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PFLEGE/467: Die Bereitschaft zur Pflege von Familienangehörigen geht zurück (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2010

Die Bereitschaft zur Pflege von Familienangehörigen geht zurück


Jeder Zehnte verweigert seine Unterstützung komplett. Eine Umfrage zeigt, dass immer mehr Menschen auf Assistenzleistungen in der Pflege setzen.


Jeder Fünfte Bundesbürger würde ein Familienmitglied rund um die Uhr pflegen. Allerdings hat die Bereitschaft der Deutschen zur umfassenden Betreuung ihrer Angehörigen stark nachgelassen. So wollten vor fünf Jahren noch doppelt so viele die Rundumpflege übernehmen. Auch der Anteil derer, die ihren Familienmitgliedern die Unterstützung im Pflegefall komplett verweigern, ist von rund sechs auf elf Prozent gestiegen. Dies ergab die Studie "Kundenkompass Selbstbestimmung im Alter" der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut auf der Basis zweier repräsentativer Bürgerbefragungen.

Vor allem bei den Beschäftigten in der Privatwirtschaft ist die Bereitschaft gering, sich intensiv um ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern - hier würden lediglich 15 Prozent eine Rundumpflege übernehmen. "Offensichtlich fällt es dieser Gruppe immer schwerer, Beruf und Pflege miteinander in Einklang zu bringen", sagt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP. "Es ist daher richtig, dass der Gesetzgeber hier aktiv werden will. Ein erster Ansatz ist es, Berufstätigen durch eine Pflegeauszeit die Möglichkeit einzuräumen, sich um ihre Angehörigen zu kümmern." So ist bei Hausfrauen und -männern die Bereitschaft zur Pflege mit 27 Prozent deutlich höher.

Insgesamt werden in Zukunft angesichts der demografischen Entwicklung und sich verändernder Familienstrukturen immer weniger Pflegebedürftige überhaupt auf die Unterstützung von Angehörigen zurückgreifen können - darüber machen sich die Befragten keine Illusionen. Sie wollen daher vorsorgen - und zwar vor allem, um sich im Pflegefall Assistance-Leistungen finanzieren zu können. Dabei rangiert die Haushaltshilfe mit 60 Prozent an erster Stelle. Mehr als jeder Zweite will außerdem sparen, um sich eine bedarfsgerechte Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch ein Nicht-Familienmitglied leisten zu können. "Diese Zahlen beweisen: Die Bundesbürger wissen, dass sie in der Zukunft auch im Pflegefall immer häufiger auf sich allein gestellt sein werden. Es gilt nun, das Angebot an Unterstützungsleistungen zu diversifizieren. Wir benötigen in der ambulanten Pflege neue und kreative Angebote, die den unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen der Menschen gerecht werden und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Betreuung sicherstellen", so der ZQP-Vorstandsvorsitzende.

Für die Umfrage hatten die Marktforschungsinstitute COBUS aus Karlsruhe (Januar 2010) und forsa aus Berlin (Mai und Juni 2010) im Auftrag der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) rund 1.000 Bundesbürger über 18 Jahre zu ihren Standpunkten, Maßnahmen und Plänen in Bezug auf die Selbstbestimmung und die Probleme im Alter befragt. Die beiden Gruppen der interviewten Personen repräsentierten jeweils einen Querschnitt der volljährigen Bevölkerung in Deutschland. Die Befragungen wurden in computergestützten Telefoninterviews durchgeführt (CATI-Befragung).

Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) ist eine im November 2009 errichtete gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Berlin. Ziel der Stiftungsarbeit ist die Wissenschaftsbasierung und strukturelle Weiterentwicklung von Qualität in der Pflege sowie in der Versorgung älterer und hilfebedürftiger Menschen. Stifter des ZQP ist der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. Das ZQP ist nach eigenen Angaben die einzige derartige Einrichtung in Deutschland, welche multidisziplinär und berufsgruppenübergreifend ausgerichtet ist. In seine Arbeit bindet es ausgewiesene Experten aus Pflegepraxis und Wissenschaft sowie Verbraucher und Patientenorganisationen ein. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Stiftungsarbeit ist die wissenschaftliche Bearbeitung von bisher unzureichend geklärten Fragestellungen rund um das häusliche Versorgungsgeschehen.

(PM/Red)


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201011/h10114a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt November 2010
63. Jahrgang, Seite 59
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2010