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AFRIKA/1276: Kamerun - Destabilisierungsgefahr durch nigerianische Terrorgruppe 'Boko Haram' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Mai 2014

Kamerun: Destabilisierungsgefahr durch nigerianische Terrorgruppe 'Boko Haram'

von Ngala Killian Chimtom



Yaoundé, 14. Mai (IPS) - Kamerun wird nach Aussagen hochrangiger Vertreter des Verteidigungsministeriums zunehmend von der islamistischen Terrorgruppe 'Boko Haram' aus Nigeria infiltriert.

"Wir werden von Boko Haram unterwandert. Das Militär will daher die geheimdienstlichen Aktivitäten ausweiten, um dieser Bedrohung effizient zu begegnen", sagte der Sprecher des kamerunischen Verteidigungsministeriums, Oberst Didier Badjeck. Seiner Einschätzung nach erhält Boko Haram in Kamerun zunehmend Unterstützung.

Wie der Gouverneur der Region Extrême-Nord, Augustine Awa Fonka, erklärte, lässt die Präzision, mit der die Extremistengruppe am 5. Mai einen Militärposten in der Region angegriffen habe, darauf schließen, dass sie auf lokale Informanten zurückgreifen konnte.

Boko Haram hat durch die Entführung von mehr als 200 Schülerinnen international Aufsehen erregt. Die Gruppe verlangt von der nigerianischen Regierung die Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen. In Kamerun wird nun befürchtet, dass das bisher politisch stabile Land ins Chaos abgleiten könnte.

Die kamerunisch-nigerianische Grenze verläuft auch längs des vorwiegend muslimischen Nordens Nigerias, wo wichtige Rückzugsgebiete von Boko Haram liegen. Im März hatte Awa Fonka eine Reihe von Militärposten entlang der Nordwestgrenze errichten lassen, um der Gefahr eindringender Islamisten zu trotzen.

Dennoch überfielen am 5. Mai mehr als 30 mutmaßliche Boko Haram-Mitglieder den Militärstützpunkt Kousseri in der im Norden Kameruns. Ein Gendarmerie-Offizier wurde getötet und ein Zivilist gefangen genommen. Weitere Menschen wurden verletzt, als die Gruppe ein Mitglied befreite, das auf der Militärbasis festgehalten worden war.

Bei all diesen Angriffen haben die Islamisten viele Menschen in ihre Gewalt gebracht, sagte Awa Fonka. Die Attacken hätten ohne die Hilfe lokaler Informanten nicht durchgeführt werden können. Dem Gouverneur zufolge werde man versuchen, die Komplizen zu identifizieren.


"Gesichtslose Terroristen"

Zugleich räumte er ein, dass die Angriffe die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt hätten. "Die Sicherheitskräfte sind da, um die Bevölkerung zu schützen. Werden sie attackiert, löst dies Sorge aus." Awa Fonka beschrieb die Angreifer als "gesichtslose Terroristen", die nur mit Unterstützung der lokalen Bevölkerung aufgespürt werden könnten. Um dies zu erreichen, sei jedes Mittel recht.

Die Gewalt in Nigeria hat zahlreiche Flüchtlinge über die Grenze nach Kamerun getrieben. Am 6. Mai überfielen Kämpfer von Boko Haram - der Name bedeutet in dem Dialekt Hausa so viel wie 'Westliche Erziehung ist eine Sünde' - einen Markt in der nigerianischen Grenzstadt Gambourou. Mehr als 200 Menschen, darunter vier Kameruner, starben bei dem Angriff. Etwa 3.000 Nigerianer, unter ihnen viele Verletzte, flohen über die Grenze in die kamerunische Stadt Fotokol.

"Die Sicherheitskräfte schaffen es nicht allein. Sie brauchen die Bevölkerung, die Verdächtige in ihrer Nachbarschaft anzeigt", erklärte Awa Fonka.

Unter den Kamerunern breitet sich inzwischen Misstrauen aus. "Die Leute verdächtigen sich gegenseitig. Man kann nicht einmal mehr seinem direkten Nachbarn trauen, weil man nicht weiß, mit wem er essen geht", meinte ein Einwohner der Stadt Kousseri in der Nordregion. "Wir wissen, dass Mitglieder von Boko Haram unter uns sind, können sie aber nicht ausmachen."


Angst und Gewalt treiben Menschen in die Flucht

Viele Bewohner der Region fürchten um ihr Leben. "Wenn man über diese Leute spricht, kann es für einen den Tod bedeuten", erklärte Hawe Aishatu, die vor den Angriffen in der Region Extrême-Nord in die Hauptstadt Yaoundé geflohen ist. "Sie sind von Grund auf böse."

El Hadji Numbao flüchtete nach dem Angriff auf den Militärposten in Kousseri mit seiner Familie aus der Stadt. Wenn die Extremisten Armeestützpunkte attackierten, seien normale Menschen wie er nicht mehr sicher, meinte der Mann, der sich mit seiner Familie ebenfalls bis Yaoundé durchgeschlagen hat. "Es ist schwierig, an einem Ort zu leben, an dem uns bereits das Rascheln von Blättern aus dem Schlaf reißt und die Gefahr groß ist, hinterrücks ermordet zu werden."

Der auf Grenzprobleme spezialisierte Wissenschaftler Adouraman Halirou äußerte die Befürchtung, dass das bisher als sicher geltende Kamerun ins Chaos abdriftet. Die Regierung müsse der Bedrohung mit allen Mitteln entgegentreten.

An der östlichen Grenze zur Zentralafrikanischen Republik sind ebenfalls neue Militärposten errichtet worden, da Kamerun auch von dieser Seite Gewalt befürchtet. In der Ostregion Kameruns wurden am 2. Mai etwa 20 Einwohner von Rebellen aus dem Nachbarland verschleppt. (Ende/IPS/ck/2014)


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IPS-Tagesdienst vom 14. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2014