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SCHMERZ/473: Nur 40% der Patienten mit starken Schmerzen erhalten starke Schmerzmittel (ProScience)


Deutscher Schmerz- und Palliativtag Frankfurt - Freitag, 27. März 2009

Nur 40 Prozent der Patienten mit starken Schmerzen erhalten auch starke Schmerzmittel

Internationaler Expertenkonsens zu Opioiden


Frankfurt - Bei der Behandlung von Tumorschmerzen und Patienten in der Palliativsituation am Lebensende sind starke Schmerzmittel (Opioide) von höchster Bedeutung. Haben chronische Schmerzen andere Ursachen, halten internationale Schmerzexperten Opioide zwar ebenfalls für wichtig, allerdings differenzieren sie in solchen Fällen stärker. Generell konstatieren die Fachleute bei Patienten mit starken chronischen Schmerzen jedoch eine Unterversorgung mit Opioiden. Dies sind erste Ergebnisse eines internationalen Expertenkonsenses, die Dr. Gerhard H.H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, und Vizepräsident Dr. Michael Überall, Nürnberg, auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt präsentierten.

Der Einsatz von Opioiden wird in vielen Ländern sehr unterschiedlich bewertet und es gibt unterschiedliche Empfehlungen. Diese Unterschiede gehen indes nicht nur darauf zurück, dass manche Opioide nicht überall zur Verfügung stehen, sondern haben ihre Wurzeln auch in der Geschichte der Schmerztherapie in den verschiedenen Ländern. Kulturelle Unterschiede und Erfahrungen spielen ebenfalls eine Rolle.

Im Rahmen einer internationalen Konsensuskonferenz, die von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie initiiert wurde, werden derzeit Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Strategie des Einsatzes von Opioiden herausgearbeitet. Ziel ist es auch, einen größtmöglichen Konsens zwischen den internationalen Experten zu erzielen.

Bislang haben sich 501 Schmerztherapeuten aus 46 Ländern an diesem Konsensus beteiligt. Rund 2800 Experten, darunter die nationalen Vereinigungen der internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes, sind eingebunden. Der Prozess ist zwar noch nicht abgeschlossen, doch erste Ergebnisse präsentierten Tagungspräsident Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Göppingen, und Privat Dozent Dr. Michael Überall, Nürnberg auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt.

Geht es um chronische Tumorleiden oder Patienten in der Palliativsituation am Lebensende bescheinigen drei Viertel der Experten den starken Opioiden allerhöchste Bedeutung. Kein Schmerztherapeut gab an, diese Medikamente in dieser Situation für wenig oder gar nicht bedeutsam zu halten.

Bei chronischen Schmerzen mit anderen Ursachen wandelt sich das Bild. Zwar sind auch bei diesen Schmerzformen die starken Opioide wichtig. Allerdings stehen hier auch andere wirksame Therapieverfahren und Medikamente zur Verfügung. In diesem Fall halten 64 Prozent der Experten die starken Schmerzmittel daher für weniger wichtig. Über ein Drittel hält sie gleichwohl für wichtig bis sehr wichtig. Bei chronischen Nervenschmerzen bewerten über 80 Prozent der Spezialisten die Opioide hingegen als sehr wichtig oder sogar extrem wichtig. "Dies zeigt, dass Experten Opioide sehr differenziert einsetzen", erklärt Müller-Schwefe.

Die Mehrzahl, 85 Prozent der Experten, sind davon überzeugt, dass starke Opioide in ihrem jeweiligen Land zu selten eingesetzt werden. Gesetzliche Hürden spielen dabei eine Rolle. Und mehr als die Hälfte der Experten erklärt, dass nur 40 Prozent der Patienten, die eine Opioid-Therapie benötigen, diese auch erhalten. 95 Prozent der Experten halten Opioide bei der Behandlung starker Schmerzen für wichtig bis extrem wichtig.

Opioide sind auch nicht untereinander einfach austauschbar: 84 Prozent der Experten erklären, dass sie ihre Therapieentscheidung aufgrund der Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen treffen. "Die einzelnen Opioide unterscheiden sich etwa in ihrer Verstoffwechselung", nennt Müller-Schwefe als Beispiel. Manche Abbauprodukte der Opioide können Probleme verursachen. "Morphin unterdrückt beispielsweise das Immunsystem, was andere Opioide nicht machen", sagt Überall. "Darum können wir die Aussagen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen nicht nachvollziehen", kritisiert Müller-Schwefe, "die offenkundig aus Kostengründen behaupten, dass es zwischen den Opioiden keine Unterschiede gäbe und diese einfach gegeneinander ausgetauscht werden könnten."


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Quelle:
Deutscher Schmerz- und Palliativtag Frankfurt/Main
Pressestelle: ProScience Communications GmbH
Dipl. Biol. Barbara Ritzert
Andechser Weg 17, 82343 Pöcking
E-Mail: ritzert@proscience-com.de
Internet: www.schmerz-therapie-deutschland.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2009