Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2017
Implantate
Biomaterial ersetzt geschädigtes Gewebe
EU fördert ein Kieler Projekt zur Entwicklung neuer Implantate. Ziel: Aus der Grundlagenforschung zur Marktreife gelangen.
Wenn bei einem Herzinfarkt Zellen nicht mehr genügend Sauerstoff
erhalten, kann Muskelgewebe geschädigt werden oder sogar absterben.
Ein Forschungsteam der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU)
hat ein Material entwickelt, das geschädigtes Gewebe erneuern und zu
einer schnelleren Behandlung beitragen soll. Dabei macht es sich
zunutze, dass Zellen auf Reize ihrer Umgebung reagieren. In seinem
Aufbau und seiner Konsistenz ähnelt das neue Material der natürlichen
Umgebung von Zellen. Dadurch können Wissenschaftler das Verhalten von
Zellen beeinflussen und sie so etwa zum Wachsen anregen. In einem
Projekt will ein Forschungsteam um Professor Christine Selhuber-Unkel
das Material zur Marktreife bringen. Gefördert wird es vom
Europäischen Forschungsrat mit rund 150.000 Euro.
Wie sich Zellen des menschlichen Körpers verhalten, hängt auch von ihrer Umgebung ab. Über Rezeptoren an ihrer Oberfläche erkennen sie äußere mechanische Reize wie die Berührung anderer Zellen oder Oberflächen. Diese Informationen wandeln Zellen in biologische Prozesse um und beginnen, sich zu teilen, zu differenzieren oder zu wandern. Selhuber-Unkel und ihr Team am Institut für Materialwissenschaft haben ein Material entwickelt, mit dem sich dieser zelluläre Mechanismus imitieren lässt. Mit seiner Hilfe lässt sich das Verhalten von Zellen gezielt beeinflussen. Dieses Material könnte als Implantat in der regenerativen Medizin oder zur Lagerung von Zellen für die Stammzelltherapie genutzt werden. Mit der EU-Förderung will Selhuber-Unkel das Material jetzt weiterentwickeln und zur Marktreife bringen. Am Ende des Projektes soll ein biokompatibler Prototyp stehen, der sich kostengünstig für verschiedene Anwendungen produzieren lässt.
Das Besondere an dem neuen Material sind die verbundenen Hohlkanäle in seinem Inneren: Nur wenige Mikrometer breit durchziehen sie das weiche Hydrogel wie ein System feiner Gänge. Dieser Aufbau ähnelt dem Gerüst aus Proteinen, das Zellen im menschlichen Körper umgibt. Zellen, die in den Kanälen des Hydrogels platziert werden, reagieren über ihre Oberfläche auf das sie umgebende Material. Dessen Wirksamkeit wird verstärkt durch seine Dreidimensionalität. Denn in den feinen Kanälen sind die Zellen rundherum von dem Hydrogel umgeben. Auf diese Weise kommt es mit etwa 80 Prozent der Zelloberfläche in Kontakt, während es in flacher Form nur 50 Prozent berühren würde. "Mehr Kontakt bedeutet mehr Kontrolle", fasst Selhuber-Unkel ein grundlegendes Prinzip des Projektes "Channelmat" zusammen. (PM/RED)
150.000 Euro erhält das CAU-Forscherteam aus Mitteln des
Europäischen Forschungsrates. Ziel ist es, die Erkenntnisse aus der
Grundlagenforschung schneller zur Marktreife zu bringen.
Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2017
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Dezember 2017, Seite 27
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2018
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