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AFRIKA/1292: Kamerun - Imame distanzieren sich von nigerianischer Terrororganisation Boko Haram (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. August 2014

Kamerun: Imame distanzieren sich von nigerianischer Terrororganisation Boko Haram

von Ngala Killian Chimtom


Bild: © Ngala Killian Chimtom/IPS

Sheik Oumarou Malam Djibring vom Kamerunischen Rat der Imame
Bild: © Ngala Killian Chimtom/IPS

Yaounde, 1. August (IPS) - Motari Hamissou ist stets gut mit seinen Schülern in Bamenda, der Hauptstadt der kamerunischen Region North West, ausgekommen. Auch mit seinen Nachbarn gab es nie Probleme. Sein Bart war ebenso wenig anstößig wie der Schleier, den seine Frau Aisha trägt.

Nach der allgemeinen Volkszählung von 2010 sind 24 Prozent der 21 Millionen Kameruner Muslime. Die meisten leben in den Regionen Far North, North und Adamawa, die an Nigeria anstoßen. Die Nordwestgrenze verläuft längs der nigerianischen Ostgrenze und zieht sich bis zum vorwiegend muslimischen Norden Nigerias, der eine Hochburg der Extremistengruppe Boko Haram ist.

Deren sporadische Überfälle und Entführungen in der kamerunischen North-West-Region haben das friedliche und harmonische Miteinander von Hamissou und seinen Schülern und Nachbarn empfindlich gestört. Am 27. Juli verschleppte die Gruppe die Frau des kamerunischen Vizeregierungschefs Amadou Ali in der nördlichen Stadt Kolofata.

Seit sich Boko Haram vor fünf Jahren mit Waffengewalt in Nigeria erhoben hat, um in dem westafrikanischen Land einen islamischen Stadt zu gründen, starben nach Angaben des nigerianischen Staatspräsidenten Goodluck Jonathan 12.000 Menschen.

Inzwischen wird Hamissou von seinen Schülern 'Boko Haram' genannt. Boko Haram bedeutet in der nigerianischen Hausa-Sprache 'westliche Bildung ist Sünde'. "Die Kinder bringen unsere Bärte und die Schleier unserer Frauen mit der Sekte in Verbindung", sagt Hamissou im IPS-Gespräch. "Ich bin Lehrer. Ich unterrichte das, was man unter westlicher Bildung versteht. Wie kann ich westliche Bildung vermitteln und sie gleichzeitig angeblich verbieten. Das macht keinen Sinn."

Die zwölfjährige Arlette Dainadi besucht die Grundschule, an der Hamissou unterrichtet. Als Muslimin ist sie inzwischen auch zur Zielscheibe von Verbalattacken geworden. Ihre Mitschüler rissen ihr kürzlich sogar den Schleier vom Kopf und riefen "Boko Haram, Boko Haram!", wie sie erzählt.

Auch Erwachsene verwenden den Namen der Terroristen als Schimpfwort für Kameruns Muslime. "Ich kann mich nicht mehr frei bewegen und mit den Menschen kommunizieren, ohne beschimpft zu werden. Die Leute nennen mich Boko Haram", berichtet sie und bricht fast in Tränen aus.

Muslimische Führungspersönlichkeiten und Verbände wie die Vereinigung muslimischer Studenten und der Kamerunische Rat der Imame organisieren inzwischen Workshops, Seminare und Demonstrationen, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie nichts mit Boko Haram zu tun haben.

Dazu meint Sheik Oumarou Malam Djibring vom Kamerunischen Rat der Imame: "Der Islam ist eine Religion des Friedens und der Toleranz. Wer von diesen Grundsätzen abweicht, ist gegen den Islam." Mitglieder seiner Vereinigung haben inzwischen das Motto 'Boko Halal' ausgegeben, was 'Bildung ist erlaubt' bedeutet.

Wie der Islamlehrer und religiöse Führer Sheik Abu Oumar Bin Ali betont, sind muslimische Gelehrte schon immer die treibenden Kräfte hinter Bildung gewesen. "Abu Ja'far Muhammad ibn Musa al-Khwarizmi war ein führender muslimischer Gelehrter und Begründer der Algebra. Es ist also idiotisch, Muslime mit dem Hass auf westliche Bildung in Verbindung zu bringen", sagt er.

Laut Ahmadou Moustapha, einem traditionellen Muslimführer der Far-North-Region, werden in der Region junge Leute von Boko Haram zwangsrekrutiert. "Die Kämpfer kommen her und holen sich unsere jungen Leute", warnt er. "Ich fürchte, sie werden sie mit ihrer Religion des Hasses vergiften."

Souaibou Issa ist Professor an der Universität von Ngaoundere in der Region Adamawa. Er hält Boko Haram vor allem deshalb für sehr gefährlich, weil man nicht weiß, wer hinter der Gruppe steckt und welche Beziehungen sie unterhält. "Es gibt ein verbreitetes Misstrauen, und wir kämpfen gegen unsichtbare Feinde", meint er.

Mallam Djibring vom Kamerunischen Rat der Imame rief die Muslime im Lande zu erhöhter Wachsamkeit auf. Fremde und verdächtige Personen müssten unverzüglich gemeldet werden. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/07/cameroons-muslim-clerics-turn-to-education-to-shun-boko-haram/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2014