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POLITIK/007: Inklusion ist ein Menschenrecht (spw)


spw - Ausgabe 2/2016 - Heft 213
Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft

Inklusion ist ein Menschenrecht

von Horst Frehe


Mit der Verabschiedung des "Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)" der Vereinten Nationen 2006 und ihrem Inkrafttreten nach Ratifizierung durch den Bundestag und Bundesrat 2009 hat die Diskussion um Inklusion neuen Schwung und eine neue Qualität gewonnen. Die UN-BRK ist damit für den Bund und die Länder zu einem verbindlichen Bundesgesetz geworden, das hinsichtlich der Diskriminierungsvorschriften unmittelbar anzuwenden ist und im Übrigen die Rechtsetzung und Rechtsprechung über das Benachteiligungsverbot Behinderter im Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) bindet. Dabei beschränkt sich die Debatte nicht nur auf eine inklusive Erziehung und Bildung. Es geht längst um die inklusive Gestaltung der gesamten Gesellschaft und ihrer sozialen Infrastruktur.

Was bedeutet "Inklusion" für die Gestaltung der Behindertenpolitik?

Die Forderung nach Inklusion - als Gegensatz von Ausschluss - reagiert auf eine immer noch gängige Praxis, Menschen mit Behinderungen aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, sie gesonderten und aussondernden Institutionen zu überantworten, physische und kommunikative Zugangsbarrieren für eine gleiche Teilhabe aufzubauen, die Beeinträchtigung behinderter Menschen als "vermeidbares Übel" zu propagieren und ihnen Mitleid für ihr "schweres Schicksal" und Fürsorge in einem (aus-)gesonderten Setting entgegenzubringen. Die UN-BRK selbst definiert nur indirekt den Begriff Inklusion, indem sie

  • den Ausschluss Behinderter aus dem öffentlichen Leben in Artikel 2 als Diskriminierung geißelt,
  • die Barrierefreiheit als Zugangsvoraussetzung für eine unabhängige Lebensführung und volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Artikel 9 voraussetzt,
  • die selbstbestimmte Lebensführung in einem inklusiven Gemeinwesen in Artikel 19 mit dem Zugang zu den benötigten Unterstützungssystemen einfordert und das Verbot der Verweisung auf Sondereinrichtungen ausspricht,
  • das Recht auf eine inklusive lebenslange Bildung in Artikel 24 verankert,
  • einen offenen, inklusiven und zugänglichen Arbeitsmarkt in Artikel 27 einfordert, auf dem behinderte Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen können,
  • das Recht auf eine gleichberechtigte Teilnahme am kulturellen Leben in Artikel 30 zusichert
  • und die Sicherstellung der Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben in Artikel 29 vorschreibt.

In all diesen Bereichen haben wir in Deutschland auf Grund unserer Geschichte des Ausschlusses Behinderter bis hin zu ihrer Vernichtung einen hohen Nachholbedarf an inklusiver und diskriminierungsfreier Ausgestaltung der Teilhabemöglichkeiten. Das bedeutet, dass eine auf die Organisation des Bildungssystems beschränkte Diskussion sich ebenso verbietet wie die alleinige Orientierung auf physische Barrieren oder andere Zugangshindernisse. Grundsätzlich ist "Inklusion" auch kein behindertenspezifisches Thema, sondern ein Strukturprinzip, das z.B. die Einbeziehung von Flüchtlingen, von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Ethnie, von Alten und Pflegebedürftigen, von angestammten Bewohnerinnen und Bewohnern mit den Neuhinzugezogenen, die Berücksichtigung von Einkommensunterschieden und Lebenssituationen in den Quartieren sowie die Gendergerechtigkeit voraussetzt. Dieses Gestaltungsprinzip ist aber besonders im Behinderungsbereich Neuland, der bisher von dem "Integrations- und Rehabilitationsansatz" geprägt war. Danach erbringt die Mehrheitsgesellschaft Leistungen für behinderte Menschen, damit sie sich in die bestehende Gesellschaft eingliedern können. Sie sind es, die die Anpassungsleistungen zu erbringen haben. Ihr vorgängiger Ausschluss wird nicht in Frage gestellt. Dagegen fordert der Inklusionsansatz die Veränderung der gesamten Gesellschaft, ihrer tradierten Vorstellungen und Vorurteile, die Beseitigung von Zugangsbarrieren und Ausschlussmechanismen sowie die Berücksichtigung der Bedarfe von Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Anforderungen an eine Gestaltung des sozialen Gemeinwesens.

Welche vorrangigen Politikfelder müssen inklusiv umgestaltet werden?

Bereits bei der Definition der "Behinderung" in der Präambel unter e) und in Artikel 1 Satz 2 legt die UN-BRK den Grundstein für eine andere Sichtweise auf dieses Phänomen: Behinderung ist danach die Wechselwirkung der Beeinträchtigungen Behinderter mit den einstellungs- und umweltbedingten Barrieren. Vereinfacht: Man ist nicht behindert, man wird behindert! Daraus folgt, dass nicht die behinderten Menschen im Fokus stehen, sondern die sie behindernden Vorurteile, Einschränkungen und Strukturen. Damit müssen abwertende Einstellungen, diskriminierende Verhaltensweisen und ausgrenzende Strukturen sichtbar gemacht und überwunden werden.

Der Diskriminierungsschutz und die Barrierefreiheit müssen ausgeweitet werden.

Das bedeutet eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes, der sich nicht nur auf den öffentlichen Bereich beschränken darf. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) beschränkt sich aber auf den öffentlichen Bereich. Nur eine weitgehend wirkungslose Bestimmung über die Zielvereinbarung ( 5 BGG) verpflichtet die Privaten mit den Behindertenverbänden über die Beseitigung von Barrieren zu verhandeln. Zu einem Abschluss einer Vereinbarung sind sie nicht verpflichtet. Die UN-BRK sieht aber die Verpflichtung zu "angemessenen Vorkehrungen" für alle Anbieter von Leistungen vor, öffentliche wie private. Bei den "angemessenen Vorkehrungen" geht es nicht um ruinöse Anforderungen an die Barrierefreiheit. Es kann nur das gefordert werden, was den Verpflichteten nicht unbillig belastet oder finanziell überfordert. Das können die Beseitigung einer Eingangsstufe bei einem Restaurant oder eines Drehkreuzes im Laden, die Mitnahmeverpflichtung von Blindenführ- und Assistenzhunden in Taxis, der Verzicht von Frames bei der Gestaltung einer Web-Site, die Stellung eines Gebärdensprachdolmetschers oder Schriftmittlers bei einer öffentlichen Veranstaltung, die Untertitelung oder Audiodeskription von Spielfilmen privater Fernsehprogramme, die Erläuterung und Übertragung schwieriger Texte in leichte Sprache etc. sein. Deutschland wurde nach dem ersten Staatenbericht über die Umsetzung der UN-BRK von dem Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Ausschuss) in seinen "Abschließenden Bemerkungen" vom 13.4.2015 dafür gerügt, dass der private Bereich bei der Verpflichtung zur Barrierefreiheit nicht einbezogen worden ist. Dieses ist auch im gegenwärtigen Novellierungsgesetz zum BGG nicht vorgesehen. Dabei könnte die Verpflichtung Privater mit einer Aufnahme der Versagung "angemessener Vorkehrungen" als Benachteiligung Behinderter im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und der Einführung des Schlichtungsverfahrens bei der Verweigerung angemessener Vorkehrungen im BGG ohne Risiko geregelt werden. Offensichtlich fehlt der Bundesregierung das Bewusstsein für die Bedeutung der Barrierefreiheit der von Privaten beherrschten Infrastruktur. Ein inklusives Gemeinwesen setzt aber die vollständig barrierefreie öffentliche Infrastruktur des Umfeldes voraus.

Der Arbeitsentwurf zum Bundesteilhabegesetz überwindet nicht die Ausgrenzung.

Mit dem "Arbeitsentwurf für ein Bundesteilhabegesetz (BTHG)" verspricht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine "Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung" - so der Untertitel des Entwurfes. Tatsächlich droht die Einschränkung der Teilhabe und Selbstbestimmung durch das neue Gesetz. Dort wird das Wunsch- und Wahlrecht für die Leistungen der Eingliederungshilfe eingeschränkt, die Auswahlmöglichkeit verschiedener Unterstützungsleistungen auf den preisgünstigsten Anbieter beschränkt, eine Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Organisation der Hilfeleistungen bei ehrenamtlichen Tätigkeiten und die Beschränkung auf den Kostenersatz für Angehörige eingeführt und damit die Möglichkeit der "Persönlichen Assistenz" abgeschafft und mit Pauschalvergütungen eine individuelle und bedarfsgerechte Organisation der Hilfen durch die Bevorzugung heimähnlicher Strukturen verhindert. Die vorgesehenen Regelungen verstoßen eindeutig gegen Artikel 19 UN-BRK, der eine bedarfsgerechte individuelle Unterstützung in der eigenen Wohnung, insbesondere in der Form der "Persönlichen Assistenz", einfordert und die Verweisung auf eine Unterbringung in einer Behinderteneinrichtung gegen den eigenen Willen verbietet. Auch die Erbringung von Leistungen der sozialen Teilhabe ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen, die Behinderte erst in die Lage versetzt, in gleicher Weise am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, wird nicht eingelöst und bei einem zusätzlichen Pflegebedarf auf das bisherige Sozialhilfeniveau zurückgeführt. Der Verzicht auf die Einkommens- und Vermögensheranziehung würde nach Einschätzung der Unterarbeitsgruppe Quantifizierung ca. 200 Millionen Euro ausmachen (vgl. Protokoll vom 5.2.2015 S. 2). Berücksichtigt man, dass diese Summe nur ca. 1,5 Prozent der Kosten der Eingliederungshilfe ausmacht, wird die kleinkarierte Haltung der Leistungsträger (Länder und Kommunen) deutlich. Der Entwurf setzt nicht Artikel 19 UN-BRK um, sondern verstärkt die Benachteiligung und Ausgrenzung Behinderter.

Die inklusive Lösung in der Kinder- und Jugendhilfe ist noch nicht in Sicht

Gleichzeitig wird vom Bundesfamilienministerium an einer inklusiven Lösung für die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche gearbeitet. Wenn Kinder nicht mehr in "Sonder"-Kindergärten sondern inklusiv gefördert und erzogen werden sollen, muss dieses verpflichtend und nicht nur als Option im Kinder- und Jugendhilferecht des SGB VIII verankert werden. Eine Trennung der Zuständigkeiten für behinderte und nichtbehinderte Kinder ist ebenso zu überwinden wie die Trennung zwischen geistig und körperlich und seelisch beeinträchtigten Kindern, wie sie derzeit geregelt ist. Eine inklusive Praxis der Kinder- und Jugendhilfe kann nur entstehen, wenn sie für alle Kinder und Jugendlichen zuständig ist - unabhängig vom Vorliegen, der Schwere und Form der Beeinträchtigung. Das setzt auch eine enge Verzahnung der Hilfe zur Erziehung mit denen der Eingliederungshilfe voraus. Eine inklusive Jugendarbeit der freien Jugendhilfeträger muss gesetzlich verankert werden. Bisher sind diese Angebote weitgehend exklusiv. Da Kinder- und Jugendhilfe zum Schutz der Kinder in die Erziehungshoheit der Eltern eingreifen kann, bedarf es einer klaren Abgrenzung der Vorschriften zur Inobhutnahme des Jugendamtes bei Gefährdung des Kindeswohls zu dem zu kodifizierenden Rechtsanspruch der behinderten Eltern auf Elternassistenz und begleitete Elternschaft. Es geschieht immer noch häufig, dass insbesondere Eltern mit einer geistigen Beeinträchtigung und reduzierter Erziehungskompetenz das Kind weggenommen und Pflegeeltern übergeben wird. Der Unterstützungsanspruch der Eltern muss Vorrang vor externer Unterbringung haben und darf nur versagt werden, wenn das Kindeswohl es gebietet. Nach Artikel 23 Absatz 4 UN-BRK gewährleisten die Vertragsstaaten, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, es sei denn mit einer gerichtlichen Entscheidung zum Kindeswohl. Zur Inklusion und Teilhabe gehört, dass behinderte Menschen ohne Einschränkungen und Nachteile heiraten und eine Familie gründen dürfen. Das ist gegenwärtig nicht sichergestellt.

Inklusive Bildung setzt die Reform der Länder-Schulgesetze voraus.

Insbesondere bei der Regelung der Schulassistenz zum Besuch einer allgemeinen Schule muss sichergestellt werden, dass die inklusive Beschulung als Aufgabe und Finanzierung nicht auf die Sozial- und Jugendhilfeträger abgeschoben wird, sondern die Herstellung inklusiver Bedingungen für den gemeinsamen Unterricht eine Aufgabe der Schule wird. Die inklusive Ausrichtung der Schulorganisation und Anpassung der Schulgesetze auf Landesebene muss die Umwandlung aller Schulen zu inklusiven Schulen vorsehen. Z.B. muss eine enge Verknüpfung von inklusivem Unterricht und weiteren Förderangeboten in der Ganztagsschule erfolgen. Wenn der Unterricht in der gebundenen Ganztagsschule inklusiv ist, muss dieses auch für die erweiterten Angebote gelten, sowohl für die Freizeitangebote als auch für die "heilpädagogische" Förderung. Eine solche Lösung kann nur parallel und verzahnt mit dem Gesetzgebungsverfahren zum BTHG erfolgen. Es liegt der Öffentlichkeit aber bisher nicht einmal ein Arbeitsentwurf für die Reform des Kinder- und Jugendhilferechts vor. Völlig unklar bleibt, wie die Länder bei der Reform ihrer Schulgesetze eingebunden werden. Der UN-Ausschuss zeigte sich besorgt darüber, dass der Großteil der behinderten Schülerinnen und Schüler in segregierten Förderschulen unterrichtet wird und forderte eine Strategie, in allen Bundesländern ein inklusives Bildungssystem umzusetzen. Er empfiehlt, die Regelschulen sofort zu verpflichten, behinderte Kinder aufzunehmen und dieses Recht als klagbaren Anspruch auszugestalten. Die Verweigerung inklusiver Bildung ist eine Diskriminierung und Verletzung von Artikel 24 UN-BRK, gegen die auch ohne eine weitere Umsetzung in nationales Recht direkt geklagt werden kann. Eine Novellierung der Schulgesetze der Länder ist daher eine vordringliche Aufgabe zur Umsetzung der Inklusion.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf eine inklusive Beschäftigung.

In Art. 27 Abs. 1 Satz 1 UN-BRK wird ein weitreichender Anspruch behinderter Menschen auf Teilhabe am Arbeitsleben formuliert. Sie haben danach das gleiche Recht auf Arbeit mit einem Arbeitseinkommen, das für den Lebensunterhalt ausreicht, in einem offenen, integrativen (inklusiven) und zugänglichen Arbeitsmarkt. Der weitgehende Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt und die Zuweisung zu Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ohne Chance auf ein angemessenes Einkommen sind damit konventionswidrig. Der UN-Ausschuss fordert daher, dass Arbeitsplätze insbesondere für behinderte Frauen geschaffen und WfbM sukzessiv abgeschafft werden. Daher steht die Aufgabe, die WfbM mindestens "nach oben" zu öffnen und Instrumente für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Es wurde bereits die "Unterstützte Beschäftigung" im SGB IX eingeführt. Dieses Instrument führt aber bisher ein Schattendasein, da die Anforderungen an die Förderung zu hoch sind und die finanzielle Ausstattung zu niedrig ist. Als weiteres Instrument soll mit dem BTHG das "Budget für Arbeit" kodifiziert werden. Auch wenn die Einführung des Budgets für Arbeit ein deutlicher Fortschritt ist, bleibt es ein Einsparungskonzept. Es wird kaum wirksam sein, wenn die eingesparten Aufwendungen der Grundsicherung und der Rentenversicherungsbeiträge des Bundes, die er bei einer Beschäftigung in der WfbM zu leisten hätte, nicht in das Budget für Arbeit einfließen. Der Zuschuss an den Arbeitgeber soll lediglich maximal 75 Prozent des Arbeitsentgeltes, maximal 1.200 EUR betragen, und nicht - wie bei den Modellversuchen - 70 Prozent des Arbeitgeber-Bruttolohnes des behinderten Beschäftigten. Der Bund spart ein und nimmt den Fehlschlag dieses Instruments in Kauf! Damit verfestigt er die Exklusion aus dem Arbeitsmarkt. Der Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt wird sogar erweitert, weil der Entwurf andere Beschäftigungsträger neu einbezieht, die behinderte Menschen nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigen, sondern ihnen nur den Werkstattstatus anbieten sollen.

Mindestlohn für Werkstattbeschäftigte

Auch bei einer Beschäftigung in der WfbM müsste über den Mindestlohn als Entgelt nachgedacht werden. Dieses ist auch finanzierbar! Der Bund leistet gegenwärtig ca. 1,1 Milliarden Euro für Rentenversicherungsbeiträge der WfbM-Beschäftigten und weitere 1,2 Milliarden Euro für ihre Grundsicherung, soweit sie noch keine Erwerbsminderungsrente beziehen, die sie erst nach 20 Jahren WfbM-Beschäftigung erhalten. Würden die eingesparten Rentenversicherungsbeiträge und Grundsicherungsleistungen in einen Zuschuss zu einem sozialversicherungspflichtigen Mindestlohn fließen, könnte mit einer geringen zusätzlichen Förderung der Mindestlohn für die ca. 260.000 WfbM-Beschäftigten gezahlt werden. Damit würde der Forderung der UN-BRK nach einem auskömmlichen Lohn Rechnung getragen, auch wenn die Beschäftigung noch nicht inklusiv wäre.

Inklusion setzt eine barrierefreie Infrastruktur voraus

Soziale Inklusion ist aber auch ein Thema des allgemeinen Wohnungsbaus, der Verkehrsinfrastruktur, der kulturellen und Freizeitangebote und der Unterstützung in der eigenen Wohnung. Sie ist ein Strukturprinzip, das in Zukunft in allen Lebensbereichen zu verwirklichen ist. Sie wird die Aufgabe der Politik in den kommenden Jahren sein. Die Frage des "Ob" ist spätestens durch die UN-BRK entschieden, die als geltendes Recht umzusetzen ist. Die Frage des "Wie" und der Beteiligung der Interessensverbände behinderter Menschen - wie es Artikel 29 vorsieht - wird eine politische Gestaltungsaufgabe der nächsten Jahre sein.


Horst Frehe ist Richter am Sozialgericht a.D. und Staatsrat für Soziales a.D., Sprecher des Forums behinderter Juristinnen und Juristen. Er ist Aktivist der Selbstbestimmt Leben-Bewegung.

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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 2/2016, Heft 213, Seite 46-50
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2016

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