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ARTIKEL/096: Pocken seit 30 Jahren besiegt - Erfahrungen helfen gegen Masern und Röteln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. August 2010

GESUNDHEIT:
Pocken seit 30 Jahren besiegt - Erfahrungen helfen gegen Masern und Röteln

Von Matthew O. Berger


Washington, 26. August (IPS) - Wenn der Arzt Ciro de Quadros über seine internationalen Einsätze in den 70er Jahren gegen die Pocken berichtet, dann klingt das nach einem spannenden Abenteuer im Dienst der Menschheit: So marschierten er uns sein Team unter dem Banner der Weltgesundheitsorganisation WHO 26 Tage durch unwegsames sudanesisches Grenzgebiet, um Epidemienherde aufzuspüren und die vom Virus bedrohten Menschen zu impfen.

Zugang und Kommunikation seien ein Problem gewesen, erinnert sich der Mediziner. Sechs Jahre lang war er im Sudan tätig gewesen. Nur einmal - als Kaiser Haile Selassie 1974 gestürzt wurde - musste er seine Arbeit unterbrechen. In den Jahren danach verschlug es de Quadros nach Somalia, wo 1977 der weltweit letzte Pockenfall bekannt wurde. Seither gilt die Infektionskrankheit auf der ganzen Erde als ausgerottet.

Der Arzt war nicht der Einzige, der gegen die todbringende Krankheit angekämpft hatte. Sein Kollege Walt Orenstein, der heute für die Bill und Melinda Gates-Stiftung tätig ist, hatte 1975 den letzten Fall in dem indischen Bundesstaat Uttar Pradesh untersucht. Ein siebenmonatiges Mädchen war dort an den Blattern gestorben. 1980 erklärte die WHO die Krankheit offiziell für besiegt.

Orenstein, de Quadros und andere, die sich an der Bekämpfung der Pocken beteiligt haben, nehmen bis zum 27. August an einem Symposion im brasilianischen Rio de Janeiro teil. Dort wird unter anderem darüber diskutiert, wie die Erfahrungen mit Pocken im Kampf gegen andere schwere Infektionskrankheiten eingesetzt werden können. "Es geht nicht nur darum, einen Jahrestag zu feiern, sondern um die Frage, welche Lehren man aus dem Kampf gegen Pocken ziehen kann", betonte Orenstein im Gespräch mit IPS.


Poliofälle nur noch vereinzelt in einigen Ländern

De Quadros, der inzwischen Vizepräsident des regierungsunabhängigen 'Sabin Vaccine Institute' in Washington ist, konnte während seiner Zeit als Chef des Immunisierungsprogramms der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation bei der Behandlung von Polio-Fällen großen Nutzen aus den früheren Erkenntnissen ziehen. Das ehrgeizige Ziel, die Kinderlähmung in den westlichen Ländern auszurotten, war 1994 erreicht. Zurzeit gibt es nur noch in Afghanistan, Indien, Nigeria und Pakistan Polio-Fälle.

Bei der Bekämpfung von Masern und Röteln orientieren sich Mediziner ebenfalls an Anti-Pocken-Strategien. Wenn ein Ansteckungsfall bekannt werde, müsse man herausfinden, woher der Patient die Krankheit hat, sagte de Quadros im Interview mit IPS. In der Zwischenzeit müssten alle Personen, die Teil der Ansteckungskette seien, geimpft werden.

Seit den ersten Untersuchungen in Äthiopien konzentrierten sich die Wissenschaftler darauf, die Krankheit zu überwachen und einzudämmen. Experten erklären sich damit auch den Erfolg der Strategie trotz aller logistischen Schwierigkeiten in der damaligen Zeit. Nicht alle Methoden sind jedoch gleichermaßen auf alle Krankheiten anwendbar. Im Fall des Rotvirus könnten auch nach der Immunisierung noch starke Durchfälle auftreten, die aber auf andere Ursachen zurückgingen, erläuterte de Quadros.


Kampfansage an die Masern

Der Mediziner zeigte sich aber optimistisch, dass auch diese Krankheit in der Zukunft besiegt werden könne. Polio sei weltweit bereits nahezu ausgerottet, sagte er. Sobald der Sieg errungen sei, werde man sich die Masern vornehmen. Diese Krankheit trat laut de Quadros in der westlichen Hemisphäre zuletzt vor acht Jahren auf. Der letzte Fall von Röteln liegt zwei Jahre zurück. Wie Orenstein hervorhob, hat die Unterstützung durch die jeweiligen Regierungen maßgeblich zum Sieg über die Pocken beigetragen. Auch der medizinische Fortschritt sei entscheidend gewesen, sowohl im Hinblick auf die Technologien als auf die Strategien. So habe die zweizackige Impfgabel dabei geholfen, die Patienten schneller und kostengünstiger zu immunisieren. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2010

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