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ASIEN/743: Pakistan - Ausbildungszentren für Frauen im Visier der Taliban (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Mai 2011

Pakistan: Nach der Zerstörung der Schulen - Ausbildungszentren für Frauen im Visier der Taliban

Von Ashfaq Yusufzai


Peshawar, Pakistan, 30. Mai (IPS) - Shahida Jabeen ist am Boden zerstört. Seit einer Bombendrohung militanter Islamisten ist es mit dem Traum vorbei, sich an einem Zentrum in ihrer Heimatstadt in Süd-Waziristan im Nordwesten Pakistans beruflich fortzubilden. "Den Lehrgang nicht abschließen zu können, war ein schwerer Schlag", sagt sie.

Auch das Trainingszentrum, das Wajiha Begum besuchte, musste dichtmachen. "Schon meine Mutter hat hier Sticken gelernt", berichtet sie. "Ich wollte in ihre Fußstapfen treten, doch Taliban haben es verhindert. Erst zerstörten sie die Schulen, und dann waren unsere Ausbildungszentren dran."

Jabeen and Begum gehören zu den tausenden pakistanischen Frauen, die in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) leben, einer autonomen Region an der pakistanisch-afghanischen Grenze. Sie fühlen sich um die Chance gebracht, sich beruflich weiterzuentwickeln.

"Wir wollten über einen Zeitraum von fünf Jahren mindestens 30.000 Frauen schulen. Doch die Islamisten haben unsere Pläne zunichte gemacht", berichtet der Projektbeauftragte Anwar Shah.

Seit US-geführte Truppen die Taliban Ende 2001 in Afghanistan von der Macht vertrieben, haben tausende der selbsternannten Gotteskrieger die 2.400 Kilometer lange poröse Grenze nach Pakistan überquert. Seither schwappt eine schier endlose Welle terroristischer Anschläge über das südasiatische Land, die inzwischen auch die in den FATA 2001 angelaufenen Frauenförderkurse mit sich reißt.


Berufsbildungskurse für Analphabetinnen

Hinter den Lehrgängen steckt die Idee, der weitgehend aus Analphabetinnen bestehenden weiblichen Bevölkerung der Region zu helfen, eine Fertigkeit zu erlernen, die ihr ein Auskommen verschaffen kann. In den FATA hat die Regierung 1,8 Millionen US-Dollar für die Eröffnung solcher Förderzentren in allen sieben Stammesgebieten bereitgestellt.

Viele Jahre lang ging alles gut, und die Frauen kamen in Trauben, um sich in die verschiedenen Kurse einzuschreiben. "Das Problem begann 2005, als die Islamisten dazu übergingen, Schulen in die Luft zu sprengen", sagt Shah. "In den letzten Jahren wurden 31 Zentren zerstört, und hunderte Frauen hatten das Nachsehen."

In den insgesamt 70 Zentren konnten jeweils 20 Frauen über einen Zeitraum von sechs Monaten Schneidern, Stricken, Sticken, Kochen, Hygiene, Säuglingspflege und andere Kenntnisse erwerben. Jedes Zentrum konnte zwei Lehrgänge pro Jahr anbieten. Dann sorgten die Taliban dafür, dass viele Ausbildungslehrgänge eingestellt werden mussten.

"Warum sprengen sie Schulen und Frauenförderzentren? Uns wurden Kenntnisse vermittelt, mit denen wir unsere verarmten Familien unterstützten können", fragt Gul Nasreen aus Nord-Waziristan, wo alle 13 Zentren nach Bombendrohungen geschlossen werden mussten. Das Gleiche gilt für Süd-Waziristan. Dort wurden 13 Zentren in die Luft gejagt.

"In den Zentren, in denen nicht alle Räume hochgegangen sind, wurden Maschinen, Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gestohlen", heißt es in einem Bericht des FATA-Sekretariats in Peshawar.

Gul Nasreen hatte 2007 gerade de Hälfte ihres Kurses hinter sich gebracht, als das von ihr besuchte Fortbildungszentrum zerstört wurde. "Hätte ich den Kurs abgeschlossen und könnte ein Zertifikat vorweisen, würde ich in jeder Nichtregierungsorganisation unterkommen", ist sie überzeugt und berichtet von Dutzenden Frauen in ihrer Nachbarschaft, die den Lehrgang abgeschlossen haben und gutes Geld verdienen.


Wiederaufbau geplant

Das FATA-Sekretariat versucht nun mit Hilfe der lokalen Bevölkerung die zerstörten Zentren wieder aufzubauen, die 8.000 Frauen erfolgreich durchlaufen haben. So stellte die Regierung 900.000 Dollar bereit, um die zerstörten Gebäude zu restaurieren und die Kurse für Frauen fortzusetzen. Die Arbeiten sollen beginnen, sobald sich die Sicherheitslage bessert.

Einige Frauen, die das Glück hatten, ihren Lehrgang abzuschließen, haben nun selbst damit begonnen, ihre Kenntnisse an andere Frauen weiterzugeben. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2011