlled, open-label trial. Lancet Neurol. 2016; 15(10):1028-34.

5. Tsivgoulis G, Zand R, Katsanos AH, Turc G, Nolte CH, Jung S, et al. Risk of symptomatic intracerebral hemorrhage after intravenous thrombolysis in patients with acute ischemic stroke and high cerebral microbleed burden: a meta-analysis. JAMA neurology. 2016; 73(6):675-83.

6. Goyal M, Menon BK, van Zwam WH, Dippel DW, Mitchell PJ, Demchuk AM, et al. Endovascular thrombectomy after large-vessel ischaemic stroke: a meta-analysis of individual patient data from five randomised trials. Lancet. 2016.

7. Johnston SC, Amarenco P, Albers GW, Denison H, Easton JD, Evans SR, et al. Ticagrelor versus Aspirin in acute stroke or transient ischemic attack. N Engl J Med. 2016.

8. Diener HC, Easton JD, Granger CB, Cronin L, Duffy C, Cotton D, et al. Design of randomized, double-blind, evaluation in secondary stroke prevention comparing the efficacy and safety of the oral thrombin inhibitor Dabigatran Etexilate vs. Acetylsalicylic Acid in patients with embolic stroke of undetermined source (RE-SPECT ESUS). Int J Stroke. 2015.

9. Anderson CS, Heeley E, Huang Y, Wang J, Stapf C, Delcourt C, et al. Rapid blood-pressure lowering in patients with acute intracerebral hemorrhage. N Engl J Med. 2013.

10. Arima H, Heeley E, Delcourt C, Hirakawa Y, Wang X, Woodward M, et al. Optimal achieved blood pressure in acute intracerebral hemorrhage: INTERACT2. Neurology. 2015; 84(5):464-71.

11. Steiner T, Poli S, Griebe M, Husing J, Hajda J, Freiberger A, et al. Fresh frozen plasma versus prothrombin complex concentrate in patients with intracranial haemorrhage related to vitamin K antagonists (INCH): a randomised trial. Lancet Neurol. 2016; 15(6):566-73.

12. Kent DM, Dahabreh IJ, Ruthazer R, Furlan AJ, Reisman M, Carroll JD, et al. Device closure of patent for amen ovale after stroke: pooled analysis of completed randomized trials. J Am Coll Cardiol. 2016; 67(8):907-17.

13. Messe SR, Gronseth G, Kent DM, Kizer JR, Homma S, Rosterman L, et al. Practice advisory: recurrent stroke with patent foramen ovale (update of practice parameter): report of the guideline development, dissemination, and implementation subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology. 2016; 87(8):815-21.

Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. Hans-Christoph Diener
Seniorprofessor für klinische Neurowissenschaften
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen
Universität Duisburg-Essen
E-Mail: hans.diener@uk-essen.de
www.uni-due.de/neurologie/

Weitere Informationen finden Sie unter
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen, 23.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2016

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