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AFRIKA/1175: Tansania - "Politische Inszenierung im Vorfeld der Wahlen", Streit mit Malawi um Nyasa-See (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. März 2013

Tansania: "Politische Inszenierung im Vorfeld der Wahlen" - Streit mit Malawi um Nyasa-See

von Thembi Mutch



Arusha, Tansania, 6. März (IPS) - Die Menschen am Nyasa-See können sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum das Gewässer, an dem sie leben, zwischen ihrem Land Tansania und dem benachbarten Malawi Anlass eines Kriegs sein sollte. Sie, die mit den Menschen am malawischen Ufer des Gewässers keine Probleme haben, hoffen auf eine friedliche Lösung des Konflikts, denn in diesem Monat stehen Vermittlungsgespräche an.

Das 29.000 Quadratkilometer große Gewässer ist für die Bevölkerung an allen Seiten des Sees Fisch- und Einkommensquelle zugleich. Beliebt ist der See auch bei Touristen. "Die lokalen Gemeinschaften hängen vollständig vom Nyasa ab", meint Saad Ayoub, beigeordneter Programmleiter der Nichtregierungsorganisation 'HakiArdhi', auch bekannt als 'Land Rights and Resources Institute'.

HakiArdhi klärt die Menschen in der Mbeya-Region im Südwesten Tansanias über ihre Wasserrechte auf. Seit bekannt geworden ist, dass in den Tiefen des Nyasa reiche Erdöl- und Ergasfelder lagern, sind die Menschen irritiert. "Wir wurden nicht zu Gesprächen über die Frage, wie wir von den Erdölfeldern profitieren können, eingeladen", kritisiert Ayoub.

Richard Kilumbo, ein Einwohner des tansanischen Bezirks Kyela, der an den Nyasa-See anstößt, hat für das Säbelrasseln zwischen den Ländern kein Verständnis. "Wir haben Verwandte im malawischen Mzuzu, die uns im letzten Jahr zu einer Hochzeit eingeladen haben. Uns schockiert und beängstigt, dass unsere Länder offenbar Kriegsvorkehrungen treffen. Wir haben keine Ahnung, warum der See unsere Regierungen so sehr gegeneinander aufbringt."


Alter Konflikt ungelöst

Der Nyasa heißt auf malawischer Seite Malawi- und in Mosambik, einem weiteren Anrainer, Niassa-See. Seit fast 50 Jahren ist das Gewässer Gegenstand eines Konflikts zwischen Malawi und Tansania. Ursache ist ein Vertrag aus der Kolonialzeit. Das sogenannte Sansibar-Helgoland-Abkommen von 1890 zwischen London und Berlin legte fest, dass die malawisch-tansanische Grenze am tansanischen Ufer verläuft und der See somit zu Malawi gehört. In den Augen Tansanias ist der Vertrag illegal, und das Land beansprucht die Hälfte des Sees.

Anlass für die Eskalation eines Streits im Juli letzten Jahres hatte die Bekanntgabe Tansanias gegeben, mit dänischer Unterstützung eine neun Millionen US-Dollar teure Fähre für den See zu kaufen. Malawis Minister für Ländereien, Wohnen und städtische Entwicklung sprach daraufhin Tansania das Recht ab, den Fährverkehr zu starten, solange die Territorialfrage noch nicht geklärt sei. Die tansanische Abgeordnete Hilda Ngoye konterte mit der Beschuldigung, malawische Touristen- und Fischerboote seien in tansanische Gewässer eingedrungen. Der Konflikt verschärfte sich weiter, als der damalige tansanische Ministerpräsident Samuel Sitta damit drohte, er werde auf jede militärische Provokation unverzüglich und angemessen reagieren.


Streit auf Kosten der Seeanrainer

In den letzten 50 Jahren ist es mehrfach zu Versuchen gekommen, den Konflikt beizulegen. Nun soll das Forum afrikanischer Staats- und Regierungschefs unter Führung des Mosambikaners Joaquim Chissano vermitteln.

Für politische Beobachter ist der Streit vor allem der Versuch von Politikern beider Länder, sich auf Kosten der Menschen, die vom See abhängen, zu profilieren. "Dieser See sollte dazu beitragen, die Lebensverhältnisse der an seinen Ufern lebenden Menschen zu verbessern", meint der lokale Umweltjournalist Felix Mwakyembe, der die Verbalattacken beider Länder seit Jahren verfolgt. Zwischen den Anrainern selbst gebe es keinen Konfliktstoff. "Wir haben es also mit einer hochrangigen politischen Inszenierung im Vorfeld der Wahlen in Malawi 2014 und in Tansania 2015 zu tun." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.hakiardhi.org/
http://www.ipsnews.net/2013/03/at-the-bottom-of-lake-nyasa-is-rare-earth/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2013