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SUCHT/550: Drogenproblematik bei Ärzten aktiv angehen (DGAI)


Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) - Dienstag, 12. Mai 2009

DGAI geht Drogenproblematik bei Ärzten aktiv an


Leipzig - Zwischen 1,4 und 1,9 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Medikamentensucht. Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung hervor. Einer aktuellen Studie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zufolge sind Anästhesisten von der Krankheit vermutlich ähnlich häufig betroffen wie der Bundesdurchschnitt. Insbesondere wurde untersucht, wie häufig Ärzte zu Schmerz- und Narkosemitteln greifen. Erste Ergebnisse stellt die DGAI während des Deutschen Anästhesiecongresses (DAC) vor, der vom 9. bis 12. Mai in Leipzig stattfindet.

Auftrag des Arztes ist es, anderen Menschen zu helfen. Dabei wird häufig vergessen, dass Ärzte extremen Belastungen ausgesetzt sind, und in Situationen geraten können, in denen sie selbst Hilfe benötigen. Sucht gehört zu den Krankheiten, die bei Ärzten - so vermutete man - gehäuft auftreten, da der Klinikalltag diese begünstige. Von 958 Anästhesie-Chefärzten in Deutschland, die im Namen der DGAI in der deutschlandweit ersten Studie auf das Thema Sucht angesprochen wurden, berichteten 451 der Befragten (47 Prozent) von 310 Fällen im Kollegenkreis - darunter 211 Anästhesisten. Geht man von der Gesamtzahl der rund 18.000 in Deutschland tätigen Fachärzte für Anästhesie zuzüglich etwa 5.000 in der Weiterbildung befindlicher Ärzte aus, ergibt sich ein überraschend geringer Anteil Betroffener. Auch wenn durch die Umfrage nicht alle Anästhesisten erfasst sind, scheint die Zahl der Suchtkranken im unteren einstelligen Prozentbereich zu liegen.

Allerdings scheint der alltägliche Umgang mit Schmerz- und Narkosemitteln bei einem suchtgefährdeten Arzt den Einstieg in die Drogen zu begünstigen. Die Wirkungen der Medikamentensucht führen auch zu einer vergleichsweise hohen Sterblichkeit der suchtkranken Anästhesisten. Die missbräuchliche Einnahme dieser Drogen birgt ein besonders hohes Risiko. Von den bekannten Fällen endeten 17 Prozent tödlich.

"Es ist uns seitens der DGAI wichtig, das Bewusstsein für das Risiko einer Suchterkrankung unter Ärzten weiter zu schärfen und dafür zu sorgen, dass Betroffene frühzeitig Hilfe in Anspruch nehmen. Dann kann ihnen in vielen Fällen wirkungsvoll geholfen werden", erklärt Professor Dr. med. Dr. h.c. Jürgen Schüttler, Präsident der DGAI. Die DGAI plant nach der Vorstellung der Studie auf dem Deutschen Anästhesiecongress gemeinsam mit Suchtexperten, Pflegewissenschaftlern und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Angebote für suchtgefährdete und suchtkranke Ärzte zu entwickeln. So wurde im Internet ein Portal für suchtbedrohte Ärzte und Mitarbeiter eingerichtet, damit diese selbst rasch und unkompliziert mit erfahrenen Suchttherapeuten in Kontakt treten können. "Erfahrungsgemäß sind die Aussichten einer dauerhaften Heilung dann sogar sehr gut", unterstreicht Professor Dr. med. Norbert Scherbaum, Leiter der Suchtklinik aus Essen, der an diesem in Europa beispiellosen Präventionsprojekt beteiligt ist.

Weitere Schritte sind in Zusammenarbeit zwischen der DGAI, Pflegewissenschaftlern, Suchtexperten und der Deutschen Krankenhausgesellschaft geplant. Auch bessere Kontrollen im Krankenhaus werden notwendig sein, um Suchtgefährdete möglichst früh zu erkennen, ihnen rascher zu helfen und einer Gefährdung der Patienten vorzubeugen. Aber auch der Leistungsdruck im Krankenhaus und die zunehmende Arbeitsverdichtung erhöht die Gefahr einer Suchterkrankung. Deswegen müsse auch dort dringend angesetzt werden, mahnt DGAI-Präsident Schüttler. "Politik und Gesellschaft haben hier auch eine Fürsorgenpflicht für die Mitarbeiter in den Krankenhäusern", so Professor Schüttler.

Ein wichtiges Anliegen hat die Studie jetzt schon erreicht: Den offenen Umgang mit dem Thema zu fördern. "Das Problembewusstsein in der eigenen Berufsgruppe ist heute sehr hoch. Die befragten Chefärzte haben alle sehr offen Auskunft gegeben", betont Professor Dr. med. Christoph Maier von der Ruhr-Universität Bochum, der die Studie im Auftrag der DGAI durchgeführt hat. Doch auch Patienten sollten sich manchmal bewusst machen, dass auch ihr Arzt "nur" ein Mensch ist, der an ähnlichen Problemen leiden kann wie sie selbst.


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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
Pressemitteilung vom 12.05.2009
DGAI Pressestelle, Silke Stark
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-572, Fax: 0711 8931-167
E-Mail: stark@medizinkommunikation.org
Internet: www.dac2009.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2009