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AFRIKA/828: Die San in Namibia - Jagen, Sammeln und Landkonflikte (KRITISCHE Ökologie)


KRITISCHE Ökologie - Zeitschrift für Umwelt und Entwicklung
Nr. 74 Ausgabe 25 [1] - Sommer 2010

Die San in Namibia: Landkonflikte bei einer Lebensweise als Sammlerinnen [1] und Jäger - eine historische Perspektive [2]

Von Alison Roberts-Zschocke [3]


Während des 20. Jahrhundert wurde der Druck auf ethnische Gruppen, die vom Jagen und Sammeln lebten, so derartig erhöht, dass viele dieser Kulturen den Kampf um ihre Existenz verloren haben. Neben der Gründung der neuen Nationalstaaten auf den Trümmern des Kolonialismus sahen sie sich nicht nur den Versuchen ausgesetzt, sie als StaatsbürgerInnen zu assimilieren und sesshaft zu machen, sondern auch den Interessen neuer Eliten, ihr Land und dessen Ressourcen sowie ihre Arbeitskraft auszubeuten (BIESELE & HITCHCOCK 2000, 305). Die San in Namibia [4] sind eine solche Gruppe von Jägern und Sammlern, die von der Ausbeutung durch Staaten und einzelnen Akteuren betroffen waren und sind. Es gibt in Namibia mehrere San-sprechende Gruppen [5]. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Ju/'hoansi, eine Ethnie, die in der nördlichen Kalahari im Grenzgebiet zwischen Namibia und Botswana beheimatet ist.


Landrechte und die Lebensweise des Jagens und Sammelns vor der Zeit der Apartheid

In den allgemein verbreiteten Darstellungen von San sprechenden Gruppen (z. B. in dem Film: Die Götter müssen verrückt sein, der den Rassismus des Apartheid - Regimes thematisiert) wurde ihre Lebensweise des Jagen und Sammelns betont. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass weniger als 5% dieser Gruppen im 20. Jahrhundert noch ausschließlich von dieser Art der Nahrungsbeschaffung lebten. Allerdings boten die dadurch gewonnenen Erträge eine nahrhafte Ergänzung zum übrigen Speiseplan der San. Als Sammler beschaff(t)en Frauen bis zu 80% der Nahrung, die Früchte, Beeren, essbare Blätter und Wurzeln umfasst. Dagegen sind die Männer fürs Jagen zuständig. Obwohl Fleisch in ihrer Kultur sehr hoch geschätzt wird, sind die San wie andere Gruppen aus tropischen und subtropischen Regionen in erster Linie auf pflanzliche Nahrung angewiesen, da diese voraussagbar und verlässlich ist (LEE 1979, 158f). Dank ihres n!ore Systems waren die kleinen und flexiblen Gruppen (etwa 40 Menschen) in der Lage trotz der feindlichen Klimaverhältnisse die Trockenmonate zu überleben.

N!oresi (plural für n!ore) bedeutet übersetzt "der Ort, zu dem du gehörst" oder "der Ort, der Dir Nahrung und Wasser gibt". Er bezieht sich auf ein vage definiertes Stück Land, auf dem es ein Wasserloch und essbare Pflanzen gibt, und dem eine Gruppe von Besitzern (k"ausi) zugeordnet wird. Der Besitz wird über die väterliche oder mütterliche Linie von einer Generation an die nächste weitergegeben (BIESELE 1990, 1; LEE 1979, 334).

Es sei hier darauf hingewiesen, dass die Ju/'hoansi - Bedeutung des Wortes "Besitz", nicht mit dem westlichen Verständnis des Begriffes gleichzusetzen ist, der mit einschließt, dass etwas das Eigentum einer Person ist. Im Verständnis der Ju/'hoansi bezieht sich "Besitz" nicht auf eine einzelne Person, sondern immer auf eine Gruppe von Menschen. Wenn man zum Beispiel auf einem n!ore einer anderen Gruppe sein Lager aufschlagen wollte, oder die Ressourcen des Ortes nutzen wollte, musste man die Gruppe des n!ores um Erlaubnis bitten. In aller Regel wurde eine solche Bitte jedoch nicht abgewiesen, denn das System beruhte auf Gegenseitigkeit und garantierte, dass jeder Zugang zu den n!oresi der jeweils anderen Gruppen hat. In Trockenperioden oder wenn die Ressourcen einer bestimmten Region erschöpft sind, kann so Nahrungssicherheit geschaffen werden (LEE 1993, 93). Die egalitäre Einstellung der Ju/'hoansi zum Land und ihr System der Gegenseitigkeit sind wichtige Charakteristika ihrer Kultur, die ihnen vor allem aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts existentielle Schwierigkeiten einbrachte.


Landrechte und die Lebensweise als Jäger und SammlerInnen

Seit den 50'er Jahren des 20. Jahrhunderts waren die Ju/'hoansi der Nyae Nyae Region starken Veränderungen ausgesetzt. Dies betraf vor allem den Zugang zu Land. Darüber hinaus muss betont werden, dass alle San- Gruppen - wie alle anderen ethnischen Gruppen in Namibia und Südafrika auch - den rassistischen Gesetzen des Apartheidregimes unterworfen wurden.

In den 50'er Jahren, drangen europäische Farmer und von Viehhaltung lebenden Herero, Tswana und Kavango in die Region ein. Die Eindringlinge bedienten sich u.a. des sog. Blackbirding: Einzelne Personen oder ganze Familien gewaltsam zu entführen und als Arbeitsslawen auf der Farm zu halten. Dies hatte massive Auswirkungen auf die Sozialstrukturen und führte zu einem Mangel an Arbeitskräften in den Ju/'hoansi Gemeinschaften. (HITCHCOCK, 1996: 48). Mit dem Versprechen auf Arbeit, landwirtschaftlicher Ausbildung, Essensrationen und Zugang zu medizinischer Versorgung lockte die Regierung viele Ju/'hoansi, sich in der "Hauptstadt" Tsumkwe, die offiziell 1959 gegründet wurde, niederzulassen. Die Annehmlichkeiten der Stadt Tsumkwe, hatten allerdings verheerende Auswirkungen auf die Traditionen und Gebräuche der Ju/'hoansi: Hohe Arbeitslosigkeit, der einfache Zugang zu Alkohol und die Konfrontation mit neuen Krankheiten, führten zu einer Reihe von wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Problemen. Der Schwund von pflanzlicher Nahrung und Jagdwild im Umkreis von Tsumkwe [6] führten zu einer drastischen Abnahme des Jagens und Sammelns und zu einer generellen Unterernährung. Als Resultat der Abhängigkeit von Ernährungsrationen der Regierung ging das System der Gegenseitigkeit verloren. Die Menschen waren nicht mehr bereit, die Ressourcen, die sie für sich erschlossen hatten, zu teilen (HITCHCOCK 1996, 50).

Einen weiteren Einfluss übte die Einführung der Geldwirtschaft auf die örtlichen Gebräuche aus. GORDON und DOUGLAS (2000, 176) geben z.B. an, dass im Laden gekaufte Waren den Brautdienst als Legitimation einer Heirat zu ersetzen begannen. Dieser Brautdienst war Arbeit, die als Brautpreis erbracht wurde. Höhere Todesraten, sozialen Spannungen, Armut, Apathie und Unterernährung bestimmten zunehmend das Leben in Tsumkwe und führten dazu, dass die Ju/'hoansi Tsumkwe bald den Ort des Todes nannten (HITCHCOCK 1996, 50; BIESELE 1990, 7).

1970 wurden die Empfehlungen der Odendaal Komission, in die Tat umgesetzt und der Plan für 'divided development' (getrennte Entwicklung) im Sinne der Apartheitspolitik trat in Kraft. So wurden die sogenannten Homelands für die Ju/'hoansi geschaffen. Sie wurden West- und Ost Buschmannland genannt. Ironischer Weise hatte die Gründung der Homelands einen schweren Verlust an traditionellen n!oresi der Ju/'hoansi zur Folge. 40.000 km² mussten die Ju/'hoansi den Herero und Kavango abtreten und ein weiteres Stück Land wurde dem Kaudum (!Aodom) Wildtier Reservat zugeteilt. Für die Menschen in der Nyae Nyae Region bedeutete das einen Verlust von 90% ihrer traditionellen N!oresi und ein Verlust aller dauerhaften Wasserlöcher - bis auf ein einziges. (BIESELE 1990,1).

Zwischen viehhaltenden Nachbarn und dem Wildtier Reservat eingesperrt zu sein, hat die traditionelle Lebensweise weiter zerstört und führte zu einer Abwärtsspirale in den kulturellen Verfall. Die wachsende Abhängigkeit von Menschen mit Geld, führte dazu, dass das System der Gegenseitigkeit weiter verfiel. Dies verwandelte die zuvor egalitäre Gesellschaft in eine hierarchisierte Gesellschaft.

Eine weitere Verschlechterung ergab sich aus der Tatsache, dass das Buschmannland 1977 unter Naturschutz gestellt wurde. Dies bedeutete, dass die Ju/'hoansi bestimmte Tiere wie z.B. Giraffen und Pferde - Antilopen nicht mehr jagen durften. Auch wurde ihnen jetzt die Jagd zu Pferde mit Speeren untersagt. Diese Naturschutz-Bestimmungen hatten zur Folge, dass die Subsistenz-Jagd der Ju/'hoansi innerhalb zweier Jahrzehnte vollständig zum Erliegen kam und auch die Jagdtechniken völlig in Vergessenheit gerieten. Gegen Ende der 70er Jahre lebten kaum noch Ju/'hoansi auf ihren n!oresi (RITCHIE 1986, 313). Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Politik einen negativen Effekt auf das traditionelle Selbstbild der Männer als Jäger hatte. Dass sie ihre traditionelle Rolle als Jäger nicht mehr wahrnehmen konnten, wurde aller Wahrscheinlichkeit nach als Ernüchterung und großer Verlust und empfunden.

Eine weitere Maßnahme der südafrikanischen Kolonialverwaltung, die letztendlich die völlige Zerstörung die Ju/'hoansi Kultur bewirkte, war, dass junge San-Männer in die Südafrikanische Armee (South Africa Defence Force: SADF) eingezogen und im Kampf gegen die SWAPO (South West African People's Organisation) eingesetzt wurden. Im Vergleich zu den Khoe und Vaskale San, wurden die Ju/'hoansi erst relativ spät in diesen Krieg hineingezogen. Zunächst bediente sich das Militär vor allem ihrer guten Kenntnisse im Gelände und setze sie als Fährtenleser entlang der Grenze zu Botswana ein. Aber 1978 gründete die SADF das 203, das Buschmann-Bataillon, mit Tsumkwe als Hauptquartier. Bereits 1985 waren etwa 150 (etwa 40% der männlichen Bevölkerung von Bushmanland) mit Geldprämien in die Armee gelockt worden (LEE 1985, 39).

Den Sold, den sie bekamen und die Abhängigkeit von den Essenszuschlägen, und anderen Sach- und Dienstleistungen der SADF garantierte, dass die Männer und ihre Angehörigen sesshaft blieben, was sie weiter von ihren vor- kolonialen Lebensweisen entfremdete (HITCHCOCK 1996, 51). Ein Aspekt, der nähere Betrachtung verdient, ist, wie die Tätigkeit der Männer in der SADF den Status der Frauen in der Ju/'hoansi Gemeinschaft radikal veränderte. Die Tatsache, dass auch Frauen n!oresi erben konnten ist ein Beleg für die zuvor gendergerechten Sozialstrukturen. Darüber hinaus hatten Frauen durch ihre Rolle als Nahrungsbeschafferinnen einen hohen Status und Einfluss in den Gemeinschaften. Diese gendergerechten Strukturen wurden nun dadurch beschädigt, dass die Frauen für das tägliche Überleben von den Gehaltschecks der Männer abhingen (BECKER 2003, 19). Dazu kam, dass mit der Einführung des Geldes auch der Alkoholismus in der Region Tsumkwe deutlich zunahm und damit eine Zunahme häuslicher Gewalt gegen Frauen einherging (BECKER 2003, 12).

Den Ju/'hoansi, ihrer traditionellen Seinsweisen beraubt, wurde nun auf Projektebene "Hilfe zur Selbsthilfe" angeboten. Mit Hilfe von Cattle Funds ("Viehfonds") sollte den Menschen geholfen werden, landwirtschaftliche Gemeinschaften für eine Subsistenzwirtschaft aufzubauen und sich zu organisieren, um in dem, was von Ost- Buschmannland noch irgendwie übrig war, zu überleben (HITCHCOCK 1996, 54f). Über die Reaktionen der südafrikanischen Verwaltung gegenüber dem Cattle Fund ist in der Literatur nichts zu finden. Aber es ist zu vermuten, dass sie die Bestrebungen ignorierte, da sie den Plänen der Regierung, die Ju/'hoansi zu "zähmen" - z.B. Tierhaltung als Ersatz für das Jagen und Sammeln einzuführen - zuwiderliefen.

Die Pläne des Cattle Fund zur Dezentralisierung, die vermutlich die Dynamik der Nyae Nyae Farmers Cooperative ("Farmer-Kooperative von Nyae Nyae") ein paar Jahre später auslösten, waren allerdings nicht ohne Probleme. Natürliche Hindernisse waren z. B. die Löwen, die den Herden auflauerten, Elefanten, die wiederholt die Dornenbuschumzäunungen und Wasserpumpen zerstörten [7] und Termiten, die die Holzhäuser auffraßen. Auch der Zugang zu Wasser war ein Thema. In manchen Gegenden gab es keine Bohrlöcher, in anderen verbot die Verwaltung von Südwestafrika den Ju/'hoansi neue Pumpen zu bauen oder schon bestehende zu reparieren (HITCHCOCK 1996, 55). Trotzdem erzielte der Cattle Fund einige Erfolge. RITCHIE (1986, 319) berichtete von den neu gegründeten Cattle Posts ("Viehhaltungsposten"), dass die Menschen Milchprodukte aßen und zunehmend wieder jagten und sammelten.

Auch wenn der erste Versuch, die Menschen in der Nyae Nyae Region politisch zu mobilisieren, von natürlichen und administrativen Beschränkungen erschwert wurde, half er ihnen doch, zu ihren n!oresi zurückzukehren und weckte bei ihnen wieder die Vorstellungen von ihrem eigenen Land. Dies sollte ihnen später in ihrem Kampf um Landrechte auf der Grundlage ihrer neuen Subsistenzwirtschaft helfen.


Land Verteilung im heutigen Namibia

Die momentane Landverteilungspolitik in Namibia ist ein komplexes Feld, das viele, wenn nicht alle Bewohner des Landes beschäftigt. Während der Zeit der Apartheid wurden ethnische Gruppen von ihren traditionellen Gebieten vertrieben und in Homelands angesiedelt. In diesen Gebieten wurde auf Kosten der ursprünglichen Bevölkerung in erster Linie Nahrung für die weiße Bevölkerung angebaut. In einem Versuch, die Fehler der Vergangenheit wiedergutzumachen, verfolgt die neue Regierung von Namibia nun eine Politik der Verstaatlichung und Umverteilung. Dabei werden kommerzielle Farmen aufgekauft und an marginalisierte Gruppe wie die San zurückgegeben (WIDLOK 2003, 92ff). Doch in dieser Situation kommen nun neue Probleme auf:

Da der Regierung zu wenig Land zur Verteilung zur Verfügung steht, bleibt für die einzelnen neue LandbesitzerInnen letztendlich zu wenig, um durch Wanderweidewirtschaft, Ackerbau, Jagen oder Sammeln das Land produktiv und nachhaltig zu nutzen. Außerdem wird das Land überhaupt nur zur begrenzten Nutzung freigeben. Die wieder angesiedelten Menschen haben kein volles Besitzrecht, sondern leben unter der ständigen Bedrohung das Land wieder zu verlieren, wenn sie es nicht "produktiv nutzen" (WIDLOK 2003. 94).

Es versteht sich von selbst, dass diese Art der Umsetzung für die San Gemeinschaften (und andere in Namibia) eine neue Quelle für Konflikte darstellt. Kärgliche Stückchen Land, auf denen Jagen und Sammeln weder erlaubt noch möglich ist, führen zu einer kulturell entmutigenden Situation. WIDLOK (2003, 114f) weist darauf hin, dass die namibische Regierung inzwischen ähnliche Positionen vertritt wie die Verwaltung der Apartheid Ära: Nämlich den Privatbesitz Einzelner über den Gemeinschaftsbesitz stellt und so eher an die koloniale Praxis und weniger an die traditionellen Praktiken vor-kolonialer Landnutzungen anknüpft.


Conservancies [8]

In den communal areas ("kommunalen Gebieten") in Namibia hat die Regierung nach wie vor die Kontrolle über die Ressourcen, und alle Gewinne fließen in einen Central Reserve Fund ("Zentralen Reservefonds"). In einem System, das dem der Apartheid- Ära relativ ähnelt, kann die Regierung privaten LandbesitzerInnen Steuervergünstigungen für das Land selber und seinen natürlichen Ressourcen erteilen. Dadurch kann sich die Regierung eine gewisse Kontrolle über dieses Land und dessen Nutzungsform sichern. Diese Politik läuft allerdings den Hauptinteressen der San zuwider, nämlich die volle Kontrolle über ihr Land und über die dort für sie nutzbaren Ressourcen wiederzuerlangen. Glücklicherweise zeigen die Bemühungen der Ju/'hoansi Erfolge. Ihre Landrechte sind sowohl auf nationaler - wie auch regionaler Ebene mittlerweile anerkannt: 1996 wurde die namibischen Bestimmungen zum Naturschutz geändert, und 1998 wurde den Ju/'hoansi von Nyae Nyae Namibias erste kommunale Conservancy zur traditionellen Nutzung zugesprochen (HOHMANN 2003:211; HITCHCOCK 1999, 482).

Kommunale Conservancies (Communal area conservancies) werden in Namibia folgendermaßen definiert: "Ein begrenztes Stück gemeinsames Land, auf dem einer Gruppe von Personen, die Bewohner des Landes, das Recht zugesprochen wird in nachhaltiger Weise Wild zu jagen" (HOHMANN ebd.). Die Nyae Nyae Farmers Cooperative ist die Organisation, die die JU/'hoansi in der Nyae Nyae Conservancy vertritt und die Wildtierbestände und den Ökotourismus überwacht. Der Erfolg der Ju/'hoansi Conservancy verbreitete sich wellenartig weiter. Seit 1998 wurden insgesamt 14 solcher kommunalen Conservancies gegründet und mindestens 30 mehr sind in Planung. Die schließt eine Fläche von etwa 35.500km² oder 5% der Staatsfläche ein, wo über 30.000 Menschen beschäftigt sind und so von den kommunalen Conservancy Programmen profitieren können (HOHMANN 2003, 212).

Auch Bewohner von Tsumwke West (früher: West-Buschmannland) haben Bemühungen unternommen die N≠a Jaqna Conservancy in ihrer Region zu gründen, aber sie waren mit den verschiedensten inneren und äußeren Probleme konfrontiert: Die Bevölkerung in der Region besteht aus Ju/'hoansi San, verschiedenen Arbeitern des (weißen) kommerziellen landwirtschaftlichen Sektor - hauptsächlich burischer Abstammung - und anderen San Gruppen, da in der Region mehrere San Buschmann Bataillone angesiedelt waren, die zum größten Teil aus Kxoe und Vasakela San Soldaten bestanden. Die Region ist also von hoch mobilen Gruppen besiedelt. Das macht es schwierig, das Land als gemeinsames Land zu definieren und dauerhafte und repräsentative Sprecher zu bestimmen (HOHMANN 2003 214, 222).

Obwohl Jagen und Sammeln immer noch zu den Haushaltseinkommen in der Region beitragen, berichten viele San, dass sie auch in anderen Wirtschaftssektoren ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Der Verkauf und die Produktion von Handwerk, Getreideanbau und Viehhaltung und gelegentliche Lohnarbeit für kommunale oder kommerzielle Bauern und die Teilnahme an Tourismusprojekten (wie etwa dem Omaheke Valley Rest Camp) sind Möglichkeiten, in der Region Einkommen zu erwirtschaften (HOHMANN 2003, 216).


Ausblick

Dieser Artikel beschreibt vor allem den Wandel der Wildbeuter- und Sammlerkultur, der den Ju/'hoansi von außen aufgezwungen wurde und wie es die Ju/'hoansi im 20. Jahrhundert dennoch geschafft haben, sich ihre Lebensweise zu erhalten.

Obwohl diese ethnische Gruppe bis zu einem gewissen Grad und auf unterschiedliche Art und Weise noch immer jagt und sammelt, werden die Ju/'hoansi wahrscheinlich nie vollständig zu einer Lebensweise als Wildbeuter und Sammler zurückkehren. Ihre kulturellen Traditionen und traditionellen Formen des Wirtschaftens sind vielen Herausforderungen ausgesetzt gewesen, die an kulturelle Assimilation grenzen. Sie waren Opfer der entmenschlichenden Apartheid- Politik, deren Verfechter in ihnen vor allem ein Reservoir an billigen Arbeitskräften für weiße Siedler oder Fährtensucher für die Kolonialarmee sahen. Wenn man all diese Schwierigkeiten betrachtet, die die Ju/'hoansi durchlebt haben, ist es erstaunlich, wie sie sich bestimmte kulturelle Traditionen erhalten haben und wie sie das Jagen und Sammeln in ihre nun gemischten Wirtschaftssysteme integriert haben.

Dies spricht für eine spezifische Form kultureller Resilenz ("Widerstandskraft"), die äußerst selten zu finden ist. Die Ju/'hoansi haben einige Erfolge erzielt, die Kontrolle über ihr Land und seine Ressourcen wiederzuerlangen. Die Resilenz, die ihrer Kultur inhärent ist, wird zweifelsohne weiterbestehen und ihnen helfen, sich die Dinge, die für die Kultur der San lebenswichtig sind, zu sichern: nämlich das Land und seine Ressourcen.


Literatur:

BECKER, Heike (2003): The Least Sexist Society? Perspectives on Gender Change and Violence among southern African San. Journal of Southern African Studies 29 (1): 1-23.

BIESELE, Megan & Robert HITCHCOCK (2000): The Ju/'hoansi San under two States: Impacts of the South West African Administration and the Government of the Republic of Namibia. In: P. SCHWEITZER, M. BIESELE and R. HITCHCOCK (Hrg.): Hunters and Gatherers in the Modern World: Conflict, Resistance, and Self-Determination. New York: Berghahn Books, pp: 305 - 326.

BIESELE, Megan (1990): Shaken Roots: The Bushmen of Namibia. Marshalltown, South Africa: EDA Publications.

GORDON, Robert & Stuart Sholto DOUGLAS (2000): The Bushman Myth: The Making of a Namibian Underclass2 Boulder: Westview.

HITCHCOCK, Robert (1999): Indigenous peoples' rights and the struggle for survival. In R. Lee and R. Daly (Hrsg..), The Cambridge Encyclopaedia of Hunters and Gatherers. Cambridge: Cambridge University Press, pp: 480-486.

HITCHCOCK, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa. International Work Group for Indigenous Affairs Document no. 79. Copenhagen, IWIGA.

HOHMANN, Thekla (2003): "We are looking for life. We are looking for the conservancy" Namibian Conservancies, Nature Conservation and Rural Development: The N?a-Jaqna Conservancy. In: T. HOHMANN (Hrsg.), San and the State: Contesting Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag, pp: 205-254.

LEE, Richard (1993): The Dobe Ju/'hoansi2 [first publication titled The Dobe !Kung] Fort Worth: Harcourt College Publishers

LEE, Richard (1985): Foragers and the State: Government Policies Toward the San in Namibia and Botswana. In C. SCHRIRE and R. GORDON (Hrsg.), The Future of Former Foragers in Australia and Southern Africa. Cambridge, MA: Cultural Survival, pp: 37-45.

LEE, Richard (1979): The !Kung San: Men, Women, and Work in a Foraging Society. Cambridge: Cambridge University Press.

RITCHIE, Claire (1986): From Foragers to Farmers: The Ju/wasi of Nyae Nyae Thirty Years On. In: BIESELE, M., Gordon, R. & R. Lee (Hrsg):The Past and Future of !Kung Ethnography - Critical Reflections and Symbolic Perspectives Essays in Honour of Lorna Marsh (Quellen zur Khoisan Forschung 4) Hamburg: Helmut Buske Verlag, pp: 311-325.

WIDLOK, Thomas (2003): The Needy, the Greedy and the State: Dividing Hai//om Land in the Oshikoto Region. In: T. HOHMANN (Hrsg.), San and the State: Contesting Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag, pp: 87-119.


Fussnoten

[1] In "Jäger- und Sammlerkulturen" tragen die Frauen durch "Sammeln" zumeist den weit aus größten Teil zur Ernährungssouveränität der Gemeinschaft bei. Daher benutzen wir in dieser Zeitschrift in diesem Zusammenhang auch die weibliche Form.

[2] Der Artikel wurde uns freundlicherweise von der Autorin unter dem Titel: The San in Namibia - Land Rights and Hunting and Gathering in a historical perspective zur Verfügung gestellt und von Nele Saworski übersetzt.

[3] Alison Roberts-Zschocke ist Ethnologin. Ihr Artikel basiert auf einer Feldforschung, die sie im März 2006 in Namibia gemacht hatte.

[4] Obwohl der Begriff "San" in Namibia weitgehend akzeptiert ist, wird in Texten über San sprechende Gruppen in Botwana die Bezeichnung "Basarwa' verwendet. Der Begriff "San" ist umstritten, denn er ist aus dem Khooi Koi entlehnt und bedeutet soviel wie Schurke und wird außerdem von den "Bushmen" selbst nicht gebraucht. Für diesen Text werde ich den Begriff San benutzen weil er genderneutral und nicht so herab wertend konnotiert ist wie "Buschmann".

[5] Zu den wichtigsten San Gruppen, die in Namibia zusammengenommen 1.2% der Bevölkerung ausmachen, zählen die Hai//om (11.000 Menschen) die Ju/h'oansi (7000 Menschen), die !Khu (6000 Menschen), die Khoe (5000 Menschen), die Nharo (1.500 Menschen) die //Khau-//esi (2000 Menschen und die !Xoo (300 Menschen) (HITCHCOCK 1996, 46).

[6] In einer Fußnote bemerkt RITCHIE (1986) das die Region um Tswumkwe etwa 20 bis 40 Menschen 6 Monate im Jahr gut ernähren konnte. Die sich ballende Bevölkerung, und fremde Jagdgesellschaften (auch aus der südafrikanischen Kolonialverwaltung) waren also die Hauptursache für den Wildmangel in der Region.

[7] Das Problem, dass Elefanten Wasserpumpen zerstören, gibt es nach wie vor. Während meines Besuches in der Nyae Nyae Region 2006 reiste ich mit einem Mann, der Zement transportierte, um das Fundament der Pumpen südlich von Tswumwke gegen Elefanten zu verstärken

[8] Conservancies sind Zusammenlegungen größerer Ländereien zur extensiven, meist Wildtiernutzung in Namibia. Sie können privater Natur als Zusammenlegung mehrerer Farmen oder auch in staatlichem Besitz auf kommunalem Land sein. Als Conservancy erhalten sie einen besonderen Rechtsstatus.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: In der Nähe von Tsumkwe, dort wo die großen Bäume - riesige Baobabs- sind, befindet sich das Dorf Amokuri.

Abb. 2: Allen Kindern Zugang zu Bildung zu verschaffen, gestaltet sich als schwierig. Dabei ist der Mangel an Schulräumen - hier der Rumpf eines Flugzeugs im Dorf Den/ui - noch eines der kleineren Probleme. Es mangelt nämlich vor allem an San-sprechenden Lehrkräften.

Abb. 3: Die einzige Hererofrau im Dorf Amokuri.

Abb. 4: Im Frühjahr 2006 hat es in Namibia ungewöhnlich stark und lange geregnet: So ist die Kalahari ergrünt ...

Abb. 5: ... und selbst offenes Wasser ist jetzt zu finden.

Abb. 6: Im Dorf Amokuri leben etwa 10 Großfamilien.


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Quelle:
Kritische Ökologie, Nr. 74 Ausgabe 25 [1] Sommer 2010, s. 24-28
Herausgegeben vom Institut für angewandte Kulturforschung (ifak) e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010