Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/749: Sri Lanka - Militär gegen Gewerkschaften, Regierung zieht Rentenreform zurück (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Juni 2011

Sri Lanka: Militär gegen Gewerkschaften - Regierung zieht Rentenreform zurück

Von Amantah Perera


Katunayake, Sri Lanka, 14. Juni (IPS) - Roshen Chanaka wurde mit einer beispiellosen Manifestation srilankischer Staatsmacht zu Grabe getragen. Der 22-jährige Arbeiter aus Sri Lankas Sonderwirtschaftszone (FTZ) Katunayake war bei einer Protestdemonstration gegen eine geplante Rentenreform von der Polizei angeschossen worden und wenig später an den tödlichen Verletzungen gestorben. Um weiteren Protesten vorzubeugen, ließ die Regierung Chanakas Leiche tagelang, bis zur Beisetzung, von einer Militäreskorte bewachen.

Staatspräsident Mahinda Rajapakse wollte eine Ausweitung der Proteste um jeden Preis verhindern. Er zog die Polizei und später auch das Militär aus Katunayake ab und erklärte, die umstrittene Rentenreform werde vorerst auf Eis gelegt und zunächst mit Vertretern der Gewerkschaften, der politischen Parteien und der Regierungsfraktion im Parlament beraten.

Katunayake, 30 Kilometer nördlich der Hauptstadt Colombo, ist die größte der zwölf Sonderwirtschaftszonen in Sri Lanka. Die 265 Unternehmen, die sich hier angesiedelt haben, genießen Steuerfreiheit und andere wirtschaftliche Vorteile und beschäftigen rund 100.000 Arbeitskräfte, überwiegend Frauen. 2010 machten die hier produzierten Waren acht Prozent des srilankischen Exportvolumens von acht Milliarden US-Dollar aus.

Die Demonstrationen in Katunayake waren die ersten organisierten Arbeiterproteste, die Sri Lanka seit dem Ende des 25 Jahre langen Bürgerkriegs (Mai 2009) erlebte. Die Gewerkschaften empörte, dass man sie nicht an den Plänen für ein reformiertes Rentensystem in den Sonderwirtschaftszonen beteiligt hatte. Sie rechnen mit einer einseitigen Entlastung der Arbeitgeber, weil die betroffenen Beschäftigten beim Wechsel zu einer anderen Firma oder bei der Pensionierung das Recht auf erworbene Prämien und andere Sonderleistungen verlieren könnten.


Rentenreform vertagt

Die Regierung reagierte unverzüglich auf die Demonstrationen. Besorgt, weitere Proteste der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Sonderwirtschaftszonen könnten ausländische Investoren abschrecken, vertagte sie die geplante Rentenreform und zog die Polizei und später auch das Militär aus der Sonderwirtschaftszone Katunayake ab.

"In nächster Zeit haben die Arbeiter nichts zu befürchten", kommentierte Anton Marcus, Vorsitzender der Gewerkschaft der Beschäftigten in den Sonderwirtschaftszonen (FTZWU) gegenüber IPS. Die 16.000 Mitglieder der Organisation arbeiten innerhalb und außerhalb der FTZ. "Dieses Gesetz wurde ohne jede Kooperation mit uns durchgepeitscht", kritisierte er.

Kritik kam auch von den Parteien, die die Proteste unterstützt hatten. "Ich hatte der Regierung empfohlen, über die Reformpläne zu beraten, bevor darüber im Parlament abgestimmt wird.", berichtete Oppositionsführer Ranil Wickremasinghe. Nach Angaben von Tilvin Silv, dem Generalsekretär der 'People's Liberation Front', in der die Gewerkschaften über eine breite Basis verfügen, wird seine Partei jedem Gesetzesvorschlag zustimmen, der die Rechte der Arbeiter gewährleistet.


International verwarnt

Wirtschaftsexperten warnen, dass die Regierung ein noch größeres Chaos anrichten könnte, sollte sie mit taktischen Tricks versuchen, den Arbeiterprotesten den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Damit wird sie auch international Schaden nehmen und beispielsweise die mit den USA laufenden Gespräche über Handelspräferenzen aufs Spiel setzen", sagte Muttukrishna Sarvananthan vom 'Point Pedro Development Institute'. Im vergangenen Jahr hatte Sri Lanka wegen fehlender Menschenrechtsstandards Aufträge der Europäischen Union im Gesamtwert von jährlich 100 Millionen Dollar verloren. (Ende/IPS/mp/2011)


Link:
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56017

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Juni 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2011