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AFRIKA/940: Sudan - Referendum nur der Anfang, fortgesetztes internationales Engagement gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Januar 2011

Sudan: Referendum nur der Anfang - Fortgesetztes internationales Engagement gefordert

Von Jim Lobe


Washington, 7. Januar (IPS) - Vor Beginn des einwöchigen Referendums über die Unabhängigkeit des Südsudans am 9. Januar haben internationale Experten gefordert, die Entwicklungen auch nach dem Volksentscheid und einer Teilung des Staates fest im Auge zu behalten. So müsse für die vollständige Umsetzung des Friedensvertrags von 2005 gesorgt werden, der unter anderem ein Abkommen über die künftige Aufteilung der Öleinnahmen vorsieht.

"Unser Plan ist engagiert zu bleiben", erklärte Gayle Smith, eine Sudan-Expertin des Nationalen Sicherheitsrats von US-Präsident Barack Obama, vor Teilnehmern der 'Brookings Institution' in Washington am 6. Januar. Die US-Regierung werde auf jeden Fall am Norden und Süden des Sudans dranbleiben und andere Schlüsselakteure um Unterstützung bitten.

Befürchtet wird, dass das Referendum, das aller Voraussicht nach zugunsten der Unabhängigkeit des Südsudans ausfällt, neue Spannungen und den Ausbruch von Gewalt in anderen Konfliktregionen wie Darfur, Süd-Kordofan und den Regionen am Nil-Oberlauf verursachen wird.


Gefahr eines verfehlten und fragmentierten Staates

"Die Lage im Norden ist fragil und macht einen vorsichtigen Umgang erforderlich", meinte auch die ehemalige norwegische Entwicklungsministerin Hilde Johnson, die eine entscheidende Rolle beim Zustandekommen des Friedensvertrags von 2005 gespielt hatte. Ihre Erfahrungen sind in ihrem jüngst erschienenen Buch 'Waging Peace in Sudan' festgehalten. Sollte die Situation schlecht gehandhabt werden, "besteht nicht nur das Risiko eines verfehlten, sondern auch eines fragmentierten Staates".

Tatsächlich steht viel auf dem Spiel. Für den Fall, dass Staatspräsident Omar al-Baschir das Referendum nicht anerkennt, droht eine Wiederauflage des mit 21 Jahren längsten Kriegs Afrikas, der zwei Millionen Menschen und vor allem Südsudanesen das Leben kostete. Die Voraussetzungen sind durchaus gegeben. So hat der Südsudan 40 Prozent seines Budgets für den Kauf von Waffen und den Aufbau seiner militärischen Kapazitäten ausgegeben. Khartum wiederum hat die ihm treu ergebenen ethnischen Milizen längst der Grenze nicht, wie im Friedensvertrag vorgesehen, entwaffnet.

Dennoch sind durchaus positive Entwicklungen zu vermelden. So ist die Erfassung der Wähler des Referendums weitgehend störungsfrei abgelaufen. Darüber hinaus signalisierte al-Baschir bei seinem Besuch in der südsudanesischen Hauptstadt Juba am 4. Januar die Bereitschaft, sich mit der offenbar unvermeidlichen Unabhängigkeit des Südens abzufinden.

"Ich werde glücklich über einen Frieden zwischen beiden Seiten sein", erklärte der Staatschef, der wegen Kriegsverbrechen und Völkermord in Darfur vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagt wurde. "Auch nach der Geburt eines südlichen Staates, werden wir als die Regierung in Khartum zu technischer oder logistischer Hilfe bereit sein und mit Ausbildung und Rat zur Seite stehen."

Doch das Misstrauen des Südens gegenüber die Baschir-Regierung ist groß - nicht zuletzt weil sie sich nicht mit der südsudanesischen Regierung unter Führung von Salva Kiir Mayardit auf die Umsetzung wichtiger Auflagen des Friedensvertrages einigen konnte. Dazu gehört auch das Schicksal der ölreichen Abyei-Region längst der Nord-Süd-Grenze.


Gefahrenpotenzial Abyei

In Abyei sollte ebenfalls am 9. Januar ein Referendum anlaufen. Es musste auf Geheiß einer Kommission, die von der Zentralregierung einberufen worden war, verschoben werden. Für Unstimmigkeiten sorgte insbesondere die Forderung, die Mitglieder einer Nomadengruppe am Volksentscheid mitwirken zu lassen, die enge Verbindungen zu Khartum unterhält.

Dass es der Troika Großbritannien, Norwegen und USA nicht gelungen ist, das Referendum in Abyei doch noch termingerecht stattfinden zu lassen, gebe Anlass zu Sorge, betonte die Norwegerin Johnson, die inzwischen dem Kinderhilfswerk UNICEF als Vize-Exekutivdirektorin vorsteht.

Ebenso ungelöst ist die Frage, wie die Einkommen aus der Erdölproduktion in Nord- und Südsudan nach einer Abspaltung geteilt werden. Das derzeitige Abkommen, das eine 50:50-Lösung beinhaltet, läuft im Juli aus.

Die Erdöleinnahmen haben sich in den letzten zehn Jahren versechsfacht. Sie machen 90 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus und finanzieren zwei Drittel des gesamtsudanesischen und so gut wie den ganzen südsudanesischen Haushalt abzüglich der international geleisteten Hilfe. Etwa 80 Prozent der landesweiten Produktion stammen aus den Ölfeldern des Südens.

Auch wenn der Südsudan nach einer Unabhängigkeit einen Teil des schwarzen Goldes über alternative Routen absetzen kann, so wird er auch in Zukunft auf die sudanesische Erlaubnis angewiesen sein, dessen Häfen nutzen zu dürfen. Das gibt Khartum nach Ansicht von Rich Williamson, einem ehemaligen Sondergesandten, eine gute Verhandlungsposition.

"Beide Seite werden gierig sein", erklärte Williamson am 4. Januar. Auch dieser Umstand mache ein fortgesetztes Engagement der internationalen Gemeinschaft in Nord- und Südsudan erforderlich. Das Zusammenkommen eines Abkommens über eine gerechte Teilung der Erdöleinnahmen müsse ebenso vorangetrieben werden, wie alle übrigen im Friedensvertrag vereinbarten Absprachen. Für den Fall, das dies gelingt, hat Washington Khartum in Aussicht gestellt, den Sudan von der Liste der Staaten zu streichen, die den internationalen Terrorismus unterstützen. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2011