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ARTIKEL/022: Mit Ultraschall zum Sieg - Studierende entwickeln innovative Ideen für die Medizintechnik (idw)


Universität Bremen - 10.05.2012

Mit Ultraschall zum Sieg - Studierende entwickeln innovative Ideen für die Medizintechnik


Vom Handy bis zum Hörgerät, viele Dinge des Alltags und der Medizintechnologie wären heute undenkbar ohne die Präzisionsbearbeitung, das "Precision Engineering". Sie stand im Zentrum des deutschen Vorentscheids der dritten internationalen euspen Challenge, der kürzlich in Bremen vom Labor für Mikrozerspanung (LFM) des Fachbereichs Produktionstechnik der Universität Bremen ausgetragen wurde.

Die Ideen der teilnehmenden Studierenden der Produktionstechnik könnten zukunftsweisend sein: Mikro-Messgeräte von nur wenigen Millimetern Größe für minimal invasive Chirurgie, um bei verengten Arterien die richtige Stütze für den jeweiligen Patienten zu finden. Gewonnen hat die Idee einer Mess-Sonde, die bestückt mit vier Mikro-Sensoren in die Arterie eingeführt wird.

Die Herausforderung

Rauchende Köpfe, hitzige Diskussionen und wilde Zeichnungen: Studierende aus Berlin, Bremen und Dortmund trafen bei der Vorrunde in Bremen zusammen, um sich den Einzug ins internationale Finale der euspen Challenge in Eindhoven im Juli 2012 zu sichern. Dort werden sie in Teams mit Studierenden aus ganz Europa ihr Können beweisen. Im Vorentscheid stellten sie sich in Dreier-Teams einer Herausforderung aus dem Feld des Precision Engineering in der Medizintechnik. Als Entwicklungsteam einer fiktiven Medizintechnik-Firma sollten die Studierenden ein Messgerät entwickeln, das den Durchmesser von Blutgefäßen, vor allem den verstopfter Arterien, misst. Die ermittelten Daten sollten dazu dienen, die richtige Gefäßstütze, einen sogenannten Stent, auszuwählen: speziell auf den jeweiligen Patienten angepasst. Bewertet wurden die Ideen der Teilnehmer von einer Jury aus Wissenschaftlern und Industrievertretern: Professor Ekkard Brinksmeier, Leiter des LFM und Professor im Fachbereich Produktionstechnik der Uni Bremen, Martin Kurz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK Berlin, und Björn Dormann von der Firma DESMA.

Die Sieger-Idee

Die drei Teams entwickelten dabei verschiedene Ansätze. Zwei Gruppen hatten die Idee, die Messung mit dem gleichen Instrument durchzuführen, das auch für das Einsetzen der Stents benutzt wird. In der Regel kommt ein Ballon zum Einsatz, auf dem der Stent in die Arterie eingeführt wird. Wird der Ballon aufgeblasen, dehnt sich der flexible Stent bis er die Arterienwände berührt. Wird dann das Gas aus dem Ballon abgezogen, verbleibt der Stent in seiner neuen, gedehnten Form an Ort und Stelle. Er weitet und stabilisiert die Arterie so dauerhaft. Die Idee der beiden Entwickler-Teams: warum nicht aus dem zugeführten Gas-Volumen im Ballon den Durchmesser ermitteln? Diese naheliegende und praktikable Idee erhielt von der Jury Anerkennung, skeptisch war man jedoch beim Sicherheits-Aspekt. "Was passiert, wenn der Ballon platzt oder man zu viel Druck auf die Arterie bringt und sie verletzt wird?", bringt Dormann die Zweifel der Jury auf den Punkt.

Zur Sieger-Idee gekürt wurde daher die Idee der dritten Gruppe, bei der sich der Arterien-Durchmesser ohne Berührung der Arterien-Wand und damit schonender und sicherer ermitteln lässt. Denis Krechting (TU Dortmund), Immanuel Winkler (TU Berlin) und Benedikt Palmowski (Uni Bremen) entwarfen eine Mess-Sonde, die bestückt mit vier Mikro-Sensoren in die Arterie eingeführt wird. Die Sensoren sind gleichzeitig Sender und Empfänger von Ultraschallsignalen. Sie ermitteln so innerhalb von Millisekunden die Entfernung zur Arterienwand und ermöglichen es den Medizinern, sich ein genaues Bild des Durchmessers und der Beschaffenheit der Arterie zu machen. Dass diese Idee so ähnlich, aber auf einem überraschend anderen Gebiet schon umgesetzt wird, weiß Dennis Freiburg, Student der TU Dortmund und lobt die Idee der Konkurrenten: "Heute werden schon große Rohrsysteme, zum Beispiel für Abwasser, mit Ultraschall vermessen. Wieso nicht auch ganz kleine und sensible?"

Precision Engineering und Medizintechnik

Bisher existieren die von den Studierenden entwickelten Messgeräte nur auf dem Papier. "Dass sie jedoch irgendwann auch in der Realität entstehen, ist durchaus denkbar", so Dipl.-Ing. Axel Meier, Organisator des Vorentscheids. Das Precision Engineering, wie es etwa im LFM an der Uni Bremen voran getrieben wird, ermöglicht es, immer kleinere und bessere Sensoren, Instrumente und medizinische Hilfsmittel wie Prothesen, Herzschrittmacher oder Hörgeräte zu fertigen. "Bei uns ist das auch schon im Studium ein zentrales Thema. Wir haben in einem Projekt zum Beispiel selbst Knieprothesen entwickelt", berichtet Freiburg. Und für Krechting steht der zukünftige Berufsweg vielleicht schon fest: "Die Medizintechnik ist ein spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsfeld, ich könnte mir gut vorstellen, später in diesem Bereich zu arbeiten."

Zusatzinformationen

Die euspen vereinigt rund 500 namhafte Mitglieder aus mehr als 30 Nationen und zirka 100 industrielle Kooperationspartner aus den Hochtechnologieländern der Welt. Gemeinsam fördern sie die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Hochpräzisionstechnik im Mikro- und Nanobereich und die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie sowie zwischen den unterschiedlichen Disziplinen. Diskussionsthemen der euspen sind neueste Erkenntnisse, technologische Entwicklungen sowie Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Optik, Mikrotechnik und Nanotechnologie. Ihre Mitglieder und Partner stehen in stetem Kontakt und treffen sich jährlich zu einer Konferenzen jeweils an wechselnden Orten in Europa. Dabei richten sie ein besonderes Augenmerk auch auf die Nachwuchsförderung. "Wir wollen die Führungskräfte von morgen im Feld der Präzisionsbearbeitung und der Nanotechnologie finden", so beschreibt Professor Ekkard Brinksmeier die Motivation der euspen, die Challenge ins Leben zu rufen. Die Idee hierzu wurde maßgeblich von dem Bremer Professor entwickelt. Er ist als erster Fellow der euspen gemeinsam mit Dr.-Ing. Oltmann Riemer, Abteilungsleiter des LFM und Direktor im euspen Council, nicht nur Ausrichter des deutschen Vorentscheids, sondern auch Mitorganisator der gesamten euspen Challenge. Organisiert wurde der diesjährige Vorentscheid von Dipl.-Ing. Axel Meier.

Das Labor für Mikrozerspanung (LFM) an der Universität Bremen ist ein Forschungs- und Entwicklungszentrum im Fachbereich Produktionstechnik, das sich seit seiner Gründung im Jahre 1992 in enger Kooperation mit der Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT) erfolgreich der praxisnahen Weiterentwicklung ultrapräziser mechanischer Fertigungsverfahren widmet. Geleitet wird es von Prof. Dr.-Ing. Ekkard Brinksmeier. Es bietet Industrieunternehmen und Forschungsinstituten Problemlösungen für die Herstellung anspruchsvoller optischer und mechanischer Bauteile, die heute auf zahlreichen innovativen Gebieten von der Medizintechnik bis zur astronomischen Forschung eine Schlüsselrolle spielen. Im Rahmen seiner universitären Aufgaben bildet das LFM Ingenieurnachwuchs für die Wirtschaft und Wissenschaft aus.

Die Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT) in Bremen ist ein Forschungsinstitut mit dem Ziel, die Forschung auf dem Gebiet der Metallverarbeitung voranzutreiben. Als einziges Forschungsinstitut in Deutschland arbeiten am IWT die in Deutschland traditionell getrennt agierenden Fachdisziplinen Werkstofftechnik, Fertigungstechnik und Verfahrenstechnik vereint in einem Institut zusammen. Die Leiter der Hauptabteilungen und gleichzeitig Direktoren des IWT sind die Professoren Hans-Werner Zoch, Lutz Mädler und Ekkard Brinksmeier. Das Institut blickt dabei auf eine mehr als 60-jährige Geschichte seit dem 13. Juli 1950 zurück, an dem der Vorgänger, das Institut für Härtereitechnik (IHT), in Bremen-Lesum gegründet wurde. Angesiedelt ist es heute in Form einer Stiftung des privaten Rechts (seit 1975) auf dem Campus der Universität Bremen (Technologiepark Bremen) als mit der Universität kooperierendes, aber eigenständiges Institut. Ein Geschäftsbereich des IWT ist die Amtliche Materialprüfungsanstalt (MPA) der Freien Hansestadt Bremen (seit 1986).


Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Produktionstechnik
FG Fertigungsverfahren, Öffentlichkeitsarbeit
Isabell Harder M. A.
Mail: harder@iwt-bremen.de
www.lfm.uni-bremen.d
www.euspen.eu

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution59

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Bremen, Eberhard Scholz, 10.05.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2012

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