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AFRIKA/855: D.R. Kongo - Zahl der Vergewaltigungsopfer auf 250 gestiegen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. September 2010

D.R. Kongo: Zahl der Vergewaltigungsopfer auf 250 gestiegen - Militär und UN ermitteln

Von Aprille Muscara


New York, 2. September (IPS) - Die Vereinten Nationen haben die Zahl der Frauen, die im Osten Demokratischen Republik Kongo Massenvergewaltigungen zum Opfer fielen, nach oben korrigiert. Waren zunächst 150 Vergewaltigungsopfer identifiziert wurden, sind es nun fast 250, hieß es jetzt am Sitz der Weltorganisation in New York.

Die Rebellen waren vom 30. Juli bis 3. August in mehrere Dörfer im Umkreis des ostkongolesischen Urwaldbezirks Walikale eingefallen, wo sie rund 150 Frauen vergewaltigten. Seither machen sie die Gebiete Mubi und Pinga unsicher. Angesichts der zunehmenden Gewalt haben die UN-Friedensmission MONUSCO und das kongolesische Militär ihre Präsenz in der Region verstärkt, um die Bevölkerung besser schützen zu können. Wie MONUSCO mitteilte, werden auch Hubschrauber zur Überwachung der Gegend eingesetzt.

Die Armee des afrikanischen Landes habe zudem Ermittlungen eingeleitet, heißt es in der Erklärung der UN-Mission. "Ein Verdächtiger wurde bereits festgenommen." Die Weltorganisation ist allerdings nicht befugt, die Täter zu ergreifen und vor Gericht zu stellen. Dafür sind allein die Behörden im Kongo zuständig.

Wie UN-Sprecher Farhan Haq gegenüber IPS erklärte, melden sich die Opfer erst allmählich bei MONUSCO, seit der Schutz für ihre Dörfer verstärkt und die Rebellen zurückgedrängt wurden. Nach Erkenntnissen der UN gehen die Massenvergewaltigungen auf das Konto von Anhängern der Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas (FDLR) und der 'Mai Mai Cheka'.

Beide Gruppen terrorisieren seit längerem die Einwohner der rohstoffreichen Region und plündern Dörfer aus. Vergewaltigungen von Frauen und Kindern setzen sie als Kriegswaffe ein. Über die hohe Zahl von Opfern nach dem Überfall auf Walikale Ende Juli bis Anfang August hatten zuerst Vertreter von Hilfsorganisationen berichtet.

MONUSCO und der UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) führen unterdessen eine eigene Untersuchung der Vorfälle durch, wie UN-Sprecher Martin Nesirqy sagte.


Kritik an UN-Friedenseinsatz

Die Vereinten Nationen und ihre Kongo-Friedensmission gerieten heftig in die Kritik, als die neue Welle von Massenvergewaltigungen Ende August bekannt wurde. Der mit rund einer Milliarde US-Dollar finanzierten UN-Mission wurde vorgeworfen, nicht genug unternommen zu haben, um die Überfälle der Rebellen zu verhindern. Ihre oberste Aufgabe sei schließlich der Schutz der Zivilisten, kritisierten Beobachter.

Die UN selbst räumen inzwischen ein, dass die 80 eingesetzten Friedenssoldaten nicht ausreichen, um das rund 300 Quadratkilometer große dichte Waldgebiet um Walikale zu kontrollieren. "Sie können nicht hinter jedem Busch stehen", sagte der scheidende UN-Nothilfekoordinator John Holmes.

Zum Zeitpunkt des Überfalls auf Walikale war den Vereinten Nationen allerdings bereits bekannt, dass Rebellen im Umkreis ihr Unwesen trieben. Bis zum 10. August habe die UN Informationen über 25 Vergewaltigungen erhalten, berichtete die 'New York Times'. Zuvor hatten UN-Mitarbeiter erklärt, erst zwei Tage später von den Vorfällen erfahren zu haben. Bis zum 2. August wurde in den Dörfern jedoch keine einzige MONUSCO-Patrouille gesichtet.

Die Regierung der D.R. Kongo beharrt unterdessen darauf, dass das Land keine UN-Friedenstruppen brauche. Eine Verlängerung des Einsatzes über den nächsten Sommer hinaus lehnt Kinshasa daher ab. Die Mission ist vor Ort, seit 1999 ein Waffenstillstand zwischen verschiedenen Kriegsparteien vereinbart worden war. Fast 2.000 Blauhelme, die im relativ stabilen Westen des zentralafrikanischen Landes stationiert waren, kehrten bereits im Juni nach Hause zurück.


Hilfsorganisationen misstrauen kongolesischer Armee

Gegen einen Abzug von MONUSCO protestieren jedoch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Sie sehen die kongolesische Armee nicht dazu in der Lage, für Frieden und Sicherheit im Land zu sorgen. Zudem werden den Soldaten ebenso wie den Rebellen Menschenrechtsverbrechen an Zivilisten, darunter auch systematische Vergewaltigungen, vorgeworfen.

"So lange bei den kongolesischen Truppen keine Disziplin herrscht, sind sie ein Gefahr für die Bevölkerung und vor allem für die Frauen", warnte Marcel Stoessel, der Leiter der Sektion von 'Amnesty International' in der D.R. Kongo. Von MONUSCO sei die größte Hilfe für die Zivilbevölkerung zu erwarten. Stoessel hält allerdings auch eine umfassende Reform der Sicherheitsstrukturen für notwendig, um ein Ende der Straffreiheit für Menschenrechtsverstöße zu erreichen. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://monuc.unmissions.org/
http://www.amnesty.org/en/region/democratic-republic-congo
http://ochaonline.un.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52693

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2010