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BUNDESTAG/9930: Heute im Bundestag Nr. 623 - 17.06.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 623
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 17. Juni 2020, Redaktionsschluss: 15.07 Uhr

1. Reform der Patientenberatung empfohlen
2. Corona-Steuerhilfegesetz umstritten
3. Rechtsbeistand für Entwicklungsländer
4. FDP will Corona-Verordnungen erhalten
5. FDP will epidemische Lage aufheben


1. Reform der Patientenberatung empfohlen

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten empfehlen eine Neuorganisation der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Die Vergabe des Auftrags an ein gewinnorientiertes Unternehmen wird ebenso kritisiert wie die Finanzierungsgrundlage. Die in der Sache kritischen Experten forderten anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zu einem Antrag der Linksfraktion am Mittwoch im Bundestag eine neue gesetzliche Grundlage für die UPD. Die Sachverständigen äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen.

Die Linksfraktion fordert in ihren Antrag (19/14373) einen Trägerwechsel für die UPD. Die UPD sollte dauerhaft in die Hände derjenigen Patientenorganisationen gelegt werden, die mit institutioneller Patientenberatung beschäftigt seien. Zugleich sollte auch die Finanzierung dauerhaft gewährleistet sein, um Kontinuität und Qualität zu gewährleisten. Statt aus Versichertengeldern (Gesetzliche Krankenversicherung/GKV) sollte die UPD aus Steuergeldern finanziert werden.

Seit Januar 2016 betreibt die Callcenter-Firma Sanvartis die UPD. Zuvor wurde der Auftrag von einer Bietergemeinschaft aus Sozialverband VdK, Verbraucherzentrale Bundesverband und Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) wahrgenommen.

Der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Rolf Rosenbock, sprach sich dafür aus, zur "alten" UPD zurückzukehren. Die Ausschreibung der Leistungen auf Zeit unter Beteiligung gewinnwirtschaftlicher oder abhängiger Bieter und Akteure habe sich nicht bewährt. Als Träger kämen nur gemeinnützige Organisationen der Zivilgesellschaft infrage.

Ähnlich argumentierte der Gesundheitsexperte Stefan Etgeton, der die finanzielle und strukturelle Anbindung der UPD an die GKV als "Webfehler" kritisierte. Die UPD gerate so in eine strukturelle Abhängigkeit zu einem wesentlichen Akteur im Gesundheitswesen. Dieses ungelöste Problem laste auf der Glaubwürdigkeit des Angebots.

Der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen und Initiativen (BAGP), Gregor Bornes, erklärte als Einzelsachverständiger, die Beratungszahlen der UPD seien immer noch niedrig und mit rund 130.000 Beratungen 2019 weit entfernt von den in der Ausschreibung zugesagten 220.000 Beratungen pro Jahr. Durch die Privatisierung habe die UPD einen massiven Vertrauensverlust erlitten.

UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede zog hingegen ein positives Fazit. Die Ratsuchenden könnten sich darauf verlassen, dass es keinen Einfluss von Leistungserbringern oder Kostenträgern auf die Beratung gebe. Die wissenschaftliche Begleitung zeige, dass die Bürger mit der Beratung sehr zufrieden seien und insbesondere die telefonische Erreichbarkeit gut sei. Bedingt durch die Corona-Krise, hätten sich in den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 besonders viele Menschen an die UPD gewandt.

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2. Corona-Steuerhilfegesetz umstritten

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Das von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachte Zweite Corona-Steuerhilfegesetz (19/20058) ist von den Oppositionsfraktionen im Finanzausschuss am Mittwoch in einer ersten Beratung aus unterschiedlichen Gründen mit scharfer Kritik bedacht worden. Um die aufgrund der Corona-Pandemie geschwächte Kaufkraft zu stärken und Unternehmen mit gezielten Maßnahmen zu unterstützen, ist in dem Entwurf unter anderem eine befristete Senkung der Umsatzsteuersätze vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 vorgesehen. Der Steuersatz soll in diesem Zeitraum von 19 auf 16 Prozent abgesenkt werden, der ermäßigte Steuersatz von sieben auf fünf Prozent.

Außerdem soll für jedes im Jahr 2020 kindergeldberechtigte Kind ein einmaliger Kinderbonus von 300 Euro gewährt werden. Zu den die Wirtschaft betreffenden steuerliche Maßnahmen gehören die Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer, die Erweiterung der Möglichkeit zum steuerlichen Verlustrücktrag für die Jahre 2020 und 2021 von fünf Millionen Euro beziehungsweise zehn Millionen Euro bei Zusammenveranlagung. Außerdem will die Koalition eine degressive Abschreibung in Höhe von 25 Prozent für Wirtschaftsgüter einführen, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt werden, und die Forschungsförderung verbessern.

Die CDU/CSU-Fraktion erklärte in der von der Ausschussvorsitzenden Katja Hessel (FDP) geleiteten Sitzung, das Gesetz enthalte viele gute Wirtschaftsförderungsmaßnahmen. Die Änderung der Mehrwertsteuer sei eine Herausforderung für die Unternehmen. Diskussionsbedarf gebe es noch beim Kinderbonus, der auch bei den Kindern ankommen müsse. Außerdem müssten EU-Fragen bei der Forschungszulage geklärt werden.

Die SPD-Fraktion stellte fest, in einem ersten Schritt sei bereits ein riesiges Programm gemacht worden. Jetzt folge der zweite Schritt. Die Senkung der Umsatzsteuer sei eigentlich eine kluge Maßnahme, müsse aber von den Unternehmen weitergegeben werden.

"Die Euphorie können wir nicht teilen", stellte ein Vertreter der AfD-Fraktion fest. Zwar sei eine Reihe von Maßnahmen wie die Eweiterung des Verlustrücktrags zu begrüßen, aber die Umsatzsteuersenkung sei ungeeignet, die Wirtschaft in Gang zu bringen. Die Koalition verfolge eine völlig untaugliche Strategie.

Die FDP-Fraktion erinnerte darn, dass sie eine Erweiterung der Verlustrückträge längst gefordert habe. In diesem Bereich sei die Koalition auf dem richtigen Weg. Beim Kinderbonus werde es aber zu Problemen kommen, da es selbst schon in mittleren Einkommensbereichen zu einer Verrechnung mit dem Kinderfreibetrag kommen werde und diese Familien damit oft leer ausgingen. Die Mehrwertsteuersenkung bezeichnete die FDP-Fraktion angesichts von geschätzten Umstellungskosten bis zu zehn Milliarden Euro als "krasses Bürokratieprojekt". Der Hauptfehler des Steuergesetzes sei jedoch, die direkten Steuern wie den Solidaritätszuschlag nicht anzufassen.

Die Faktion Die Linke bezeichnete ein Konjunkturpogramm als erforderlich. Es gebe im Paket der Koalition sinnvolle Aspekte wie den Kinderbonus. Gelobt wurde zudem der Verzicht auf eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor. Bei der Umsatzsteuer sei allerdings unklar, inwieweit die Senkung weitergegeben werde. Gebraucht werde ein dauerhaftes öffentliches Investitionsprogramm und eine Entlastung der Kommunen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte: "Die Mehrwertsteuersenkung überzeugt uns definitiv nicht." Es gebe zahlreiche offene Fragen rund um die Mehrwertsteuer, zum Beispiel im Verlagsbereich und bei der Personenbeförderung.

Der Finanzausschuss beschloss die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf, die am Montag, dem 22. Juni, stattfinden wird.

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3. Rechtsbeistand für Entwicklungsländer

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Die Mitglieder des Entwicklungsausschusses befürworten einen Beitritt Deutschlands als Vollmitglied zum Beratungszentrum für das Recht der Welthandelsorganisation (WTO, ACWL). Einem entsprechenden Gesetzentwurf (19/19384) der Bundesregierung, der dafür die rechtlichen Grundlagen legt, stimmten die Fraktionen mit einer Gegenstimme in der Sitzung am Mittwochmorgen zu.

Deutschland ist seit 2017 einziges assoziiertes Mitglied des ACWL, dem außerdem elf Industrieländer und 37 Entwicklungsländer als Vollmitglieder angehören. Das 1999 gegründete und von der WTO unabhängige Zentrum leistet Entwicklungs- und Schwellenländern anwaltlichen Beistand in Handels-Streitbeilegungsverfahren und organisiert Kurse in WTO-Recht.

Das Zentrum sei "international anerkannt für seine guten und kostengünstigen Leistungen" für Entwicklungsländer, betonte die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Maria Flachsbarth (CSU). Seit seiner Gründung habe es diese in 65 Streitbeilegungsverfahren unterstützt. Eine Vollmitgliedschaft biete größere Gestaltungsmöglichkeiten für Deutschland und stärke das multilaterale regelgebundene Handelssystem, zeigte sie sich überzeugt.

Es sei gut, die Kapazitäten der Entwicklungsländer bei Verhandlungsrunden der WTO zu stärken, urteilte auch ein Vertreter der SPD. Aus der Union hieß es, die Unterstützung in Rechtsfragen sei wichtig, um in Handelsfragen ein Gleichgewicht zwischen Industrie- und Entwicklungsländern herzustellen und Interessen gleichberechtigt und kooperativ zu verhandeln. Beide zeigten sich wie die übrigen Fraktionen verwundert darüber, dass Deutschland dem ACWL erst 2017 beigetreten ist.

Die AfD-Fraktion interessierte sich für die konkrete Inanspruchnahme des Beratungszentrums und bestehende Lücken bei der Rechtsdurchsetzung. Ein Vertreter der FDP betonte, es brauche rechtssichere Regeln für den freien Handel, um größtmögliche Gleichheit auf dem Markt herzustellen. Er lobte, mit Deutschland als ACWL-Vollmitglied könnten die Kapazitäten des Zentrums erhöht werden.

Auch nach Ansicht der Linksfraktion besteht ein großer Bedarf an den Leistungen des Beratungszentrums. Der rechtliche Beistand helfe, Augenhöhe zwischen Industrie- und Entwicklungsländern herzustellen. Bündnis 90/Die Grünen verwiesen wie die SPD auf die langjährige Schwächung der WTO, etwa durch bilaterale Handelsverträge. Es sei positiv, dass die Weltgemeinschaft inzwischen die Notwendigkeit einer multilateralen Organisation für Handelsrecht erkannt habe.

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4. FDP will Corona-Verordnungen erhalten

Gesundheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Die FDP-Fraktion will die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag aufheben, ohne dass zugleich die in der Folge erlassenen Rechtsverordnungen und Anordnungen außer Kraft treten. Zu den weiterhin erforderlichen Regelungen zähle etwa die Unterstützung von medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen, heißt es in einem Gesetzentwurf (19/20042) der Fraktion.

Die Regelungen seien außerhalb einer epidemischen Lage vom Parlament zu treffen. Für ein solches Gesetzgebungsverfahren müsse eine Übergangsregelung geschaffen werden, mit der die Rechtsverordnungen und Anordnungen bis zum 30. September 2020 in Kraft blieben.

Die Abgeordneten schlagen vor, den Passus im Gesetz, wonach die Rechtsverordnungen und Anordnungen mit Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ebenfalls außer Kraft treten, befristet bis zum 30. September zu streichen. Die Rechtsverordnungen und Anordnungen blieben bis dahin in Kraft, sofern sie nicht vom Bundesgesundheitsminister aufgehoben würden.

Der Bundestag hatte am 25. März eine epidemische Lage von nationalem Ausmaß festgestellt. Der Bundestag hebt die Feststellung der epidemischen Lage wieder auf, wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen.

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5. FDP will epidemische Lage aufheben

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Die FDP-Fraktion fordert, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufzuheben. Die Voraussetzungen für diese Feststellung, die der Bundestag am 25. März 2020 getroffen hat, lägen nicht mehr vor, heißt es in einem Antrag (19/20046) der Fraktion.

Laut Gesetz hebe der Bundestag die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder auf, wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorlägen. Daraus ergebe sich die Pflicht des Parlaments, die Voraussetzungen der Feststellung regelmäßig zu überprüfen.

Die Gefahr einer Destabilisierung des Gesundheitssystems bestehe nicht mehr. Statt einer dynamischen Entwicklung gebe es ein tendenziell abnehmendes Infektionsgeschehen. Die Infektionszahlen seien insgesamt drastisch zurückgegangen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 623 - 17. Juni 2020 - 15.07 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2020

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