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FORSCHUNG/788: Wirkstoff Rapamycin lässt Mäuse länger leben, bremst aber kaum den Alterungsprozess (idw)


Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) - 25.07.2013

Rapamycin lässt Mäuse länger leben, bremst aber kaum den Alterungsprozess



Der Wirkstoff Rapamycin verlängert erwiesenermaßen die Lebensspanne von Mäusen. Ein Forscherteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) sowie des Helmholtz Zentrums München hat nun festgestellt, dass Alterungsprozesse dabei kaum aufgehalten werden. Der lebensverlängernde Effekt könnte vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass Rapamycin das Wachstum von Krebsgeschwüren bremst. Dadurch wirkt das Präparat einer der Haupttodesursachen von Mäusen entgegen. Die Wissenschaftler berichten darüber in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Journal of Clinical Investigation" (Online-Veröffentlichung vom 25. Juli 2013).

Mit dem Alter lassen die Reparaturmechanismen des Körpers nach. In der Folge mehren sich Verschleißerscheinungen und es steigt das Risiko für Erkrankungen wie Alzheimer, Diabetes oder Störungen des Herz-Kreislauf-Systems. "Aktuelle Therapien setzen darauf, solche Erkrankungen gezielt zu behandeln", sagt Dr. Dan Ehninger, Gruppenleiter am Bonner Standort des DZNE. "Denkbar wäre aber auch eine breitangelegte Strategie, die altersbedingte Erkrankungen gewissermaßen bei der Wurzel packt. Das Altern durch Medikamente zu verlangsamen, das wäre ein solcher Ansatz."

In diesem Zusammenhang ist der Wirkstoff Rapamycin bemerkenswert. Dieses Präparat wird bei Organtransplantationen eingesetzt, da es die Immunabwehr in Schach hält und so eine Abstoßung des Fremdgewebes verhindern kann. US-amerikanische Wissenschaftler konnten 2009 eine weitere Wirkung nachweisen: Mäuse, die Rapamycin zu sich nahmen, lebten einige Monate länger als ihre unbehandelten Artgenossen. "Rapamycin ist das erste Medikament, das einen Effekt auf die maximale Lebensspanne bei Säugetieren gezeigt hat. Diese Studie hat einiges an Aufsehen erregt", so Ehninger.

Für ein Team um den Bonner Forscher war dieser Befund Anlass, den Ursachen nachzugehen: "Wir haben uns gefragt, ob Rapamycin das Altern der Mäuse verlangsamt oder ob die Verlängerung der Lebensspanne möglicherweise andere Gründe hat."

Kein Jugendelixier

Ehningers Arbeitsgruppe untersuchte gemeinsam mit Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums München und weiteren Kollegen wie sich Rapamycin auf Mäuse auswirkte. Das Ergebnis ist ernüchternd. "Unsere Studie kommt zu dem Fazit, dass Rapamycin das Leben zwar verlängert, aber nur sehr begrenzte Effekte auf das Altern an sich hat", fasst Ehninger die Befunde zusammen. "Wir sehen zwar sehr vereinzelt einen positiven Trend, etwa beim Lernverhalten oder bei manchen Blutwerten. Aber das betrifft gleichermaßen junge wie alte Mäuse. Rapamycin wirkt also nicht auf das Altern an sich, sondern nur auf ganz bestimmte Eigenschaften des Organismus."

Darin sehen die Forscher auch die Ursache der lebensverlängernden Wirkung. "Wir gehen davon aus, dass die Verlängerung der Lebensspanne dadurch zustande kommt, dass Rapamycin die Tumorbildung hemmt. Das ist eine bekannte Wirkung, die wir auch bestätigen konnten. Bei den untersuchten Mausstämmen sind Krebsgeschwüre eine der Haupttodesursachen", sagt der Molekularmediziner. "Demnach hat Rapamycin zwar einen isolierten Effekt auf lebensbegrenzende Erkrankung von Mäusen. Wir sehen aber keinen allgemeinen Einfluss auf die Alterung von Säugetieren."

Umfassende Beurteilung des Alterns

Mehr als 150 Eigenschaften, die sich beim Altern in typischer Weise verändern, nahmen die Forscher unter die Lupe: Neben Sehfähigkeit, Reflexen, Funktion des Herz-Kreislauf-Systems sowie Lern- und Orientierungsvermögen überprüften sie beispielsweise auch das Bewegungsverhalten der Tiere, ihre Immunreaktion oder suchten nach Anzeichen für Arterienverkalkung. "Altern ist ein komplexer Vorgang, der sich nicht an einer Kenngröße festmachen lässt. Das Altern führt zu Veränderungen in den Zellen, in den Organen und auch im Verhalten", erläutert Ehninger. "Deshalb haben wir eine große Zahl an strukturellen und funktionellen Alterungserscheinungen analysiert. Eine Studie, die mögliche Anti-Aging-Effekte in diesem Umfang untersucht, hat es bislang noch nicht gegeben."

Die Tiere fielen in drei verschiedene Altersgruppen, dazu gehörten sowohl relativ junge Tiere wie auch solche im "Seniorenalter". "Die US-amerikanische Studie hat seinerzeit gezeigt, dass Rapamycin die Lebensspanne verlängert, unabhängig davon, ob die Behandlung bei jungen oder alten Tieren einsetzt", so der Bonner Forscher. "Auch wir haben für unsere Studie verschiedene Altersgruppen untersucht. So konnten wir prüfen, ob mögliche Effekte von Rapamycin mit dem Alter zusammenhängen, in dem die Behandlung begonnen wurde."

Bei den Tieren handelte es sich um genetisch identische Zwillingsmäuse. Alle Tiere hatten Rapamycin regelmäßig über den Zeitraum eines Jahres erhalten. Zu jeder Altersklasse gab es auch eine Kontrollgruppe, die den Wirkstoff nicht zu sich nahm.

Detaillierte Analysen notwendig

"Grundsätzlich zeigen unsere Untersuchungen, dass man bei der Beurteilung möglicher Anti-Aging-Effekte viele Paramater berücksichtigen muss. Es kommt auf deren Kombinationen und auf das Gesamtbild an. Die Lebensspanne allein ist nicht aussagekräftig", betont Ehninger. "Die Suche nach Wirkstoffen, die den Alterungsprozess verlangsamen, ist insofern mühsam, aber eben auch vielversprechend. Denn solche Substanzen würden der Medizin neue Möglichkeiten eröffnen. Das ist aber noch Zukunftsmusik."


Originalveröffentlichung
"Rapamycin extends murine lifespan but has limited effects on aging",
Frauke Neff, Diana Flores-Dominguez u. a.,
Journal of Clinical Investigation (Online-Veröffentlichung vom 25. Juli 2013)
http://dx.doi.org/10.1172/JCI67674


Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) erforscht die Ursachen von Erkrankungen des Nervensystems und entwickelt Strategien zur Prävention, Therapie und Pflege. Es ist eine Einrichtung in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren mit Standorten in Berlin, Bonn, Dresden, Göttingen, Magdeburg, München, Rostock/Greifswald, Tübingen und Witten. Das DZNE kooperiert eng mit Universitäten, deren Kliniken und außeruniversitären Einrichtungen. Website:
www.dzne.de / Twitter: twitter.com/DZNE_de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1369

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)
Dr. Marcus Neitzert, 25.07.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2013