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STATISTIK/282: Frauen und Ostdeutsche erkranken häufiger an Demenz (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Mittwoch, 10. Juni 2009

Frauen und Ostdeutsche erkranken häufiger an Demenz


fzm - In Deutschland leidet eine Million Menschen an einer Demenz. Dies ergibt die bisher größte Untersuchung zu der Erkrankung, die nur selten vor dem 65. Lebensjahr auftritt, mit zunehmendem Alter aber immer häufiger wird. Nach der Veröffentlichung in der Fachzeitschrift "Das Gesundheitswesen" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) sind Frauen häufiger als Männer und Ostdeutsche häufiger als Westdeutsche betroffen.

Demenzen sind die vierthäufigste Todesursache. Die medizinische Behandlung, vor allem aber die lange Betreuung machen sie zu einer der teuersten Erkrankungen. Umso bemerkenswerter ist, dass es bisher keine exakten Zahlen zur Verbreitung der Demenz in Deutschland gibt. Uta Ziegler und Professor Gabriele Doblhammer vom Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels haben deshalb die Daten von 350 Krankenkassen ausgewertet. In ihre Stichprobe bezogen sie alle Versicherten ein, die am 11. Tag eines Monats Geburtstag hatten. Die große Zahl erlaubt den Forscherinnen einige neue Erkenntnisse. Dazu gehört, dass die Erkrankung vor dem 65. Lebensjahr äußerst selten ist: Nur etwa 20.000 Deutsche erkranken vor dem üblichen Rentenalter. Danach steigt die Zahl der Neuerkrankungen (Inzidenz) und der Erkrankten (Prävalenz) deutlich an.

Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor, schreiben die beiden Expertinnen. Dies bedeute jedoch nicht, dass, wie vielfach zu hören, es nur eine Frage der Zeit ist, bis jeder Mensch im Alter an einer Demenz erkrankt. Ab einem Alter von 90 Jahren schwächt sich der anfangs exponenzielle Anstieg ab, haben Ziegler und Doblhammer herausgefunden: Auch bei den über 100-Jährigen sind die Demenzkranken mit 43 Prozent in der Minderheit.

Zwei Drittel aller Demenzkranken sind Frauen. Dies liegt nach Auskunft der Forscherinnen nicht nur an den im Vergleich zu Männern höheren Erkrankungszahlen im Alter über 70 Jahren. Als Spätfolge des 2. Weltkriegs gibt es in Deutschland in den hohen Altersgruppen mehr Frauen als Männer. Das Verhältnis werde sich aber in den nächsten Jahren angleichen, da die Lebenserwartung von Männern gegenwärtig stärker steige als von Frauen, sagen die Demografie-Expertinnen voraus.

Auffallend ist auch eine höhere Zahl der Erkrankungen und Neuerkrankungen von Demenzen in Ostdeutschland. Die Abflachung des Anstiegs im hohen Alter fehlt in Ostdeutschland. Ziegler und Doblhammer führen dies auf einen ungünstigen Lebensstil zurück: Die Menschen in Ostdeutschland ernähren sich ungesünder, treiben weniger Sport, rauchen häufiger und leiden häufiger an Übergewicht. All diese Faktoren fördern die Gefäßverkalkung, die für ein Drittel aller Erkrankungen verantwortlich ist, die vaskuläre Demenz. Anders als der Morbus Alzheimer kann der vaskulären Demenz bereits heute vorgebeugt werden. Ein gesunder Lebensstil könnte nach Ansicht der beiden Expertinnen einen Beitrag leisten, die Zahl der Erkrankungen künftig zu begrenzen.

Die Gesamtzahl der Demenzkranken (unter den über 60-Jährigen) schätzen die Epidemiologinnen für das Jahr 2007 auf nahezu 1,08 Million. Darunter waren 580 000 Frauen und 270 000 Männer aus Westdeutschland sowie 164 000 Frauen und 65 000 Männer aus Ostdeutschland.


U. Ziegler, G. Doblhammer:
Prävalenz und Inzidenz von Demenz in Deutschland - Eine Studie auf Basis von Daten der gesetzlichen Krankenversicherungen von 2002.
Das Gesundheitswesen 2009; 71 (5): S. 281-290


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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 10. Juni 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2009