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STUDIE/506: Sympathiebewertungen für körperlich dominante, muskulöse Männer unter Einfluss von Oxytocin (idw)


Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) - 28.04.2015

Das Hormon Oxytocin: Mehr Sympathie für starke Männer


Männer finden körperlich trainierte, muskulöse Männer weniger sympathisch als schmächtige Männer. Das konnte in vielen Studien nachgewiesen werden. Unter dem Einfluss des Hormons Oxytocin allerdings verschwindet dieser Effekt und muskulöse Männer werden sympathischer beurteilt. Das zeigt eine aktuelle Studie von Psychologen der Universitäten Freiburg und Köln, die jetzt in der Fachzeitschrift "Social Cognitive and Affective Neuroscience" veröffentlicht wurde.

Wie attraktiv oder vertrauensvoll wir jemanden finden, hängt von vielen Faktoren ab. "Auch die körperliche Erscheinung eines Menschen beeinflusst, wie ihn andere wahrnehmen, da körperliche Kraft und Größe aus evolutionärer Sicht Hinweise auf Dominanz und Bedrohung darstellen", sagt der Sozialpsychologe Thomas Mussweiler. Gemeinsam mit dem Biopsychologen und Neurowissenschaftler Markus Heinrichs hat er untersucht, ob Männer Fotos von muskulösen Gleichaltrigen weniger sympathisch bewerten als die von schmächtigen Altersgenossen. Sie wollten außerdem wissen, ob die Bewertung eines anderen Mannes durch das Hormon Oxytocin beeinflusst wird. Oxytocin ist für das soziale Verhalten (wie Blickkontakt, Vertrauen, Berührungen) sehr wichtig.

Die Wissenschaftler luden für ihr Experiment 100 männliche Studenten Anfang 20 ins Labor ein. Jedem Probanden wurde per Nasenspray eine Substanz verabreicht, die bei der einen Hälfte der Probanden das Hormon Oxytocin enthielt und bei den restlichen 50 Probanden ein Placebo. Welcher Proband welche Substanz bekam, erfolgte zufällig und verdeckt für alle Beteiligten. Danach betrachteten die Studenten das Foto eines Mannes am Computer. Dieses Foto lag in zwei Varianten vor. Gesicht und Gesichtsausdruck des Mannes waren auf beiden Bildern gleich, aber der Körper war digital manipuliert. Die eine Hälfte der Probanden betrachtete das Foto eines gleichaltrigen muskulösen Mannes. Die andere Gruppe betrachtete das Foto eines schmächtigen Altersgenossen. Die Forscher kreuzten die beiden Versuchsbedingungen, so dass jeweils die Hälfte der Oxytocin- und der Placebo-Gruppe das Bild des muskulösen Mannes betrachtete, während die andere Hälfte beider Gruppen das Bild des schmächtigen Mannes ansah.

Muskeln wirken unsympathisch

Die anschließende Aufgabe der Studenten war es, sich vorzustellen, mit dem Mann in Kontakt zu treten und diese Situation niederzuschreiben. Danach sollten sie den Mann auf dem Foto beurteilen: wie alt und wie stark er ist, wie ähnlich er ihnen selbst und ihrem Freundeskreis ist, und wie sympathisch sie ihn finden. Die Wissenschaftler verglichen die Bewertungen der beiden Bildervarianten durch die Oxytocin- und die Placebo-Gruppe. Die Ergebnisse zeigen, dass der muskulöse Mann insgesamt weniger sympathisch beurteilt wurde als der schmächtige Mann.

Oxytocin verändert die Sympathiebewertungen

Unter Einfluss von Oxytocin dagegen waren die Sympathiebewertungen für körperlich dominante, muskulöse Männer höher: bei dieser Gruppe wurden der muskulöse und der schmächtige Mann annähernd gleich sympathisch bewertet. Die Studenten der Placebo-Gruppe hingegen fanden den muskulösen Altersgenossen deutlich weniger sympathisch als den schmächtigen. Es zeigte sich auch, dass der muskulöse Mann von beiden Gruppen als der eigenen Person und dem eigenen Freundeskreis weniger ähnlich eingeschätzt wurde. Oxytocin scheint also die Sympathie gegenüber dem muskulösen Mann verbessert zu haben, ohne ihn aber ähnlicher erscheinen zu lassen. "Wir gehen davon aus, dass Oxytocin eine wichtige Rolle bei der sozialen Annäherung spielt", fasst Markus Heinrichs die Ergebnisse zusammen, "das Hormon stellt damit eine wichtige Voraussetzung für die Erweiterung und Sicherung sozialer Netzwerke dar."

Möglicher Einsatz von Oxytocin zur Therapie von sozialen Störungen

Heinrichs erforscht derzeit, inwieweit das Hormon Oxytocin in Kombination mit Psychotherapie eingesetzt werden könnte. Insbesondere psychische Störungen mit schweren zwischenmenschlichen Problemen, wie zum Beispiel Autismus oder die Borderline-Persönlichkeitsstörung, könnten davon profitieren. "Seit einigen Jahren lässt sich nicht mehr bestreiten, dass das Hormon Oxytocin eine zentrale Rolle für unser Sozialverhalten spielt", sagt Heinrichs. "Die nächsten Jahre werden dadurch geprägt sein, das klinische Potential für sogenannte 'soziale Störungen' zu ermitteln und Psychotherapie da wirksamer zu machen, wo die Entwicklung schon zu lange stagniert oder wie beim Autismus weitgehend ausbleibt."


Die Originalstudie finden Sie hier:
Chen, F. S., Mayer, J., Mussweiler, T., & Heinrichs, M. (in press). Oxytocin increases the likeability of physically formidable men. Social Cognitive and Affective Neuroscience. doi:10.1093/scan/nsu116
http://scan.oxfordjournals.org/content/early/2014/09/24/scan.nsu116.long


Kontakt:

Prof. Dr. Markus Heinrichs
Institut für Psychologie
Lehrstuhl für Biologische und Differentielle Psychologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Stefan-Meier-Straße 8
79104 Freiburg i. Br.
E-Mail: heinrichs@psychologie.uni-freiburg.de

Prof. Dr. Thomas Mussweiler
Universität zu Köln
Social Cognition Center Cologne
Richard-Strauss-Str. 2
50931 Köln
Email: office-mussweiler@uni-koeln.de

Pressestelle DGPs:
Dr. Anne Klostermann
E-Mail: pressestelle@dgps.de


Über die DGPs:
Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs e.V.) ist eine Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologinnen und Psychologen. Die über 3500 Mitglieder erforschen das Erleben und Verhalten des Menschen. Sie publizieren, lehren und beziehen Stellung in der Welt der Universitäten, in der Forschung, der Politik und im Alltag.
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Weitere Informationen finden Sie unter
http://scan.oxfordjournals.org/content/early/2014/09/24/scan.nsu116.long

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution599

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Dr. Anne Klostermann, 28.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2015

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