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AFRIKA/1073: Juju und das neue Südafrika (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2011

Juju und das neue Südafrika
Chef der ANC-Jugendliga spaltet die Geister

von Armin Osmanovic


Julius Malema ist der wohl umstrittenste Politiker in Südafrika. Der Präsident der Jugendliga des ANC begeistert mit Hassgesängen wie "Knallt die Buren ab" seine Anhänger. Er fordert die Verstaatlichung des Bergbaus. Er bewundert Mugabes Landreform und propagiert die entschädigungslose Enteignung von Farmen in weißem Besitz. Für die Altvorderen im ANC ist er ein unbequemer Konkurrent geworden. Im September 2011 musste sich Malema wieder einmal vor einem Disziplinargericht des ANC verantworten. Er erhielt Auflagen. Den angedrohten Rausschmiss wagte man jedoch nicht.


An diesem Samstag, dem 10. September, feiert die Jugendorganisation des regierenden ANC (Afrikanischer Nationalkongress) im Johannesburger Township Alexandra ihren 67. Geburtstag. Festredner ist der dreißigjährige Präsident der ANC-Jugendliga Julius Malema, der umstrittenste Politiker Südafrikas.

Überall im Township sind Plakate mit seinem Bild zu sehen. Juju, wie ihn seine Anhänger nennen, ist für zehn Uhr angekündigt. Nicht einmal eine Woche ist es her, dass sich hunderte von wütenden Unterstützern Malemas vor dem Parteihaus des ANC in der Innenstadt Johannesburgs versammelten, um gegen das im Albert-Luthuli-Haus stattfindende Parteidisziplinarverfahren gegen Malema und vier weitere Führer der ANC-Jugendliga zu protestieren.

Steine flogen, Polizisten und Journalisten wurden verletzt und ANC-T-Shirts mit dem Bild des ANC-Präsidenten Jacob Zuma verbrannt. Aufgeheizt ist die Stimmung an diesem sonnigen Frühlingstag in Alexandra nicht. Gründe zu rebellieren gäbe es in dieser Armensiedlung, wo mehr als 500.000 Menschen auf engem Raum leben, genug. Viele der Township-Bewohner leben auch siebzehn Jahre nach Ende der Apartheid weiter in ihren Blechhütten von der Hand in den Mund ohne Hoffnung, dass sie den sozialen Aufstieg schaffen.

Julius Malema weiß um das Leben in Armut. Er ist, nachdem seine zwei Schwestern früh verstarben, allein ohne Vater in einem Township der Stadt Polokwane, damals Pietersburg, in der Provinz Limpopo mit einer kranken Mutter aufgewachsen.

"A better life for all", das war das Versprechen des ANC 1994. Der Generalsekretär der Jugendliga, Sindiso Magaqa, ein enger Vertrauter Malemas, erklärt, dass es Malema nur darum geht: "Juju will das zu Ende bringen, was die Vätergeneration begonnen hat. Wir kämpfen für wirtschaftliche Freiheit. Das ist unser Kampf, heute. Und wie damals, im Kampf gegen die Apartheid, wird es auch heute Opfer geben."

"Economic Freedom in our Lifetime", das ist Malemas Programm. Nationalisierung der Minen und Banken und die entschädigungslose Rückgabe des Landes, das die Weißen den Afrikanern gestohlen haben, ist daher für Malema alternativlos. Sozialismus nennt er sein Programm. Die kommunistische Partei Südafrikas bezeichnet er als überflüssig. Sie habe die Arbeiter verraten. Nicht viel anders denkt er über Cosatu, Südafrikas Gewerkschaftsdachverband.

Die Härte, mit der der Generalsekretär Magaqa die Ziele der Jugendliga erklärt, überrascht. Zwei Tage zuvor hatten Thami Manyoni und Skinde Hadebe, zwei Jugendligafunktionäre, in Alexandra ihre politischen Vorstellungen erläutert. Natürlich stehe man zur Nationalisierungspolitik der Führung, meinten beide. Doch die Meinung der Investoren müsse man auch berücksichtigen. Und schließlich sei man doch gar nicht in der Lage, ohne die Weißen alle Bergwerke zu führen.

Gekleidet in ANC-T-Shirts mit dem Bild Jacob Zumas, kritisierten sie auch Malemas Angriffe auf den Präsidenten als disziplinlos und parteischädigend. Malema ist nicht bei allen in der Jugendliga beliebt. Dafür ist sein schneller Aufstieg mit zu vielen Gegnern gepflastert, die er ohne Skrupel aus dem Weg geräumt hat.

Als noch kleiner Junge im Alter von acht Jahren hat er sich der Jugendliga und dem ANC angeschlossen. Willensstark und höchst intelligent hat er sich an die Spitze der Jugendliga hochgekämpft, wie Fiona Forde in ihrer gerade erschienenen Malema-Biographie schreibt (An Inconvenient Youth).


Coolness zählt in heutiger Zeit

Seinen Aufstieg erkennen die Menschen, gerade auch die Armen, als besondere Leistung an. Er ist für sie ein Vorbild. Sein zur Schau gestellter Reichtum, seine teuren Autos, sein großes Haus im schicken Johannesburger Stadtteil Sandton, der nur einen Steinwurf vom Township Alexandra liegt, wo er Champagner-Partys feiert, und seine Liebe für Designerkleidung und teure Armbanduhren stoßen die Menschen nicht ab. Er ist durch seine persönliche Geschichte einer von ihnen, und an so einem Tag wie diesen Samstag komme er auch zu ihnen. Der Sieg des ANC bei den Kommunalwahlen im Mai 2011 war vor allem Malema zu verdanken. Er war es, der in den Armensiedlungen mobilisierte.

Auch Thami und Scebi finden Malema cool. Sie sehen nicht, was die in- und ausländische Presse gerne gegen Malema ins Feld führt, wenn sie von ihm nur das einfache Bild eines korrupten und neureichen afrikanischen Politikers zeichnet, der die Armen nur für seine eigenen Zwecke benutze.

Coolness ist wichtiger Bestandteil der südafrikanischen Politik. Als Latzhosenpolitiker mit Sonnenblume im Knopfloch hätte man im heutigen Südafrika keine Chance. Auch deshalb ist Politik und Geld im neuen Südafrika eine enge Verbindung eingegangen. Will man den neuen ANC verstehen, und damit das Land, dass die Partei so oder so mit sich reißt, wie Fiona Forde in ihrem wichtigen Buch über Malema schreibt, muss man diesen Bruch mit der Mandela-Generation, die Intellektualität und nicht Coolness pflegte, berücksichtigen.

Das laufende Disziplinarverfahren werde die Jugendliga akzeptieren, meinen Thami und Scebi. Es ist bereits das zweite gegen Malema in kurzer Zeit. Letztes Jahr im April hatte Malema die ANC-Oberen um Präsident Jacob Zuma gegen sich aufgebracht, weil der Jugendführer sich in Simbabwe lautstark auf die Seite von Robert Mugabe geschlagen und die Opposition als Micky-Maus-Partei bezeichnet hatte. Zuma sah die Rolle Südafrikas als neutraler Vermittler zwischen Mugabe und der Opposition gefährdet.

Zornig waren viele im ANC mit Malema auch deshalb, weil er weiter auf Parteiveranstaltungen das Lied aus dem Befreiungskampf "Shoot the Boer" sang. Im April war der rechtsradikale Führer Eugene Terreblanche von zwei seiner schwarzen Farmarbeiter brutal getötet worden. Kurz flackerte der alte Hass zwischen weiß und schwarz auf, und Malema goss mit dem Absingen des Liedes bewusst weiter Öl ins Feuer. So kurz vor der Fußballweltmeisterschaft wollte Staatspräsident Zuma nichts so wenig wie negative Presse. Der ANC verbot daraufhin, das Lied auf Parteiveranstaltungen zu singen.

Vor einem Jahr kam Malema glimpflich davon. Es hatte schon nach dem Ende seiner Karriere ausgesehen. Doch Malema hat auch Beschützer. In den Reihen der alten ANC-Vorderen hat sich allen voran Winnie Madikizela-Mandela, die "Mutter der Nation", für ihn eingesetzt. Sie setzt große Hoffnungen in ihn. Eine Geldstrafe und Nachsitzen in Schulungsseminaren waren die Strafe des Parteidisziplinarverfahrens. Sollte er innerhalb von zwei Jahren wieder gegen die Parteidisziplin verstoßen, drohe ihm der Ausschluss, wurde vor einem Jahr auch bestimmt.

Seit August steht er wieder vor dem ANC-Disziplinargericht. Malema und vier weitere Führer, darunter auch Magaqa, riefen öffentlich zum Regierungswechsel im Nachbarland Botswana auf. Das Regime Ian Khamas sei ein U-Boot der USA und müsse abgelöst werden.

Zorn zogen die Jungpolitiker auch mit ihrer Äußerung auf sich, Thabo Mbeki, Zumas Vorgänger, den Malema seinerzeit noch mithalf wegzuputschen, sei ein "afrikanischer Führer" gewesen. Vor allem die Schaukelpolitik Zumas in Libyen, die Zustimmung zur No-Fly-Zone kritisieren die Jugendligaführer als Ausverkauf afrikanischer Interessen an den "imperialistischen Westen".


So oder so: Malema bleibt präsent

Zuma packte die Gelegenheit beim Schopf und fordert nun Malemas Kopf. Malema ist in kurzer Zeit wohl für viele im ANC zu mächtig geworden. Wie kein anderer bestimmt er die politische Diskussion im Land. Ein Gradmesser seiner wachsenden Macht sind die Tischgespräche. Bestimmte vor wenigen Jahren die hohe Kriminalität im Land noch jedes Dinner, so kommt man heute sehr schnell auf Malema zu sprechen. In schwarzen Haushalten spricht man vom "Jungen", der Manieren lernen müsse, vor allem wie man die Alten zu respektieren habe. Die weißen Südafrikaner sehen sich häufig bestätigt, dass man es schon immer wusste, Nelson Mandela war die Ausnahme, die Regenbogennation nur eine Farce, mit Malema zeige sich das eigentliche Gesicht "afrikanischer Politik". Wie in Simbabwe drohe das Chaos.

Was passiert, wenn Zuma sich durchsetzt, wenn Juju ausgeschlossen wird aus dem ANC, der sein Leben so stark wie das Leben von vielen anderen politischen Aktivisten in diesem hoch politisierten Land bestimmte, so dass für Privates kaum Zeit bleibt?

Eigentlich will der ANC keinen Streit. Öffentliche Kritik mag man gar nicht. Hinter geschlossenen Türen sollen die Differenzen verhandelt werden, öffentliche Auseinandersetzungen machten nur den Gegner stark. Das sei heute wie damals im Exil während des Befreiungskampfes so. Malema verstößt mit seinen lauten Angriffen gegen diese Regel des ANC. Vielleicht sein größter Fehler, der ihn den Kopf kosten könnte.

Aber auch wenn Malema weg ist, bleibt er präsent. Im ANC weiß man darum, dass man das Versprechen "A better life tor all" einlösen muss. Klar ist man sich aber auch darüber, dass man nicht genau weiß, wie dies gelingen kann. Dass Nationalisierungen, zumindest so wie Malema sie fordert, zum Ruin des Landes führen, ist der Mehrheit im ANC, genau wie bei den Allianzpartnern in Cosatu und SACP klar.

Aber angesichts der Resonanz, die Malemas Forderung nach wirtschaftlicher Freiheit jetzt bei vielen Südafrikanern erfährt, die sich mehr und mehr vom ANC betrogen fühlen, kann man auch nicht einfach so weiter machen wie bisher. Betrogen fühlen sie sich nicht nur wegen der Korruptionsaffären und Vetternwirtschaft im ANC. Betrogen fühlen sie sich vor allem, weil der ANC es zulässt, dass die Weißen, die ihre Macht an den Wahlurnen verloren haben, ihre Macht weiter vor der schwarzen Mehrheit verstecken können, ob in multinationalen Unternehmen oder in den Medien.

Auch an diesem Samstag, im Festzeit in Alexandra, spricht Malema in einer kämpferischen Rede dieses Gefühl, betrogen worden zu sein, an. Er spricht von Ausverkauf, der drohe, wenn er gestürzt werden sollte. Er und die Jugendliga seien die Garanten dafür, dieses Unrecht endlich zu beseitigen, hämmerte er den 2000 Zuhörern ein, von denen viele auch aus Neugier gekommen waren, um jenen Politiker live zu sehen, der nun schon mehr als zwei Jahre die größte Medienaufmerksamkeit im Land genießt.

Zwei Tage später, am Montag, sollte Malema eine erste Niederlage erleben. Im Prozess gegen ihn wegen Verbreitung von Hass zwischen den Bevölkerungsgruppen sollte er verurteilt werden. Malema und dem ANC ist es nicht länger erlaubt, das Lied "Shoot the Boer" zu singen.

Südafrika steht mit und ohne Malema vor einem Neubeginn. Wie Zuma, der 2005 von Mbeki wegen einer Korruptionsaffäre als Vize-Präsident entlassen worden war, könnte auch Malema wiederkehren. Wohin Südafrika treibt, ist nicht klar. Klar ist aber, dass siebzehn Jahre nach Ende der Apartheid das Land im Übergang zu Neuem ist. Juju hat daran einen gewichtigen Anteil.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2011, S. 13 - 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2011