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ASIEN/806: Pakistan - Politische Pfänder, Streit mit Indien wegen Festnahmen von Fischern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juli 2012

Pakistan: Politische Pfänder - Streit mit Indien wegen Festnahmen von Fischern

von Zofeen Ebrahim


Indische Fischer, die nach der Haftentlassung in Pakistan in ihre Heimat zurückkehren wollen - Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Indische Fischer, die nach der Haftentlassung in Pakistan in ihre Heimat zurückkehren wollen
Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Karachi, 6. Juli (IPS) - Hunderte indische und pakistanische Fischer sind auf dem Arabischen Meer von den Behörden des jeweils anderen Landes festgenommen worden, weil sie unerlaubt die Grenze überschritten haben. Ihre Freilassung hängt jeweils davon ab, ob die Beziehung zwischen den beiden Staaten gerade gespannt ist oder nicht. Eine permanente Lösung ist nicht in Sicht.

"Ihre Zahl wird nie auf null sinken. In einigen Monaten sitzen hier vielleicht sogar noch mehr als jetzt im Gefängnis", sagte Mohammad Ali Shah vom Pakistanischen Fischervolk-Forum (PFF), nachdem mehr als 300 indische Fischer aus pakistanischen Haftanstalten freigekommen waren.

Nach Ansicht von Shah hängt ihr Schicksal nicht davon ab, ob sie ihre Haftstrafe verbüßt haben oder nicht. "In diesem Spiel unserer Herrscher sind die Fischer nur ein Pfand."

Von den 311 indischen Gefangenen, die Ende Juni auf freien Fuß kamen, waren 20 minderjährig. Shah nahm an, dass demnächst bis zu 30 von schätzungsweise 130 Pakistanern aus indischer Haft freigelassen werden.

Nach Angaben des PFF, einer nichtstaatlichen Organisation, die sich für die Rechte der Fischer einsetzt, beträgt die Strafe für unerlaubten Grenzübertritt bis zu sechs Monate Haft. Zumeist verbringen die Fischer aber mehrere Jahre hinter Gittern.

"Während der Wirbelstürme 1996 und 1999 verschwanden 63 Fischer. Wir dachten, dass sie ertrunken seien. Doch vor etwa sechs Monaten, als einige Pakistaner von Indien freigelassen wurden, sagte man uns, dass 40 von ihnen noch leben würden", sagte Shah - in indischen Gefängnissen.

Nazir Hussain Shah, der Oberaufseher in dem Distriktgefängnis Malir in der südpakistanischen Hafenstadt Karachi, erklärte, dass bis Ende der achtziger Jahre die Fischer nach der Festnahme immer freigelassen worden seien. Die Boote seien stets repariert und der Küstenwache übergeben worden. Danach habe sich das verändert. Aber seit der Machtübernahme der 'Pakistan People's Party' (PPP) vor vier Jahren hätten sich die Zustände in den Gefängnissen verbessert. Indische Häftlinge würden seither rascher freigelassen. Den Grund sieht er darin, dass Staatspräsident Asif Ali Zardari, der Co-Vorsitzende der PPP, in den späten neunziger Jahren in demselben Gefängnis einsaß.


Viel Geld im Spiel

Der Richter Nasir Aslam Zahid, der dem pakistanisch-indischen Rechtsausschuss für Gefangene angehört, führt die häufigen Festnahmen darauf zurück, dass viel Geld im Spiel sei. Aus eigennützigen Interessen werde keine Lösung für das Menschenrechtsproblem gesucht. "Die Boote sind zusammen Millionen Dollar wert. Bis vor ein paar Jahren wurden sie versteigert, aber ich habe nie eine öffentliche Ankündigung dazu gesehen. Warum kümmert sich das Parlament nicht darum?"

"Noch immer sind bei uns 132 indische Fischer in Haft", berichtete der Oberaufseher Schah. "Es braucht Zeit, um ihre Staatsangehörigkeit zu überprüfen." Der indische Hochkommissar müsse die Daten erst bestätigen, bevor ein Inder freigelassen werden könne.

Die gleiche Prozedur werde von dem pakistanischen Hochkommissar in Neu-Delhi befolgt, um sicherzustellen, dass keine Spione ins Land kämen, sagte ein Gefängnisbeamter. Laut dem Richter Zahid wurde bisher aber kein einziger Fischer der Spionage beschuldigt. "Es sind sehr arme Menschen, die sich niemals etwas zuschulden kommen ließen, nicht einmal Diebstahl." Viele Fischer blieben auch deshalb im Gefängnis, weil ihr Land nicht für ihre Rückreise zahlen könne.

Fast 65 Jahre nach der Teilung des Subkontinents ist die Seegrenze zwischen Indien und Pakistan weiterhin nicht festgelegt. Dass Fischer freigelassen würden, sei vor allem auf den Einsatz von Menschenrechtsaktivisten zurückzuführen, erklärte Zohra Yusuf vom Pakistanischen Menschenrechtskomitee.

Sie hält es für notwendig, dass beide Seiten mehr Humanität walten lassen. "In den meisten Fällen ist es den Fischern überhaupt nicht bewusst, dass sie in die Gewässer des anderen Landes geraten sind. Manchmal haben sie sich von der Aussicht auf bessere Fänge locken lassen", meinte Yusuf. "Diese Fälle sollten nach ein paar Tagen abgeschlossen werden, und die Strafe sollte auf humanitären Grundsätzen basieren. Manche Gefangenen sind minderjährig und einige sind sogar hinter Gittern gestorben."


Grenzen nicht ersichtlich

Zahid kritisierte, dass es keine sichtbare Grenze gebe und die Boote keine Navigationsinstrumente hätten, die anzeigten, wo ein Land ende und das andere beginne. Das zwischenstaatliche Komitee, das 2008 eingesetzt wurde, fordert die unverzügliche Freilassung aller Fischer aus beiden Staaten. Wie Zahid beanstandete, mangele es beiden Seiten an politischem Willen, um eine dauerhafte Lösung zu finden.

PFF-Aktivist Shah wünscht sich einen zwischenstaatlichen Ausschuss, der so arbeitet wie ein ähnliches Gremium, das Sri Lanka und Indien gebildet haben. "Wenn Fischer wegen illegalen Grenzübertritts gefangen werden, entscheidet das Komitee sofort über die Fälle. In dem Ausschuss sitzen Vertreter der Fischer, Rechtsanwälte und Regierungsbeamte." (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.pff.org.pk/
http://www.hrcp-web.org/default.asp
http://www.ipsnews.net/2012/07/fishermen-caught-on-a-political-hook/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2012