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DIABETES/1311: Studien untersuchen Wege zur Vorbeugung und Heilung der Zuckerkrankheit (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Mittwoch, 3. März 2010

Studien untersuchen Wege zur Vorbeugung und Heilung der Zuckerkrankheit


fzm - Noch ist es nicht möglich, den Ausbruch einer Diabeteserkrankung Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern oder deren Verlauf abzuschwächen. Es gibt jedoch mehrere vielversprechende Ansätze dazu. Experten stellen in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2010) vier derzeit laufende Studien mit deutscher Beteiligung vor.

An der Pre-POINT-Studie nehmen Kinder teil, die ein hohes genetisches Risiko haben, noch vor der Pubertät an einem Typ-1-Diabetes zu erkranken. Dies ist der Fall wenn einer oder mehrere Angehörige ebenfalls erkrankt sind oder ein Gentest ein erhöhtes Risiko nachgewiesen hat, erläutert Professor Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler vom Institut für Diabetesforschung in München, die einige der Kinder betreut. Sie werden täglich mit Insulin oder einem Placebo behandelt, das über die Nase oder beim Essen verabreicht wird. Das Hormon soll nicht den Blutzucker senken, sondern das Immunsystem langfristig an Insulin "gewöhnen". Das Ziel ist eine Immuntoleranz. Bei Mäusen ist dies gelungen, berichtet die Expertin. Das Immunsystem bildete sogenannte regulative T-Lymphozyten. Sie verhindern, dass andere Abwehrzellen die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreifen und zerstören. Professor Ziegler spricht von einer Impfung gegen Diabetes. Sie war in den bisher beim Menschen durchgeführten Studien erfolglos. Die Diabetologin hofft aber, dass die richtige Dosis und der richtige Zeitpunkt in der jetzigen Studie zum Ziel führen.

In einer weiteren Untersuchung hat die Forschergruppe Diabetes der Technischen Universität München begonnen, Kinder, die neu an Diabetes erkrankt sind, mit Stammzellen aus Nabelschnurblut zu behandeln, das nach der Geburt tiefgefroren wurde. Im Gegensatz zu den Stammzellen fremder Spender ist die Therapie risikoarm, versichert Professor Ziegler. Die Stammzellen sollen die bereits zerstörten Beta-Zellen ersetzen. Ob dies gelingt, soll die laufende Studie zeigen, an der insgesamt zehn Kinder teilnehmen werden. Zwanzig weitere bilden die Kontrollgruppe. Bislang wurden drei Kinder behandelt.

Kinder aus Deutschland nehmen auch an zwei größeren internationalen Studien teil. An 70 Zentren testet der schwedische Hersteller Diamyd Therapeutics einen Impfstoff, der aus Glutamatdecarboxylase (GAD65) und einem Impfstoffverstärker besteht. GAD65 ist ein Enzym aus den Langerhans-Inseln, in denen sich die Beta-Zellen befinden. Es ist einer der ersten Angriffspunkte der sogenannten Autoantikörper, die die Zerstörung der Beta-Zellen einleiten. Die Rekrutierung der Studie, an der weltweit 320 Kinder und Jugendliche mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes mellitus teilnehmen, ist laut Prof. Ziegler bereits abgeschlossen. Die Ergebnisse sollen im Oktober 2011 vorliegen. Eine Vorläuferstudie hatte gezeigt, dass die Impfung möglicherweise einen Teil der Insulinproduktion im Körper erhalten kann.

Dieses Ziel verfolgt auch die AIDA-Studie des Steno Diabetes Center aus Dänemark. In sieben europäischen Ländern, darunter mehrere deutsche Zentren (München, Frankfurt, Düsseldorf, Ulm) werden derzeit 80 Kinder mit neu diagnostiziertem Diabetes mit dem Antikörper Anakinra behandelt. Anakinra hemmt die Wirkung des Zytokins Interleukin 1, indem er seine Bindungsstelle, den Rezeptor, besetzt. Interleukin 1 ist ein wichtiger Signalstoff in der Entzündungsreaktion, die zum Untergang der Beta-Zellen und zum Versiegen der Insulinproduktion führt.

Der Ausgang der Studien ist noch offen. Für die Menschen mit Diabetes wäre es schon ein Vorteil, wenn ihnen eine Rest-Insulin-Produktion erhalten bliebe, betont Professor Ziegler. Dies würde die Blutzuckereinstellung erleichtern. Die Patienten müssten weniger Insulin spritzen, und gefährliche Unterzuckerungen könnten vermieden werden.


H. Boerschmann, M. Walter, P. Achenbach, A.-G Ziegler:
Übersicht über aktuelle Studien zur Prävention und Immunintervention des Diabetes mellitus Typ 1.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2010; 135(8): S. 350-354


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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 3. März 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2010