Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → AUSLAND


AFRIKA/1455: Hetze und Gewalt - Wie Politiker in Südafrika das Feuer fremdenfeindlicher Ressentiments schüren (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2022

Südafrika
Hetze und Gewalt

Wie Politiker das Feuer fremdenfeindlicher Ressentiments schüren

von Jan Bornman


Je mehr die politischen Parteien Südafrikas die Migrant:innen für die Probleme des Landes verantwortlich machen, desto mehr finden sich Bürgerwehren, die diese Vorwürfe todernst nehmen und schutzbedürftige Menschen angreifen.

Über die fremdenfeindliche Politik der Economic Freedom Fighters (EEF) und der Patriotischen Allianz ist schon viel geschrieben worden. Schließlich ist ihr autoritäres Gebaren längst zu den Arbeitsplätzen der Migrant:innen vorgedrungen, wo sie eingeschüchtert und belästigt wurden. Dieser neue Tiefpunkt in unserer traurigen Geschichte der Fremdenfeindlichkeit sollte uns nicht überraschen. Politiker:innen und politische Parteien aller Couleur haben sich die Politik der Fremdenfeindlichkeit in Südafrika und weltweit zu eigen gemacht.

Die Straflosigkeit, mit der Julius Malema und die EFF ihr Spiel treiben, wird all jene ermutigen, die Migrant:innen schon immer für ihr Leid in einem Land verantwortlich gemacht haben, in dem die erweiterte Arbeitslosenquote fast 50 Prozent beträgt und die Jugendarbeitslosigkeit nahezu 75 Prozent erreicht hat. Überall im Land warten Bürgerwehren darauf, die Gewalt auszuüben, die von der Politik heraufbeschworen wird.

Während EFF-Anhänger Wanderarbeiter in Einkaufszentren belästigten, ging die Bürgerwehr "Operation Dudula" in Soweto auf die Straße, beschlagnahmte die Waren von Straßenhändler:innen und vertrieb sie vom Taxistand gegenüber dem Chris Hani Baragwanath-Krankenhaus. Anschließend veröffentlichte die Gruppe ein Schreiben, in dem sie Migrant:innen, die in gering qualifizierten Berufen als Straßenhändler:innen oder Handwerker arbeiten, aufforderte, ihre Tätigkeit bis zum 7. Februar einzustellen. In dem Schreiben werden sie beschuldigt, "unsere Entwicklung zu stören", und gewarnt: "Entweder ihr kooperiert oder ihr spürt unsere Maßnahmen."

Einer der Anführer der Operation Dudula, Nhlanhla Lux, wurde während der Unruhen im Juli letzten Jahres bekannt, als er schwor, das Maponya-Einkaufszentrum vor Plünderern zu schützen. Dafür sei er auch bereit zu sterben.

Etwa einen Monat zuvor stand Lux in Tarnkleidung an der Spitze der Operation Dudula, als diese am 45. Jahrestag des Aufstands vom 16. Juni 1976 durch die Straßen von Soweto marschierte. An diesem Tag beteuerte Lux, er sei ebenso wenig wie die Bürgerwehr gegen Migrant:innen. Dennoch skandierten sie fremdenfeindliche Slogans und vertrieben eine Gruppe von Migrant:innen, die in einem verlassenen Gebäude lebte.

Einige Wochen vor der jüngsten faschistischen Zurschaustellung der Operation Dudula in Soweto postete Lux ein Video auf seiner Instagram-Seite. Dort zeigte er sich wieder in Militäruniform und beschuldigte "illegale Ausländer", sich in Vorbereitung auf eine Art Vergeltungsaktion zu bewaffnen. Die Migrant:innen hätten "ein Abkommen mit der Regierung" und politische Führer und Polizisten bestochen, seine Gruppe aber hätte keine solche Vereinbarung. "Wir sind das südafrikanische Volk ... Wir sind nicht hier, um über irgendetwas zu verhandeln. Wir sind hier, um unser Land zurückzuerobern, und das war's." Er und seine Anhänger seien bereit, "für dieses Land zu sterben", um es von "den illegalen Ausländern zu befreien, die weiterhin an der Kriminalität beteiligt sind". "Wir werden kommen und Südafrika säubern, denn das darf kein normaler Zustand werden", warnte er.


Eine gefährliche Rhetorik

Lux' Besessenheit von "legalen" und "illegalen" Migrant:innen ist es wert, untersucht zu werden, da fremdenfeindliche Menschen mit dieser Definition oftmals ihre Hetze rechtfertigen. Statt sich mit dem Versagen des Innenministeriums auseinanderzusetzen, allen Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten rechtzeitig ordnungsgemäße Papiere auszustellen, macht Lux aus dem Drehen des Rouletterades, das bestimmt, wer das Glück hat, das System zu durchlaufen, ein plumpes Moralspiel. Skrupellose Politiker wie Herman Mashaba von ActionSA, Gayton McKenzie von der Patriotic Alliance und Aaron Motsoaledi vom ANC haben diese Taktik angewandt, um ihren Chauvinismus in die Sprache der Legalität zu kleiden.

Der Zynismus von Motsoaledi ist besonders ärgerlich. Als Innenminister machte er es den Asylbewerber:innen mit dem Corona-Lockdown fast zwei Jahre lang unmöglich, einen Asylantrag zu stellen oder ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Erst in den letzten Monaten hat das Ministerium Online-Verlängerungen ermöglicht - aber viele Asylbewerbende haben immer noch Schwierigkeiten, ihren Aufenthaltsstatus zu legalisieren.

Besonders gezielt und heimtückisch verwendet Lux auch das Wort "Säuberung". Die Verwendung einer solchen menschenfeindlichen Sprache macht es leichter, den Menschen hinter den fehlenden Papieren zu vergessen. Eine Zielgruppe von Menschen als krankhaft, als Ungeziefer oder als Insekten darzustellen, ist eine klassische faschistische Taktik und ist allen Formen von "ethnischer Säuberung", vom Holocaust bis zum Völkermord in Ruanda, stets vorausgegangen.

Es war wohl während Mashabas Amtszeit als Bürgermeister von Johannesburg, dass die Politik der Fremdenfeindlichkeit auf nationaler politischer Ebene in Südafrika zur Normalität wurde. Mashaba inszenierte 2018 in Johannesburg die Verhaftung eines Straßenhändlers, der einen Karren voller Kuhköpfe schob.

Nach der Verhaftung twitterte Mashaba in auffallend faschistischer Sprache: "Wir werden uns nicht zurücklehnen und zulassen, dass Leute wie Sie uns Ebola bringen, und das im Namen von kleinen Unternehmen. Die Gesundheit unseres Volkes geht vor. Unsere Gesundheitseinrichtungen sind bereits bis an die Grenzen ausgelastet." Wie so viele andere Behauptungen, die er als Bürgermeister aufstellte, entbehrte dieser Tweet jeglicher Fakten.

Aber Fakten scheinen Mashaba nicht sonderlich zu interessieren. Zu Beginn des Wahlkampfs für seine neue Partei ActionSA twitterte Mashaba, es gebe "15 Millionen Ausländer ohne Papiere in Südafrika, die Arbeitsplätze besetzen, die von unseren eigenen Leuten eingenommen werden können". Dabei handelte es sich schlichtweg um eine falsche Interpretation der Daten, die besagen, dass 15 Millionen Menschen keine Ausweispapiere haben, was sich sowohl auf Staatsangehörige als auch auf Einwohner:innen bezieht. Das südafrikanische Statistikamt schätzt die Zahl der in Südafrika lebenden "im Ausland geborenen Menschen" auf 3,9 Millionen, während die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen die Zahl auf 4,2 Millionen schätzt.

Die Demokratische Allianz DA war eine der wenigen Parteien, die sich gegen die jüngste Einschüchterung von Gaststättenpersonal durch die EFF ausgesprochen hat, wobei der Sprecher für Arbeit, Michael Cardo, dies als "Terrorismus am Arbeitsplatz" bezeichnete. Bei den letzten nationalen Wahlen hat die DA jedoch eine Trump'sche "Sichert unsere Grenzen"-Kampagne geführt. Die Fokussierung auf die Sicherung der Grenzen und das Fernhalten "illegaler Einwanderer" vom Land entspricht dem Ruf der meisten populistischen und autoritären Regierungen auf der ganzen Welt nach längeren und höheren Mauern. Und das, obwohl Migrationsexperten davor warnen, dass Mauern und Zäune Migrant:innen nicht fernhalten, sondern nur das Leben der Menschen gefährden, die ohnehin bedroht sind.

Anstatt sich mit der Korruption und den Unzulänglichkeiten der Innenbehörden bei der Bearbeitung und Ausstellung von Asyl- und Flüchtlingsanträgen zu befassen, haben manche Politiker verarmte schwarze Migranten zum Sündenbock und zur Zielscheibe für feindselige Gruppierungen gemacht.


Stereotypisierung und Gewalt

Es gibt zweifellos einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Verwendung fremdenfeindlicher Sprache und Stereotypisierungen durch Politiker und den organisierten Bürgerwehren, die auf die Straße gehen und Migrant:innen bedrohen und einschüchtern. Die Operation Dudula ist nur die jüngste einer ganzen Reihe solcher Gruppierungen.

Das Sisonke People's Forum war eine der Gruppen, die hinter den fremdenfeindlichen Angriffen 2019 in Johannesburg standen, bei denen mindestens zehn Menschen ums Leben kamen. Das Forum erklärte, es sei verärgert darüber, dass junge Menschen ihr Leben durch Drogen verlören, die ihnen angeblich von Einwander:innen verkauft wurden, und dass Migranten bei der Vergabe bestimmter Arbeitsplätze gegenüber Südafrikanern bevorzugt würden.

Die All Truck Drivers Foundation (ADTF) hat ähnliche Behauptungen aufgestellt. Obwohl die ADTF jegliche Beteiligung an Gewalttaten bestreitet, wurden Verbindungen zwischen ihr und den mehr als 200 Lkw-Fahrern hergestellt, die bei Angriffen auf das Frachtgewerbe in Südafrika getötet wurden.

Schon vor der Pandemie marschierten organisierte Gruppen in Johannesburgs Township Alexandra und dem Vorort Orange Grove auf Häuser zu und schikanierten, attackierten und vertrieben Migrant:innen aus ihren Wohnungen.

Keine dieser Gruppen wurde zur Rechenschaft gezogen, und nur wenige Täter von fremdenfeindlicher Gewalt wurden im Laufe der Jahre verhaftet und verurteilt. Tatsächlich haben sich Strafverfolgungsbehörden wie das Johannesburg Metro Police Department mit ihrer Buya Mthetho-Kampagne aktiv an der weiteren Ausgrenzung von Migrant:innen beteiligt. Vorgeblich gestartet, um "sichere Gemeinden für unsere Bewohner" in der Innenstadt zu schaffen, fielen im Rahmen dieser Kampagne vor allem Migrant:innen zum Opfer. Die U-Bahn-Polizei twitterte am 25. Januar ein Bild von zwei Beamten, die eine Person ohne Papiere verhaften. Über dem Gesicht des Migranten befand sich ein Teufelsemoji.

Solange die Strafverfolgungsbehörden rücksichtslos handeln und Politiker weiterhin gefährliche Aussagen zu ihren eigenen Zwecken machen, werden Selbstjustizgruppen immer mehr Zulauf bekommen. Schlimmer noch, es werden noch mehr von ihnen auftauchen, entweder als fehlgeleitete Reaktion auf eine allzu dringende soziale Krise oder aus völlig zynischem Opportunismus. "


Jan Bornman ist Schriftsteller und Fotograf und ist journalistisch mit dem Thema Migration und Vertreibung in Südafrika befasst. Sein Beitrag erschien auf Englisch in newframe.com, 2.2.2022.

*

Inhaltsverzeichnis afrika süd Nr. 2, März/April 2022

EDITORIAL
VOM UNGESUNDEN MENSCHENVERSTAND
Ein Kommentar von Lothar Berger zur Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine.

AKTUELL

MOSAMBIK
Ignoranz, Leugnung und Rebellion
Um die komplexen Probleme in Nordmosambik und der Region zu bewältigen, wäre ein neuer und anderer Staat notwendig. Corinna Jentzsch zu den Ursachen des Konflikts in Cabo Delgado.

MOSAMBIK
Gesichtslos?
Die Anführer der bewaffneten Gruppen in Cabo Delgado sind keine Unbekannten, weiß Monika Orlowski.

MOSAMBIK
Credit Suisse in der Bredouille
Nicht nur in Mosambik hat die Schweizer Bank gegen die Regeln verstoßen.

DR KONGO
Goldene Gelegenheit?
Angesichts steigender Nachfrage nach Elektroautos hofft die DR Kongo, von ihrem Rohstoffreichtum zu profitieren. François Misser berichtet.

SÜDAFRIKA
Hetze und Gewalt
Politiker und Parteien schüren das Feuer fremdenfeindlicher Ressentiments in Südafrika. Ein Steilpass für Bürgerwehren, die die Vorlage todernst nehmen, meint Jan Bornman.

SÜDAFRIKA
"Wir müssen gegen Fremdenfeindlichkeit vorgehen, bevor sie Leben kostet"
Aufruf der Community Organising Working Group von Gauteng zum Handeln gegen die Fremdenfeindlichkeit.

SÜDAFRIKA
Erster mRNA-Impfstoff "made in Africa"
Einige Länder Afrikas arbeiten an eigenen Covid-19-Impfstoffen. In Südafrika gibt es bereits konkrete Entwicklungen und Lösungsansätze, die einen Mittelweg zwischen Open-Source und Profit einschlagen. Ein Bericht von Leonie March.

ANGOLA
Was geschah am 30. Januar?
Über ein Jahr nach dem Massaker von Cafunfo sind die Anführer der Sezessionisten verurteilt worden, doch die staatliche Gewalt bleibt unaufgearbeitet. Von Daniel Düster.

MALAWI
Lebensnahes Unterrichten
Umweltbildung im Schulfach "Agriculture" an Sekundarschulen in Malawi im Spannungsfeld von "Indigenous Knowledge" und "Western Science". Von Michael Kretzer.

NAMIBIA
Deutschland und Namibia: zwei Länder mit einer geteilten Geschichte
Ein unveröffentlichter Buchbeitrag von Henning Melber.

JUNGE STIMMEN
Brief aus Kolwezi
Libuseng Rakhomo ist 25 Jahre alt und kommt aus Lesotho. Sie arbeitet für eine südafrikanische NRO in der DR Kongo und erzählt ihre persönlichen Erfahrungen.

SERVICE
REZENSION - IN EIGENER SACHE

*

Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
51. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2022, S. 23-25
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: info@issa-bonn.org
Internet: www.issa-bonn.org
 
"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 40,-

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 13. August 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang