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AFRIKA/1345: Zentralafrikanische Republik - Wahlrecht für Flüchtlinge im Ausland, Vorbereitungen stocken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2015

Zentralafrikanische Republik: Wahlrecht für Flüchtlinge im Ausland - Doch Vorbereitungen stocken


Bild: © Monde Kingsley Nfor/IRIN

Flüchtlinge im Lager Mborgene im Osten Kameruns
Bild: © Monde Kingsley Nfor/IRIN

BERTOUA/DAKAR(IPS/IRIN*) - In der Zentralafrikanischen Republik (CAR) finden am 18. Oktober Präsidentschaftswahlen statt. Doch zehn Prozent der Bevölkerung - 470.000 Menschen - leben seit dem Putsch im Jahre 2013 in den Nachbarstaaten Kamerun, Tschad, Kongo-Brazzaville und Demokratische Republik Kongo. Experten zufolge sind ihre Stimmen wichtig, damit das Land zu Frieden und Versöhnung zurückfinden kann.

Im Juli hatte das Verfassungsgericht einen Parlamentsbeschluss für null und nichtig erklärt, der den im Ausland lebenden Flüchtlingen die Teilnahme an dem Urnengang untersagte. Dennoch wurden bisher kaum Maßnahmen ergriffen, um den auf 198.000 geschätzten, im Ausland lebenden Wahlberechtigten die Stimmabgabe zu ermöglichen.

Tschad ist das einzige der vier Aufnahmeländer, das ein Abkommen mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der CAR geschlossen hat. Darin wurden Schritte wie die Registrierung der Wähler vereinbart. Die Demokratische Republik Kongo weigert sich hingegen, das Dokument zu unterzeichnen. Kongo-Brazzaville wiederum hat sich dazu noch nicht geäußert, und mit Kamerun wird noch verhandelt.

Wenn die Flüchtlinge nicht wählen dürften, bedeute dies nicht nur den Ausschluss von zehn Prozent der Bevölkerung. Dadurch werde auch der fatale Eindruck geweckt, als seien die Menschen in der Diaspora keine gleichwertigen Bürger, warnte der UNHCR-Mitarbeiter Charles Mballa.

Im März 2013 hatte ein Bündnis aus Rebellengruppen aus dem vernachlässigten und vorwiegend muslimischen Nordosten des Landes den damaligen Staatschef François Bozizé gestürzt. Als diese sogenannten Séléka-Rebellen dann aber gegen christliche Zivilisten vorgingen, bildeten sich zahlreiche Bürgerwehren, die 'Anti-Balaka', die mit großer Brutalität unter Muslimen wüteten. Dies erklärt, warum es sich bei den Flüchtlingen mehrheitlich um Muslime handelt. In Kamerun beispielsweise beträgt ihr Anteil 93 Prozent.


Zuerkennung des Wahlrechts eine wichtige Geste

"Wenn wir abstimmen dürfen, bedeutet dies, dass das Land bereit ist, den von unterschiedlichen Parteien angerichteten Schaden wiedergutzumachen", meinte Augustin Dolly-Debat, Sprecher eines Flüchtlingslagers in Guiwa im Osten Kameruns. "Wir sind froh über die Entscheidung des Gerichts, wissen aber bisher nicht, ob wir am Ende tatsächlich wählen gehen können."

Interims-Präsidentin Catherine Samba-Panza ist nach wie vor gegen das Wahlrecht für die Flüchtlinge. Die organisatorischen und logistischen Probleme seien zu groß, erklärte sie. Tatsächlich haben Erfahrungen in anderen Ländern der Region gezeigt, dass die Stimmabgabe im Ausland für alle Beteiligten eine große Herausforderung darstellt. Das UNHCR und die Regierung Malis hatten 2013 Maßnahmen ergriffen, um mehr als 19.000 Maliern, die nach Burkina Faso, Mauretanien und Niger geflohen waren, die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2013 zu ermöglichen. Letztlich konnte aber nur ein kleiner Teil der schätzungsweise 73.000 stimmberechtigten malischen Flüchtlinge von diesem Recht Gebrauch machen.

Im Fall der in Kamerun lebenden CAR-Bürger kommt erschwerend hinzu, dass 60.000 Flüchtlinge auf sieben UNHCR-Lager verteilt, die übrigen 180.000 hingegen außerhalb der Camps in lokalen Gemeinden verstreut leben. In dieser Situation und angesichts des hohen Zeitdrucks ist es noch schwieriger, die Wähler zu registrieren und Abstimmungslokale einzurichten.

Viele Flüchtlinge haben zudem keine Dokumente mehr, die ihre Identität nachweisen. Sie haben die Ausweise bei der Flucht nicht mitgenommen oder auf dem Weg verloren. Hinzu kommt, dass die meisten von Nachrichten aus ihrer Heimat abgeschnitten sind und keine klare Vorstellung haben, wer bei den Wahlen kandidiert.

Das Rote Kreuz in Kamerun geht überdies davon aus, dass etwa 80 Prozent der Flüchtlinge Analphabeten sind und zuvor nie an politischen Prozessen partizipiert haben. "Jemandem das Wahlrecht zu geben, reicht allein nicht aus", meinte ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes, der seinen Namen nicht nennen wollte. "Die Flüchtlinge müssen auch über die Wahltermine und die Kandidaten informiert werden, um die richtigen Entscheidungen zu treffen."

Trotz aller Schwierigkeiten wollen viele Flüchtlinge unbedingt abstimmen. "Vielleicht wird dies eine Chance für uns sein", sagte der 45-jährige Mustapha Idris, der in einem Lager in der kamerunischen Grenzstadt Garoua-Boulai lebt. "Ich bin froh, dass ich wählen darf." (Ende/IPS/ck/18.09.2015)

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IPS-Tagesdienst vom 18. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2015

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