Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/996: Südliches Afrika - Angst vor eigenem Tribunal, Herausforderung für Gipfeltreffen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Mai 2011

Südliches Afrika: Angst vor eigenem Tribunal - Herausforderung für Gipfeltreffen

Von Servaas van den Bosch


Windhuk, 17. Mai (IPS) - Auf ihrem außerordentlichen Gipfeltreffen vom 20. und 21. Mai in der namibischen Hauptstadt Windhuk haben die Staatspräsidenten der 15 Mitgliedsländer der Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC) einige harte Nüsse zu knacken. Neben einem Fahrplan für die Wahlen in Simbabwe und der Machtteilung in Madagaskar steht auch die Frage nach dem künftigen Umgang der Staaten mit den oftmals unbequemen Entscheidungen des SADC-Regionalgerichts auf dem Programm.

Seit 2008 hat das Tribunal etliche Urteile im Zusammenhang mit den rund 3.000 Landenteignungen in Simbabwe gefällt, denen vorwiegend weiße Farmer zum Opfer fielen. Die Regierung von Staatspräsident Robert Mugabe stellt die im Jahr 2000 angelaufene Enteignungswelle als Landreform dar, die landlosen Schwarzen zu eigenem Land verholfen hat.

Doch das Gericht entschied in allen verhandelten Fällen zugunsten der vertriebenen Bauern und forderte Harare zur Zahlung von Entschädigungen auf. Daraufhin sprach Simbabwe dem Gericht die Zuständigkeit ab. Nun ist es Sache der Staatschefs, in dieser Frage zu entscheiden.

Bisher scheuten sie sich jedoch vor den Auswirkungen, die ein Ausschluss Simbabwes aus dem Staatenbund mit sich brächte. Deshalb beschlossen sie auf ihrem Gipfeltreffen im August 2010, zunächst einmal die Arbeit des Gerichts zu suspendieren - bis zur 'Überprüfung' seiner Zuständigkeiten durch unabhängige Sachverständige.


Rückhalt aus Cambridge

Im Februar kamen die in Anspruch genommenen Berater der Cambridge-Universität zu dem Schluss, dass das SADC-Tribunal angemessen und im Rahmen seiner Möglichkeiten gehandelt habe. Sie empfahlen dem Länderbündnis zudem, das Regionalgericht zu stärken und künftig Taktiken zu unterlassen, die im Fall der simbabwischen Farmer die Auszahlung von Entschädigungen verzögert hatten.

"Der Bericht über die Arbeit des Tribunals fiel ziemlich positiv aus", meinte dazu Rechtsanwalt Norman Tjombe, der mit einigen Fällen betraut wurde. Dass die Sachverständigen die Entscheidungen des Gerichts als angemessen anerkannten und darüber hinaus eine Stärkung des SADC-Tribunals anmahnten, "hat Simbabwe sehr wütend gemacht".

Die ersten Hinweise darauf, dass Empfehlungen der Universität von Cambridge nicht den Vorstellungen der SADC entsprechen könnten, traten auf dem SADC-Ministerratstreffen vom 11. bis 15. April im namibischen Swakopmund zutage. Dort erklärte die namibische Richterin Pendukeni Ivula-Ithana, dass die Bürger ein Anrecht auf ein gut funktionierendes SADC-Tribunal hätten.

Doch nicht nur die vertriebenen simbabwischen Farmer warten auf den nächsten Schritt ihrer Regierungen im Umgang mit dem Lokaltribunal. Lesotho, Südafrika und Simbabwe sehen sich mit einer Forderung von 'Swissbourgh' in Höhe von 570 Millionen US-Dollar konfrontiert. Die Firmengruppe mit Sitz in Südafrika will für die die Aberkennung ihrer Bergbaurechte zugunsten des Lesotho-Hochland-Wasser-Projekts im Jahr 1991 ebenfalls entschädigt werden.

Josias van Zyl, Geschäftsführer von Swissbourgh, wirft den drei Ländern vor, gemeinsam die Suspendierung des SADC-Gerichts betrieben zu haben, um eine Anhörung in der Angelegenheit zu verhindern. Swissbourgh hatte vor dem Tribunal einen Antrag auf Nicht-Anerkennung der Autorität der drei Staaten gestellt, die Bergbauarbeiten der Firma zu unterbinden.

Tjombe reichte Ende März einen ähnlichen Antrag mit der Begründung ein, dass die im August 2010 gefällte Entscheidung der SADC, die Operationen und Funktionen des SADC-Gerichts zu suspendieren, jeder rechtlichen Grundlage entbehre. "Doch bisher haben wir von dem Tribunal nichts gehört."


Firma droht SADC mit Klage

Swissbourgh hat der SADC in einem Schreiben mit einer Klage in Gaborone in Botswana, dem Sitz der SADC, gedroht. Auch will die Firma gerichtlich gegen einzelne SADC-Mitglieder in den jeweiligen Ländern vorgehen, sollten sie das Regionalgericht weiterhin torpedieren. Jeder Versuch, das Tribunal zu schwächen, sei ein Verstoß gegen internationales Recht und internationale Menschenrechtsabkommen, so van Zyl.

Doch die Möglichkeiten, Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger zu nehmen, hält Norman Tjombe für gering. "Sie werden den Bericht (der Universität Cambridge) einfach ignorieren und eine Entscheidung in der Angelegenheit vertagen", sieht er voraus. "Das wird ein trauriger Tag für die Rechtstaatlichkeit sein."

"Die weit verbreitete Praxis in Mitgliedsstaaten, die Urteile des SADC-Gerichts zu ignorieren oder unbequeme Richter gegen genehmere auszutauschen, wird nun auf SADC-Ebene fortgesetzt", unterstrich der Anwalt. "Das SADC-Tribunal war ein Sprung nach vorn gewesen. Nun könnte es stranguliert und umgebracht werden."

Der SADC gehören Angola, Botswana, Demokratische Republik Kongo (DRC), Lesotho, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Südafrika, Swasiland und Tansania an. Das SADC-Gericht hat seinen Sitz in Windhuk. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.sadc-tribunal.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55647

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Mai 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2011