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AFRIKA/1068: D. R. Kongo - soziale Programme fehlen, Klagen über unglaubwürdige Wahlversprechen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. November 2011

D. R. Kongo: Soziale Programme fehlen - Klagen über unglaubwürdige Wahlversprechen

von Emmanuel Chaco und Grit Porsch


Kinshasa, Berlin, 14. November (IPS) - In der Demokratischen Republik Kongo (DRC) stehen am 28. November Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an. Für Joe Mazambi aus dem östlichen Kindu ist es einerlei, welche Partei letzten Endes den Sieg davontragen wird. "Fünf Jahre nach den letzten Wahlen gibt es hier bei uns immer noch keine Straßen und nur wenige Schulen. Die meisten jungen Leute sind arbeitslos, und im staatlichen Hospital kann man nur sterben", stellt er fest.

Auch Mastaki Mushosi, ein führender Vertreter der Nationalen Gewerkschaft katholischer Lehrer in der DRC, hält nichts von der "demagogischen Wahlpropaganda", mit der die 417 Parteien und ihre 19.000 Kandidaten sich um einen der 500 Sitze im Parlament bewerben. Mehr als 32 Millionen Kongolesen haben sich in die Wahllisten eingetragen. "Keine Partei hat ein soziales Programm. Niemand spricht davon, dass Staatsangestellte, Ärzte, Krankenschwestern und Lehrer seit Monaten kein Gehalt bekommen", erklärt er.

Einen echten Wahlkampf können sich nur die großen, finanzstärksten politischen Parteien leisten, allen voran die dem amtierenden Staatspräsidenten Joseph Kabila nahe stehende Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie (PPRD), die Union für eine kongolesische Nation (UNC) und die Union der Kräfte des Wandels (UFC) des Senatspräsidenten Léon Kengo wa Dondo.

Ende Oktober hatte die Afrikanische Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte festgestellt: "Nur Parteiaktivisten der PRRD und der UFC und deren engste Gefolgsleute können einen eigenen Wahlkampf finanzieren, möglicherweise nicht zuletzt dank ihrer lukrativen Posten in Einrichtungen der Regierung."


Wirtschaftswachstum

Obwohl das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) die ressourcenreiche DRC auf ihrem diesjährigen Wohlstandsindex als Schlusslicht von 169 Staaten aufführt, rechnet die Weltbank ungeachtet aller politischen Turbulenzen und Sicherheitsdefizite mittelfristig mit einer positiven Wirtschaftsentwicklung des Landes. Das Wirtschaftswachstum hat sich von 2,9 Prozent (2009) inzwischen deutlich auf fast sieben Prozent verbessert. Die Inflationsrate, die 2009 noch bei 53,4 Prozent lag, verringerte sich 2010 auf weniger als zehn Prozent.

Analysten der Weltbank errechnen in den nächsten Jahren für den Kongo ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von rund sieben Prozent. Sie verweisen auf einen Anstieg bei den Investitionen und auf die einträgliche Bergbauindustrie. Auch staatliche Projekte und der öffentliche Dienst leisteten einen wichtigen Beitrag zu dieser positiven Entwicklung, betonen die Banker.

Doch bei der Bevölkerung ist bislang wenig davon angekommen. Das Pro-Kopf-Einkommen ist zwar gestiegen, fällt aber mit 220 US-Dollar weiterhin sehr bescheiden aus. Dabei hatte Kabilas Partei der PRRD 2005 bei ihrem Wahlkampf versprochen, für mehr Arbeitsplätze, eine Verbesserung der Infrastruktur und der Wohnsituation, die Versorgung mit Strom und Trinkwasser sowie für ein besseres Gesundheits- und Bildungssystem zu sorgen.

"Angesichts der allgemein herrschenden Armut im Land sollten die Wahlkandidaten nicht länger Dinge versprechen, die sie schon 2005 nicht umgesetzt haben", meint Espérance Mawazo, Direktorin der zivilen Beobachtungsstelle für Parität im ostkongolesischen Bukavu. Auch die versprochene Gendergleichheit in öffentlichen Institutionen lasse auf sich warten, kritisiert die Aktivistin.

Nach Angaben des unabhängigen Ständigen Rahmens für Dialog für kongolesische Frauen gehörten bislang nur 42 (8,4 Prozent) Frauen dem 500-köpfigen Parlament an. Dass sich an dieser Unterrepräsentation nach den diesjährigen Wahlen etwas ändert, ist kaum zu erwarten, denn lediglich knapp zwölf Prozent der von den Parteien aufgestellten Kandidaten sind Frauen.


Anstieg der politischen Gewalt

Ein vorrangiges Problem ist derzeit jedoch der alarmierende Anstieg politisch motivierter Gewalt. In einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht haben das Gemeinsame UN-Menschenrechtsbüro in Genf (UNJHRO) und die UN-Mission im Kongo (MONUC) 188 Menschenrechtsverletzungen aufgelistet, die zwischen November letzten Jahres und September 2011 registriert wurden und vor allem den Sicherheitskräften zur Last gelegt werden.

Die UN-Einrichtungen warnen auch vor der während des Wahlkampfs eingeschränkten Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Land. "Alle diese von uns dokumentierten Einschüchterungen, Drohungen, Hetzkampagnen, willkürlichen Festnahmen und Gewalt, die Wähler in Angst und Schrecken versetzen, sind nicht hinnehmbar", so die UN-Menschenrechtshochkommissarin Navi Pillay.

Angesichts der zunehmenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen politischen Gegnern erinnerte ein Bündnis von 41 Nichtregierungsorganisationen zu Beginn des Wahlkampfs die internationale Gemeinschaft an ihre Verantwortung, den ordnungsgemäßen Verlauf der Wahlen strikt zu kontrollieren. So meinte Paul Nsapu, Vorsitzender der Liga der Wähler und Generalsekretär der Internationalen Liga für Menschenrechte: "Die internationale Gemeinschaft, die die DRC mit Milliardenbeträgen unterstützt, sollte nicht zulassen, dass gefälschte oder schlecht durchgeführte Wahlen neue Gewalt auslösen und damit das bisher Erreichte zerstören." (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.ohchr.org/EN/Countries/AfricaRegion/Pages/ZRIndex.aspx
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105561
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105794

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2011