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BERICHT/038: Das "Haus der Astronomie" (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 2/09 - Februar 2009
Zeitschrift für Astronomie

Das »Haus der Astronomie«
Auf dem Königstuhl bei Heidelberg entsteht ein neues Kommunikationszentrum

Von Jakob Staude


Hier sollen alle für die Öffentlichkeit bestimmten Aktivitäten der Heidelberger Astronomen gebündelt und professionalisiert werden: Wissensaustausch und Information der Bürger und der Medien sowie Arbeit mit Schülern, Lehrern und Lehramtsstudenten der Physik und Astronomie. Wie kam es zu dieser Entwicklung?


Auf dem Königstuhl stehen eng benachbart die Landessternwarte (LSW) und das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA). Ihre Öffentlichkeitsarbeit ist traditionell vielseitig, deren stärkstes Instrument ist die Zeitschrift »Sterne und Weltraum« (SuW), die hier seit 1962 monatlich entsteht.


Der Anfang im Stillen

Initiator der Zeitschrift war Hans Elsässer, zunächst Direktor der LSW und später Gründungsdirektor des MPIA. Er verfolgte damit ein zweifaches Ziel: den Nachwuchs an unsere Wissenschaft heranzuführen, die damals vor einem stürmischen Neubeginn stand, sowie bei den Bürgern das Verständnis für die damals anlaufenden Projekte der astronomischen Großforschung zu wecken und zu pflegen.

Damals wurden in schneller Folge mehrere astronomisch ausgerichtete Max-Planck-Institute gegründet und ausgebaut. Auch sollte sich Deutschland am Aufbau und Betrieb der neu gegründeten Europäischen Südsternwarte beteiligen. Und im selben Zeitraum nahmen mit der Gründung der DFVLR (heute DLR) und später der ESA auch die neuen Raumfahrtprogramme Gestalt an.

Der Neustart der astronomischen Forschung sollte einen Stillstand beenden, der in Deutschland seit Beginn des Ersten Weltkriegs anhielt. Es gab deshalb auch kaum Nachwuchs - es galt also, junge Wissenschaftler heranzubilden und die Öffentlichkeit »mitzunehmen«. Dabei kam einer im Sinne der besagten zweifachen Zielsetzung wirksamen Öffentlichkeitsarbeit entscheidende Bedeutung zu. Allerdings war diese Einsicht bei den Astronomen keineswegs verbreitet: Aus gutem Grund mahnte Bundeskanzler Helmut Schmidt wiederholt »die Bringschuld der Wissenschaftler« an - für die öffentliche Akzeptanz ihres Anliegens sind die Wissenschaftler selbst verantwortlich!

Hans Elsässer und seine Mitstreiter betrieben die Zeitschrift quasi als Privatvergnügen: Karl Schaifers, Astronom an der LSW, redigierte SuW von 1962 bis 1981 allein. Dabei war von Anfang an klar, welche Faszination die Astronomie auf die Öffentlichkeit ausübt. Neben den interessierten Forschern schrieben engagierte Amateure aus dem gesamten deutschen Sprachraum für SuW. Die Lehrerfortbildungen, öffentlichen Führungen und Tage der offenen Tür auf dem Königstuhl waren schon damals in der gesamten Region beliebt.


Aufschwung und Krise

Mit dem Anlaufen der neuen astronomischen Forschung traten unsere Wissenschaft und ihre Erfolge immer stärker ins öffentliche Bewusstsein. Deshalb entwickelte sich SuW schnell und erreichte zur Jahrtausendwende eine früher unvorstellbare Verbreitung von rund 22 000 verkauften Exemplaren, so dass unsere Redaktionsmannschaft kontinuierlich ausgebaut werden konnte. Schließlich gelang es uns im Jahr 2001, die Zeitschrift beim Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft in einem günstigen verlegerischen Umfeld anzusiedeln, wobei die Redaktion auf dem Königstuhl, mitten unter den forschenden Astronomen, verblieb.

Aber das Jahr 2001 markierte mit dem Erscheinen der ersten PISA-Studie auch den Ausbruch der gegenwärtigen, für das ganze Land gefährlichen Krise unseres Schulwesens: Wie die Studie zeigte, waren immer weniger Jugendliche dazu bereit, sich für die »harten Naturwissenschaften« zu engagieren. Deshalb musste der Unterricht für die Lehrer dieser Fächer besonders schwierig geworden sein. Andererseits übte SuW mit seinen astronomischen Inhalten und dem Originalton unserer Autoren offenbar auch auf jugendliche Leser eine ungebrochene Faszination aus. Die ursprüngliche Zielsetzung der Zeitschrift war demnach aktueller denn je, und ihr didaktisches Potenzial war nach wie vor lebendig. Dieser Befund führte uns dazu, das Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« (WiS!) zu entwickeln.


Das Schulprojekt

Dieses Schulprojekt hat das Ziel, die von den astronomischen Themen ausgehende Faszination für den naturwissenschaftlichen Unterricht nutzbar zu machen. Dazu stellen wir monatlich didaktische Materialien im Internet bereit, mit deren Hilfe die faszinierenden, in SuW dargestellten Themen der aktuellen Forschung im Unterricht der Mittel- und Oberstufe behandelt werden können.

Dies durchzuführen erfordert die volle Kraft eines professionellen Didaktikers. Wir fanden ihn in der Person Olaf Fischers, dem wir ab Januar 2005 eine von der Klaus Tschira Stiftung finanzierte Stelle anbieten konnten. Weil es sich damals als unmöglich erwies, diese Drittmittelstelle am MPIA anzusiedeln, brachten wir sie bei der Landesakademie für Lehrerfortbildung unter - mit dem glücklichen Effekt, dass Olaf Fischer die monatlich neu entwickelten Materialien sofort in zahlreichen Lehrerfortbildungen testen und bekanntmachen konnte. Dadurch wurde das Interesse für WiS! bald in zahlreichen Schulen und bei den Schulbehörden geweckt.


Heidelberger Entwicklungen

Mittlerweile hatte die Heidelberger astronomische Forschung einen starken Aufschwung erlebt. Das MPIA war unter der Leitung von Thomas Henning und Hans-Walter Rix in neue, weltweite Kollaborationen eingebunden, und die drei Universitätsinstitute (Astronomisches Rechen-Institut, Institut für Theoretische Astrophysik und Landessternwarte) waren organisatorisch zu einem starken »Zentrum für Astronomie Heidelberg« (ZAH) zusammengewachsen. Es kam zu einer engeren Zusammenarbeit von MPIA und ZAH im Rahmen internationaler Projekte, und entsprechend nahm die Bedeutung der Kommunikation mit anderen Wissenschaftlern und mit den Medien sowie der lokalen und regionalen Öffentlichkeitsarbeit unter tatkräftiger Mitwirkung von Klaus Jäger am MPIA und Holger Mandel an der LSW weiterhin zu. An der LSW hatte mittlerweile auch Cecilia Scorza die Astronomieschule e.V. etabliert, die vorwiegend Grundschüler betreut.


Das Wunder

Bald erwiesen sich die vorhandenen Strukturen als nicht mehr zweckmäßig, um alle an die Öffentlichkeit gerichteten Aktivitäten angemessen durchzuführen. Im Frühjahr 2007 taten wir uns im MPIA und im ZAH zusammen und formulierten das Konzept eines »Hauses der Astronomie« (HdA). Darin sollte es Räume für die regionale Öffentlichkeitsarbeit, die Schulprojekte, die Versorgung der Medien mit eigenen Pressetexten, Bildern und Filmen sowie für die SuW-Redaktion geben. In drei Seminarräumen sollte die Arbeit mit Schülern und Lehrern stattfinden, und über das ZAH sollten die Lehramtsstudenten für Physik und Astronomie der Universität in die Schulprojekte eingebunden werden. Schließlich sollte ein Hörsaal für Tagungen und Vorträge sowie für die Vorführung der neu entwickelten visuellen Materialien vorhanden sein.

Dieser Traum wurde alsbald in die Form eines Antrags an die Heidelberger Klaus Tschira Stiftung gebracht. Nach kurzer Zeit erhielten wir von dort die Zusage, unter der Voraussetzung, dass auch andere Träger sich an diesem neuartigen Gemeinschaftsprojekt beteiligen würden, den Bau des Hauses und dessen technische Einrichtungen zu finanzieren. Wie auf einer Pressekonferenz in den Räumen der Klaus Tschira Stiftung am 10. Dezember 2008 bekannt wurde, ist dies mittlerweile erreicht worden: Die Max-Planck-Gesellschaft wird die Einrichtung betreiben, zu den Personalkosten tragen neben ihr und der Klaus Tschira Stiftung auch die Stadt Heidelberg, das Land Baden-Württemberg und die Universität Heidelberg bei. Und natürlich werden sich das ZAH und das MPIA in die zukünftigen Aktivitäten des Hauses der Astronomie einbringen.

Der bereits weitgehend ausgereifte Entwurf des HdA stammt vom Darmstädter Architekturbüro Bernhardt + Partner. Baubeginn soll im Sommer 2009 sein, die Fertigstellung wird im Laufe des Jahres 2011 erfolgen. Bis dahin gilt es, die künftige Mannschaft des HdA aufzustellen und die Konzepte für dessen Betrieb weiter auszuarbeiten.

Die Geschichte bleibt spannend!


Der Autor Jakob Staude leitet die Öffentlichkeitsarbeit am MPIA.
Von 1981 bis 2007 war er Chefredakteur, seither ist er Mitherausgeber der Zeitschrift »Sterne und Weltraum«.


© 2009 Jakob Staude, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 2/09 - Februar 2009, Seite 30 - 31
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528-0, Fax: 06221/528-246
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69126 Heidelberg
Tel.: 06221/912 66 00, Fax: 06221/912 67 51
Internet: www.astronomie-heute.de

Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2009