Technische Universität Braunschweig - 30.11.2016
Anti-Diphtherie-Wirkstoffe zukünftig ohne Tierversuche
Braunschweiger "Antikörper Ingenieure" wollen bessere Medikamente ermöglichen
Eine neue Methode zur Erzeugung von Antikörper-Medikamenten im Reagenzglas haben Forscher aus Braunschweig entwickelt. Anders als bisherige Verfahren kommt sie ohne die Nutzung von Versuchstieren aus. Nun wollen die Wissenschaftler auf der Basis dieser Methode die Infektionskrankheit Diphtherie bekämpfen. Partner in dem Projekt ist die Tierschutzorganisation PETA International Science Consortium Ltd. (PISC).
Der erste Medizin-Nobelpreis ging an Emil von Behring für die Herstellung eines Antiserums gegen Diphtherie-Toxin. Dieses weltweit erste Antikörper-Medikament hat seither zahllosen Patienten, insbesondere Kindern, das Leben gerettet. Mittlerweile werden solche Seren in Deutschland nicht mehr benötigt, da man hier effektiv impfen kann. Dennoch haben weltweit immer noch viele Menschen keinen Impfschutz. Dort wird das Antiserum weiterhin benötigt. Wie schon zu von Behrings Zeiten wird es dafür immer noch in Pferden erzeugt. Dabei werden die Tiere mit dem Toxin immunisiert und anschließend die vom Tier produzierten Antikörper durch Blutabnahme gewonnen.
Die Verwendung rein menschlicher Antikörper wäre für die Erkrankten besser, denn die Pferde-Eiweiße des bisher verwendeten Antiserums können Nebenwirkungen erzeugen (Serumkrankheit). Auch wären bei der Verwendung menschlicher Antikörper keine Tierversuche an Pferden mehr notwendig. Beide Vorteile vereinigt das Ziel eines Projektes eines internationalen Konsortiums, in dem die Technische Universität Braunschweig eine Schlüsselrolle spielt. In der Abteilung Biotechnologie sollen dazu menschliche Antikörper gegen Diphtherie komplett im Reagenzglas hergestellt werden. Gefördert wird das Projekt aus Mitteln der PETA International Science Consortium Ltd. (UK) mit 134.000 Euro über eine Laufzeit von drei Jahren.
Projektleiter Prof. Dr. Michael Hust vom Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik, dem es gelang, dieses Projekt zu initiieren und nach Braunschweig zu holen, sagt: "Wir freuen uns, dass wir mit unserer Technologie, dem Antikörper-Phagen-Display, beitragen können, ein weltweites Gesundheitsproblem anzugehen. Das Projekt baut direkt auf unsere Erfolge bei Entwicklung menschlicher Antikörper zur Neutralisierung anderer Bakteriengifte, wie Botulinum Toxin (Botox) und insbesondere der Toxine von Clostridium difficile auf, welche wir dank der Förderung durch das Land Niedersachsen im CDiff Konsortium erreicht haben."
Biotechnologe Prof. Dr. Stefan Dübel, Leiter des Instituts und Mit-Erfinder des Antikörper-Phagen-Displays, kommentiert dazu: "Wir haben langjährige Erfahrungen mit der Erforschung von Technologien zur Antikörperentwicklung im Reagenzglas. Nun freuen wir uns, dass auch unser Einsatz für Komplettersatzmethoden für Tierversuche in der Antikörperherstellung durch PETA anerkannt und auch außerhalb der Fachkreise international sichtbar wird."
Die in Braunschweig entwickelten menschlichen Antikörper sollen zukünftig gentechnologisch komplett im Bioreaktor hergestellt werden und könnten dadurch den Einsatz von Pferden für die Herstellung des Medikaments weltweit beenden.
Über Antikörper
Antikörper sind die wichtigsten Abwehrstoffe unseres Immunsystems. In
Medizin und der biologischer Forschung nutzt man unzählige dieser
sogenannten "Immunglobuline" als hochsensitive Sonden zur biochemischen
Analyse und der Erforschung von Zellen und Geweben. Auch für sehr viele
diagnostische Tests werden Antikörper benötigt. Bei vielen Erkrankungen,
wie zum Beispiel Krebs oder Autoimmunerkrankungen werden Antikörper
therapeutisch eingesetzt, und sie stellen heute die weltweit
umsatzstärkste Klasse von Medikamenten dar. Bisher wurden Antikörper vor
allem durch Impfung und nachfolgendes Ausbluten von Versuchstieren
hergestellt. Mithilfe von Gentechnologie könnten sie allerdings heute
komplett im Reagenzglas hergestellt werden - auf diese Weise können
insbesondere auch für Patienten verträglichere, komplett menschliche
Antikörper erzeugt werden.
Über Diphtherie
Diphtherie ist eine ansteckende Infektionserkrankung. Der Erreger,
Corynebacterium diphtheria, bewirkt eine Infektion der Atemwege. Das
sekretierte Diphtherie-Toxin zerstört die Lungenzellen und es kann zu
einem lebensbedrohenden Verschluss der Atemwege kommen. Besonders Kinder
sind davon betroffen. In Deutschland kommt die Erkrankung aufgrund von
Schutzimpfungen nur noch sehr selten vor.
Über die Biotechnologie an der TU Braunschweig
Die Abteilung Biotechnologie des Instituts für Biochemie, Biotechnologie
und Bioinformatik bearbeitet vielfältige Forschungsthemen rund um die
Erzeugung, Nutzung und Verbesserung von menschlichen Antikörpern im
Bereich der Infektionsforschung, Diagnostik und Wirkstoffentwicklung.
Dabei werden modernste Methoden der Gentechnologie genutzt, welche
insbesondere auch einen Komplettersatz von Tierversuchen zur
Antikörperherstellung ermöglichen.
Kontakt
Prof. Dr. Michael Hust
Technische Universität Braunschweig
Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik
Abteilung Biotechnologie
Spielmannstraße 7
38106 Braunschweig
Weitere Informationen finden Sie unter
https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/anti-diphtherie-wirkstoffe-zukuenftig-ohne-tierversuche/
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution179
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Braunschweig, Elisabeth Hoffmann, 30.11.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2016
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